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Büttner, Andreas; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Der Weg zur Krone: Rituale der Herrschererhebung im spätmittelalterlichen Reich — Mittelalter-Forschungen, Band 35,1: Ostfildern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.34718#0202

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Wilhelm von Holland (1247/48)

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und Pfalzgraf den Reichsapfel (^(ohüs aweMs). Als letzten Akt setzt ihm der König von
Böhmen, mit dem Einverständnis des Kölner Erzbischofs (de consensM Colonzenszs arc/ü-
epzscopz), die goldene Krone au fAnschließend rufen die umstehenden und den König
»anbetenden« (adoranfes) Fürsten ihm Wohlergehen und Ruhm zu, worauf der König
einzeln die Lehnseide empfängt. Es folgt ein eine Woche dauernder Hoftag voller Fest-
lichkeiten sowie am achten Tag eine Beratung der o^fzcädes äwpenz über die Bestellung
der königlichen Räte. ' '
Es kann kein Zweifel bestehen, dass es sich bei dieser ausführlichen Schilderung
um eine Fiktion des 14. Jahrhunderts handelt, die die gewandelten Strukturen des
Reichs, das heißt konkret die Entstehung des Kurfürstenkollegs, auf frühere Zeiten zu-
rückprojeziert. Die Beteiligung am Krönungsritual in der dargebotenen Form wird al-
lein schon durch die Abwesenheit mehrerer Kurfürsten widerlegt, wie auch die ge-
samte Anordnung und die einzelnen Sequenzen wenig glaubwürdig wirken. Dessen
ungeachtet fand die Darstellung unverändert Eingang in zahlreiche Chroniken des 15.
und 16. Jahrhunderts, darunter auch die Annales Hirsaugienses des Johannes
Trithemius'.""' Mit anderen Nachrichten vermischt gelangte sie so im 17. Jahrhundert in
Peter von Beecks Aachener Geschichte,"" und von dort oder via einer wohl zeitgenössi-
schen Aufzeichnung über die Krönung Maximilians I. 1486 in Teilen sogar bis in Dar-
stellungen des 20. und 21. Jahrhunderts."^ Selbst ein ansonsten gut informierter flämi-
scher Druck zur Krönung Karls V. im Jahr 1520 griff auf diese literarisch-fiktive
Schilderung zurück."'^ Die »gedrängte, lebendige und originelle Darstellung« veran-
lasste den Herausgeber Emil Fromm »einen Augenzeugen als Verfasser« anzunehmen
und die »manchen irrigen Anschauungen« aus seiner Beobachterposition »aus der
Ferne« zu erklären."" Für Fromm war »nicht abzusehen ..., auf welche gleichzeitige
Quelle dieselbe sonst zurückzuführen sein sollte«. Die Abweichung von allen anderen
Beschreibungen erklärt sich jedoch aus eben jenem schriftlichen Weiterleben älterer
Fiktionen, die über Generationen hinweg weitergereicht wurden und noch bis in unsere
heutige Zeit nachwirken.

98 Ebd., S. 191 und 193.
99 Ebd., S. 193.
100 Johannes Trithemius, Annales Hirsaugienses ad a. 1249, Bd. 1, S. 585. Für weitere Quellen siehe
die Verweise bei RI YT/2 Nr. 4934a; Mittelrheinische Regesten, Bd. 3, Nr. 647 S. 147; Regesta
archiepiscoporum Maguntinensium, Bd. 2, S. 301, Nr. 638. Zu ergänzen wären außerdem: Jo-
hann Gerbrandiz van Leyden, Chronicon Comitum Hollandiae et Episcoporum Ultraiectensium,
1. XXIII, c. 8, S. 199f.; Nicolaus Schaten, Annales Paderbornenses, Bd. 2, Sp. 43f. (verkürzt). Unter
dem Titel »Ordz'wHÜ'o New; Regz's RowMMorMm A^H/sgraaz« findet sich der Ordo auch bei Johannes
und Aegidius Gelenius, Farragines diplomatum et notationum pro historia, Bd. 20 (Historisches
Archiv der Stadt Köln, Best. 1039, S. 607).
101 Beeck, Aquisgranum sive Historica Narratio, c. 7 S. 121.
102 Siehe unten, Anm. 2235.
103 FROMM, Zeitgenössische Berichte, S. 239-244, hier S. 241f.
104 Ebd., S. 238.
 
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