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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0132

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Trierer Pontifikale (14. Jahrhundert)

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nen Sequenzen ab, bringt die Weihe von König und Königin zusammen und ist bei
Letzterer durch die Ausweitung der Rubriken bemüht, statt bloßer Formeln einen zu-
sammenhängenden Handlungsablauf zu schaffen. Im Hinblick auf das Gesamtritual
mögen die größeren und kleineren Änderungen und Neuerungen zunächst vielleicht
wenig gravierend erscheinen, doch gilt es sich vor Auge zu führen, dass, abgesehen von
der Aufnahme des Eides, der Mainzer Ordo bis zu diesem Zeitpunkt für mehrere Jahr-
hunderte unverändert geblieben war. Mit dem Trierer Pontifikale wird zum ersten Mal
auch eine Überarbeitung der Gebete und Formeln fassbar, die auf ein sehr bewusstes
Vorgehen schließen lässt und gerade vor dem Hintergrund der Herkunft des Pontifika-
les aus einem der geistlichen Kurfürstentümer als hochbedeutsam einzustufen ist. Ob
diese Änderungen erst mit der Pariser Handschrift eintraten oder ihrerseits auf ältere
Vorlagen zurückgehen, bedarf weiterer Prüfung,^" doch können auf inhaltlicher Ebene
bereits einige Aspekte zusammenfassend hervorgehoben werden.
Zwar lassen sich nicht für alle Umgestaltungen Gründe beziehungsweise eine da-
mit verbundene Sinnveränderung nachweisen, und auch die zahlreichen Wortumstel-
lungen mögen eher auf Zufall oder Willkür als auf ein planvolles Vorgehen zurückzu-
führen sein. Für anderes mag man vielleicht sogar ein Versehen des Schreibers
annehmen wollen, etwa wenn der König sich Gott »mit Ehre« (cMW Sonore) und nicht
mehr »mit Furcht« (cMW hmore) unterwerfen soll, oder wenn ihm Christus nicht mehr
»Urheber« (aMcfor), sondern »Führer« (dMcfor) sein soll. Doch selbst wenn es sich nur um
einen Verschreiber handeln sollte, so muss doch betont werden, dass sich dieser in kei-
ner der früheren Handschriften findet, also offenbar erst im Spätmittelalter und nicht
bereits im 10. oder 11. Jahrhundert denkbar war.
Dass bei den sonst zahlreich vorhandenen abweichenden Lesarten jene beiden
Fälle nie auftreten, weist daher vielmehr auf den Gestaltungswillen des Autors des
Trierer Pontifikales (oder seiner Vorlage) hin. Unpassende Stellen wurden neu formu-
liert und damit nicht selten eine Bedeutungsverschiebung erreicht. Dies wird deutlich,
wenn im Gebet nach der Salbung zwar weiterhin der Wunsch geäußert wird, dass der
König Nachkommen haben möge, jedoch er selbst und nicht mehr diese das Reich re-
gieren sollen. Ist hiermit eine Schwächung des Prinzips der Erbfolge angedeutet, so
sollte an anderer Stelle die Stellung des Königs hingegen stärker hervorgehoben wer-
den. Dies manifestiert sich in der Kronenformel, wenn der Herrscher durch das Aufset-
zen nicht mehr Teilhaber (parhceps) am bischöflichen Amt, sondern dessen pnnceps
wird. Dabei muss jedoch offen bleiben, ob diese Vorrangstellung bezüglich der geistli-
chen oder weltlichen Ebene intendiert war. Diese Tendenz wird in den Änderungen des
Krönungseides noch verstärkt, den der Herrscher jetzt nicht mehr contm deo leistet und
in dem die Teilhabe seiner/zddes zugunsten einer stärkeren Betonung der herrscher-
lichen Stellung abgeschwächt ist.
Diese Entwicklung sollte durch den spätmittelalterlichen Ordo trotz gewisser
Kontinuitäten wieder eingeschränkt werden, während die in der Pariser Handschrift
nur angedeutete Schwächung des Erbprinzips weiter ausgebaut wurde. Viele der übri-
gen Änderungen wurden allerdings beibehalten und auch die Verbindung von Königs-,
Königinnenweihe und Messe wurde weiter vorangetrieben, so dass das Trierer Pontifi-

120 Vgl. oben, Anm. 101.
 
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