Spätmittelalterlicher Ordo (>Aachener Ordo<)
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Statt größerer Umgestaltungen und Neuschöpfungen sind eher kleinere Verände-
rungen die Regel, die gleichzeitig aber einen erheblichen Bedeutungswandel implizier-
ten. Wie die zumeist stets gleichlautende Schreibweise aller Handschriften zeigt, kön-
nen diese Abweichungen nicht durch Abschreibfehler erklärt werden - vielmehr legen
sie ein gezieltes und überlegtes Vorgehen nahe. Es dürfte daher verfehlt und geradezu
kontraproduktiv sein, a priori eine Formulierung beziehungsweise Lesart als »sinn-
gemäßer« oder »richtiger« zu postulieren, wie es Goldinger, teilweise anknüpfend an
Schramm, für mehrere Stellen des Ordo getan hat: Die Tatsache, dass im spätmittel-
alterlichen Ordo in Anlehnung an das Trierer Pontifikale Jesus Christus dem König
nicht mehr aMcfor (Urheber), sondern dMcfor (Führer) sein soll, muss ebenso als Aus-
druck einer gewandelten Vorstellung des Königtums verstanden werden wie der Um-
stand, dass in »sämtlichen Handschriften des spätmittelalterlichen Ordo« bei der Krö-
nungsformel des Königs ef per ic pnnczpem wmzsfern steht: Die ältere Formel ic
parhczpem wmzsfern ist nicht »richtiger« als die spätmittelalterliche Formulierung, son-
dern ebenso wie die Änderung der Thronsetzungsformel als »sachliche Abweichungen]
gegenüber der früheren Fassung« zu werten.^
Dies wirft allerdings die Frage auf, wie der Wandel des Königs vom »Teilnehmer,
Teilhaber« des bischöflichen Amtes beziehungsweise Dienstes zum »Ersten, Führen-
den, Fürsten« zu interpretieren ist. Franz-Reiner Erkens hat dies als Verweis auf die
»sazerdotale Dimension des spätmittelalterlichen rex RoPMUorMm« gedeutet und auf
eine vergleichbare Stellung des französischen und englischen Königs hingewiesen.
Hierauf beziehen sich auch die dem König angelegten Kleider (Sandalen, Albe und
Stola ad wodüw crüczs in pcHorc, also wie der Priester und nicht wie der Diakon) sowie
nach Erkens in Anlehnung an Eichmann auch ganz allgemein die Analogie zur Bi-
schofsweihe.^
Der Feststellung, dass »Priesterähnlichkeit« nicht mit »klerikalejm] Charakter« zu
verwechseln sei, ist uneingeschränkt zuzustimmen: Die Kleidungsstücke weisen Paral-
lelen zum priesterlichen Ornat auf, sind mit diesem jedoch keineswegs identisch. Im
Hinblick auf den spätmittelalterlichen Krönungsordo wäre außerdem anzumerken,
dass sich der Kleidungswechsel gerade nicht in den ältesten Handschriften findet^'
Rebekka, Lea und Rahel Bezug genommen, die alle vier zunächst unfruchtbar waren, durch
Gottes Hilfe später aber dennoch Kinder gebären konnten. Sara, die Frau Abrahams, gebar
Isaak, dessen Frau Rebekka dann Jakob. Lea und Rahel waren wiederum beide Frauen Jakobs
und wurden, zusammen mit ihren Dienerinnen Silpa und Bilha, die Mütter der zwölf Stämme
Israels - eine für ein Wahlreich höchst problematische, sich jedem Bibelkundigen aber geradezu
aufdrängende Analogie zu der fortdauernden Herrschaft eines Geschlechts. Die Stelle wurde
auch im spätmittelalterlichen Ordo beibehalten, jedoch gleichzeitig versucht, die aufgezeigte
Analogie abzuschwächen, indem durch die Beigabe eines weiteren »und« nicht mehr die vier
Frauen selbst »selig und zu verehren« waren, sondern lediglich in eine Reihe mit ebensolchen
Frauen gestellt wurden.
344 Vgl. GoLDiNGER, Zeremoniell der deutschen Königskrönungen, S. 105 (dort auch die Zitate), des-
sen Einschätzung ebenfalls von ERKENS, Königskrönung und Krönungsordnung, S. 44,
Anm. 113 kritisiert wird. Siehe außerdem SCHRAMM, Krönungen in Deutschland, S. 318, Anm. 5,
wonach der spätmittelalterliche Ordo aMcfor zu dacfor »verbessert« habe, weshalb diese Lesart
auch »in der ursprünglichsten Fassung gestanden haben könnte«.
345 Vgl. ERKENS, Königskrönung und Krönungsordnung, S. 44-47 sowie zuvor bereits ERKENS, Vica-
rius Christi, S. 36f.
