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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0065

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50

Früh- und Hochmittelalter

3.2 Mitkönigserhebungen

Mit den Königserhebungen zu Lebzeiten des Vaters wird ein Sonderaspekt des Herr-
scherwechsels berührt. Für sie galten deutlich andere Spielregeln als bei einem Dynas-
tiewechsel oder einer Gegenkönigserhebung - Fälle in denen, wie im vorangegangenen
Abschnitt gezeigt, der Wahl eine gesteigerte Bedeutung zukam. Bei den Mitkönigserhe-
bungen konnte hingegen der amtierende Herrscher in besonderem Maße Einfluss auf
den Gang der Ereignisse nehmen, wobei zwischen einer auf die Zukunft abzielenden
Nachfolgeregelung (dcs/'ynaüo de /Minro) und einer konkreten Erhebung zum Mittherr-
scher mittels Wahl, Krönung und weiterer Akte (deszg?MÜo de praesenh) unterschieden
werden kann A Auch auf diesem Feld haben Mitteis' generalisierende Ansichten erheb-
lichen Widerspruch hervorgerufen beziehungsweise, positiv gewendet, eine Reihe an
weiterführenden Forschungen angeregt: Während Mitteis die von ihm vorgenommene
Unterscheidung im selben Atemzug wieder weitgehend zurücknahm/'' konnte in vie-
len Einzelstudien ein differenziertes Bild der Vorgänge gezeichnet werden. Dies kulmi-
nierte schließlich in der Feststellung Ulrich Schmidts, die Diskussion habe gezeigt,
»daß jede Sohneswahl einzeln zu untersuchen ist und ihre rechtlichen Grundgedanken
aus den Quellen selbst zu entwickeln sind«d°
Eine solche Untersuchung kann und soll hier nicht unternommen werden. Statt-
dessen wird in einem kurzen Gang durch die politische Geschichte des Mittelalters der
sich abzeichnende Wandel beschrieben, um so auch die Besonderheiten des Spätmittel-
alters heraussteilen zu können. Für die Zeit der Karolinger hat Wolfgang Giese unlängst
herausgearbeitet, dass deren »designative Nachfolgeregelung« stets des Konsenses zwi-
schen Herrscher und Adel bedurfte und »selbst in Zeiten eines unbelasteten Verhältnis-
ses ... nur bewerkstelligt wurde, wenn die Bedrohung für das Leben des regierenden
Herrschers bedenklich angestiegen war«A Hinsichtlich der rituellen Form sind hier be-
sonders die Mitkaisererhebungen von 813 und 817 hervorzuheben, die der kaiserliche
Vater persönlich vornahm,^ während der Sohn Lothars I. 850 vom Papst zum Mitkaiser
geweiht wurdet Die erste und einzige Mitkönigserhebung, die eine Weihe einschloss.

38 Zum Terminus »Designation« und zu der diesbezüglichen Forschungsdiskussion siehe
ScHMiDT, Königswahl und Thronfolge, S. 18-26 und ScHULER, Designation. GiESE, Die designati-
ven Nachfolgeregelungen der Karolinger, fasste beide Aspekte unter der Bezeichnung »desi-
gnative Nachfolgeregelung« zusammen (vgl. S. 438f.). Die lateinischen Bezeichnungen wurden
von MiTTEis, Die deutsche Königswahl, S. 38 in Anlehnung an die Kanonistik geschaffen.
39 MiTTEis, Die deutsche Königswahl, S. 38: »Der Unterschied darf aber nicht überschätzt werden.
Praktisch ist er nahezu bedeutungslos, weil auch dem pro futuro Designierten Regierungs-
rechte übertragen werden konnten und die Abgrenzung der Zuständigkeit in beiden Fällen Sa-
che des Vaters war. ... Rechtlich ist der Unterschied ebenfalls gering.«
40 ScHMiDT, Königswahl und Thronfolge, S. 26.
41 GiESE, Die designativen Nachfolgeregelungen der Karolinger, hier besonders die Zusammen-
fassung S. 509-511, das Zitat S. 510.
42 RI I Nr. 479b und 649a. Vgl. hierzu BRÜHL, Fränkischer Krönungsbrauch, S. 277 und entschiede-
ner zu 813 BosHor, Ludwig der Fromme, S. 89. Anders MÜLLER, Königswahlen und Königskrö-
nungen, S. 915, wo in beiden Fällen von einer »Selbstkrönung« die Rede ist.
43 RI I Nr. 1179a sowie RI 1,3,1 Nr. 67. Vgl. hierzu GiESE, Die designativen Nachfolgeregelungen der
Karolinger, S. 471-476.
 
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