Zusammenfassung
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Änderungen in der Regel bei, schränkte die Erhöhung des Königtums trotz gewisser
Kontinuitäten jedoch wieder ein und verstärkte seinerseits die bereits angedeutete
Schwächung des Erbprinzips weiter, indem er der Wahl durch die Kurfürsten die ent-
scheidende Bedeutung für den Erwerb der Herrschaft zukommen ließ. Die mit dem
Mainzer Ordo begonnene Umgestaltung der einzelnen Sequenzen zu einem vollständi-
gen und zusammenhängenden Ritual wurde jetzt zum Abschluss gebracht: Die Rubri-
ken wurden noch weiter ausgestaltet, die Regelungen auf die eigentliche Krönung be-
schränkt, die Weihe von König und Königin miteinander verbunden und die Krönung
außerdem in den Ablauf der Messe integriert.^"
In einem an den Krönungsordo angehängten Absatz fügte Daniel außerdem allge-
meine Bestimmungen über Krönungsort und Koronator an, die eine Reaktion auf die in
seine Zeit fallende Doppelwahl und -krönung des Jahres 1314 erkennen lassen. Auch
der Ordo selbst trägt durch die bedeutende Rolle des Trierer Erzbischofs oder die Auf-
nahme des Papstes in Fragen und Eid sicherlich der Stellung seines Verfassers Rech-
nung, doch darf man nicht so weit gehen, ihn nur als Reflex auf tagespolitische Anfor-
derungen zu deuten A' Stattdessen lassen die auch gegenüber dem Trierer Pontifikale
sehr zahlreichen weiteren Modifikationen eine überaus bewusste und durchdachte
Konzeption von Königtum und Reich erkennen. Der spätmittelalterliche Ordo nahm
nämlich weit mehr als seine Vorgänger Veränderungen an seinen Vorlagen vor, so dass
das Urteil, seine Originalität liege einzig in der Einbindung »staatstheoretischer Postu-
late in einen liturgischen Text«, den Kern der Sache verfehlt."^ Diese scheinbare Beson-
derheit stellt im Hinblick auf die Krönungsordines vielmehr die Norm dar. Im spätmit-
telalterlichen Ordo sind es gerade die »verkündeten Inhalte«, die nicht »keineswegs«,
sondern überaus originell sind, da sie eine Abkehr von den bisherigen textlichen
Grundlagen der Königweihe bedeuteten und die eingetretenen und propagierten Ver-
änderungen für die Zukunft festschrieben.
Der zentrale Punkt war hierbei die Betonung des Wahlprinzips, weshalb der neue
König versprechen musste, das Reich nach der Gerechtigkeit seiner Vorgänger (zMshcza
predecessorMW fMoruw) und nicht nach der seiner Väter (paÜMm fMoruw) zu regieren und
zu verteidigen. In einer direkten Auseinandersetzung mit der älteren Thronsetzungs-
formel wurde dem König dies vor dem Abschluss seiner Krönung noch einmal ein-
drucksvoll vermittelt: Nicht durch Erbrecht und väterliche Nachfolge, sondern durch
die Wahl der Kurfürsten, non znre Jzeredzfano necpaferna snccesszone, sed pnndpnzn sen dec-
fornzn in regno AU/nanz'c, nahm er auf dem Thron seines heiliggesprochenen Vorgängers
stätigt (siehe unten, Kapitel 5.7.3).
380 Dies als gewisse Parallele zu den Ordines der Kaiserkrönung, die seit dem 11. Jahrhundert eine
Verbindung von Krönung und Messfeier vorsahen (vgl. Elze [Hg.], Ordines, Nr. XIII, S. 34, § 2: cf
z'Mcz'pzfMr mz'ssa, H ante opaMgdz'Mm Imperator consocrafMr et NModz'cz'fMr), wobei die Salbung aller-
dings anders als im spätmittelalterlichen Ordo bereits vor der Messe stattfand (seit dem so ge-
nannten Ordo Cencius II, ebd., Nr. XIV).
381 Dies legt ScHMiDT, Politisches Handeln und politische Programmatik im Dienst der Luxembur-
ger, S. 139 nahe, wenn er die gemeinsame Krönung durch die drei geistlichen Kurfürsten als
Versuch interpretiert, die durch das Fehlen des Kölner Erzbischofs bei der Krönung Ludwigs IV.
1314 verursachten »Legitimationsprobleme« zu beheben. Gerade im neu hinzugefügten An-
hang an den Krönungsordo wurde ja der Anspruch des Kölner Erzbischofs, die Weihe vollzie-
hen zu dürfen, bestätigt und verteidigt.