346 Siehe oben, Anm. 239.
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Statt größerer Umgestaltungen und Neuschöpfungen sind eher kleinere Verände-
rungen die Regel, die gleichzeitig aber einen erheblichen Bedeutungswandel implizier-
ten. Wie die zumeist stets gleichlautende Schreibweise aller Handschriften zeigt, kön-
nen diese Abweichungen nicht durch Abschreibfehler erklärt werden - vielmehr legen
sie ein gezieltes und überlegtes Vorgehen nahe. Es dürfte daher verfehlt und geradezu
kontraproduktiv sein, a priori eine Formulierung beziehungsweise Lesart als »sinn-
gemäßer« oder »richtiger« zu postulieren, wie es Goldinger, teilweise anknüpfend an
Schramm, für mehrere Stellen des Ordo getan hat: Die Tatsache, dass im spätmittel-
alterlichen Ordo in Anlehnung an das Trierer Pontifikale Jesus Christus dem König
nicht mehr aMcfor (Urheber), sondern dMcfor (Führer) sein soll, muss ebenso als Aus-
druck einer gewandelten Vorstellung des Königtums verstanden werden wie der Um-
stand, dass in »sämtlichen Handschriften des spätmittelalterlichen Ordo« bei der Krö-
nungsformel des Königs ef per ic pnnczpem wmzsfern steht: Die ältere Formel ic
parhczpem wmzsfern ist nicht »richtiger« als die spätmittelalterliche Formulierung, son-
dern ebenso wie die Änderung der Thronsetzungsformel als »sachliche Abweichungen]
gegenüber der früheren Fassung« zu werten.^
Dies wirft allerdings die Frage auf, wie der Wandel des Königs vom »Teilnehmer,
Teilhaber« des bischöflichen Amtes beziehungsweise Dienstes zum »Ersten, Führen-
den, Fürsten« zu interpretieren ist. Franz-Reiner Erkens hat dies als Verweis auf die
»sazerdotale Dimension des spätmittelalterlichen rex RoPMUorMm« gedeutet und auf
eine vergleichbare Stellung des französischen und englischen Königs hingewiesen.
Hierauf beziehen sich auch die dem König angelegten Kleider (Sandalen, Albe und
Stola ad wodüw crüczs in pcHorc, also wie der Priester und nicht wie der Diakon) sowie
nach Erkens in Anlehnung an Eichmann auch ganz allgemein die Analogie zur Bi-
schofsweihe.^
Der Feststellung, dass »Priesterähnlichkeit« nicht mit »klerikalejm] Charakter« zu
verwechseln sei, ist uneingeschränkt zuzustimmen: Die Kleidungsstücke weisen Paral-
lelen zum priesterlichen Ornat auf, sind mit diesem jedoch keineswegs identisch. Im
Hinblick auf den spätmittelalterlichen Krönungsordo wäre außerdem anzumerken,
dass sich der Kleidungswechsel gerade nicht in den ältesten Handschriften findet^'
Rebekka, Lea und Rahel Bezug genommen, die alle vier zunächst unfruchtbar waren, durch
Gottes Hilfe später aber dennoch Kinder gebären konnten. Sara, die Frau Abrahams, gebar
Isaak, dessen Frau Rebekka dann Jakob. Lea und Rahel waren wiederum beide Frauen Jakobs
und wurden, zusammen mit ihren Dienerinnen Silpa und Bilha, die Mütter der zwölf Stämme
Israels - eine für ein Wahlreich höchst problematische, sich jedem Bibelkundigen aber geradezu
aufdrängende Analogie zu der fortdauernden Herrschaft eines Geschlechts. Die Stelle wurde
auch im spätmittelalterlichen Ordo beibehalten, jedoch gleichzeitig versucht, die aufgezeigte
Analogie abzuschwächen, indem durch die Beigabe eines weiteren »und« nicht mehr die vier
Frauen selbst »selig und zu verehren« waren, sondern lediglich in eine Reihe mit ebensolchen
Frauen gestellt wurden.
344 Vgl. GoLDiNGER, Zeremoniell der deutschen Königskrönungen, S. 105 (dort auch die Zitate), des-
sen Einschätzung ebenfalls von ERKENS, Königskrönung und Krönungsordnung, S. 44,
Anm. 113 kritisiert wird. Siehe außerdem SCHRAMM, Krönungen in Deutschland, S. 318, Anm. 5,
wonach der spätmittelalterliche Ordo aMcfor zu dacfor »verbessert« habe, weshalb diese Lesart
auch »in der ursprünglichsten Fassung gestanden haben könnte«.
345 Vgl. ERKENS, Königskrönung und Krönungsordnung, S. 44-47 sowie zuvor bereits ERKENS, Vica-
rius Christi, S. 36f.
346 Siehe oben, Anm. 239.