382 Ebd., S. 137.
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Änderungen in der Regel bei, schränkte die Erhöhung des Königtums trotz gewisser
Kontinuitäten jedoch wieder ein und verstärkte seinerseits die bereits angedeutete
Schwächung des Erbprinzips weiter, indem er der Wahl durch die Kurfürsten die ent-
scheidende Bedeutung für den Erwerb der Herrschaft zukommen ließ. Die mit dem
Mainzer Ordo begonnene Umgestaltung der einzelnen Sequenzen zu einem vollständi-
gen und zusammenhängenden Ritual wurde jetzt zum Abschluss gebracht: Die Rubri-
ken wurden noch weiter ausgestaltet, die Regelungen auf die eigentliche Krönung be-
schränkt, die Weihe von König und Königin miteinander verbunden und die Krönung
außerdem in den Ablauf der Messe integriert.^"
In einem an den Krönungsordo angehängten Absatz fügte Daniel außerdem allge-
meine Bestimmungen über Krönungsort und Koronator an, die eine Reaktion auf die in
seine Zeit fallende Doppelwahl und -krönung des Jahres 1314 erkennen lassen. Auch
der Ordo selbst trägt durch die bedeutende Rolle des Trierer Erzbischofs oder die Auf-
nahme des Papstes in Fragen und Eid sicherlich der Stellung seines Verfassers Rech-
nung, doch darf man nicht so weit gehen, ihn nur als Reflex auf tagespolitische Anfor-
derungen zu deuten A' Stattdessen lassen die auch gegenüber dem Trierer Pontifikale
sehr zahlreichen weiteren Modifikationen eine überaus bewusste und durchdachte
Konzeption von Königtum und Reich erkennen. Der spätmittelalterliche Ordo nahm
nämlich weit mehr als seine Vorgänger Veränderungen an seinen Vorlagen vor, so dass
das Urteil, seine Originalität liege einzig in der Einbindung »staatstheoretischer Postu-
late in einen liturgischen Text«, den Kern der Sache verfehlt."^ Diese scheinbare Beson-
derheit stellt im Hinblick auf die Krönungsordines vielmehr die Norm dar. Im spätmit-
telalterlichen Ordo sind es gerade die »verkündeten Inhalte«, die nicht »keineswegs«,
sondern überaus originell sind, da sie eine Abkehr von den bisherigen textlichen
Grundlagen der Königweihe bedeuteten und die eingetretenen und propagierten Ver-
änderungen für die Zukunft festschrieben.
Der zentrale Punkt war hierbei die Betonung des Wahlprinzips, weshalb der neue
König versprechen musste, das Reich nach der Gerechtigkeit seiner Vorgänger (zMshcza
predecessorMW fMoruw) und nicht nach der seiner Väter (paÜMm fMoruw) zu regieren und
zu verteidigen. In einer direkten Auseinandersetzung mit der älteren Thronsetzungs-
formel wurde dem König dies vor dem Abschluss seiner Krönung noch einmal ein-
drucksvoll vermittelt: Nicht durch Erbrecht und väterliche Nachfolge, sondern durch
die Wahl der Kurfürsten, non znre Jzeredzfano necpaferna snccesszone, sed pnndpnzn sen dec-
fornzn in regno AU/nanz'c, nahm er auf dem Thron seines heiliggesprochenen Vorgängers
stätigt (siehe unten, Kapitel 5.7.3).
380 Dies als gewisse Parallele zu den Ordines der Kaiserkrönung, die seit dem 11. Jahrhundert eine
Verbindung von Krönung und Messfeier vorsahen (vgl. Elze [Hg.], Ordines, Nr. XIII, S. 34, § 2: cf
z'Mcz'pzfMr mz'ssa, H ante opaMgdz'Mm Imperator consocrafMr et NModz'cz'fMr), wobei die Salbung aller-
dings anders als im spätmittelalterlichen Ordo bereits vor der Messe stattfand (seit dem so ge-
nannten Ordo Cencius II, ebd., Nr. XIV).
381 Dies legt ScHMiDT, Politisches Handeln und politische Programmatik im Dienst der Luxembur-
ger, S. 139 nahe, wenn er die gemeinsame Krönung durch die drei geistlichen Kurfürsten als
Versuch interpretiert, die durch das Fehlen des Kölner Erzbischofs bei der Krönung Ludwigs IV.
1314 verursachten »Legitimationsprobleme« zu beheben. Gerade im neu hinzugefügten An-
hang an den Krönungsordo wurde ja der Anspruch des Kölner Erzbischofs, die Weihe vollzie-
hen zu dürfen, bestätigt und verteidigt.
382 Ebd., S. 137.