fällt oder nicht. Das kann Ihnen ja auch
ganz gleichgültig ſein, denn für Sie han-
delt es ſich jetzt nur noch um das Publi-
kum. Beim Theater iſt alles unberechenbar,
alles, darum auch ich! Es kann ſein, daß
mir Ihr Stück am Abend ſehr gefällt, kann
ſein, daß ich es elend finde. Heut weiß ich's
nicht.“
Das waren natürlich keine tröſtlichen
Worte, und Doktor Richter vermaledeite im
ſtillen den Tag, an dem er „Magelones
Freier“ bei der Intendanz eingereicht
hatte. Auf der Generalprobe hob ſich dann
ſein Mut wieder ein wenig. Er fühlte, daß
heut auf der Bühne Stimmung und eine
gewiſſe Erregung da war, auch wirkten die
Dekorationen und die Koſtüme genug, um
das Bühnenbild ahnen zu laſſen, das ſich
am Abend entfalten würde.
Die Schauspieler waren heute weniger
geringſchätzig gegen ihn, wenngleich er
fühlte und auch aus abgeriſſenen Bemer-
kungen hörte, daß ſie nur die üblichen vier
Anſtandsaufführungen von dem Stück er-
warteten. Mit allſeitigen, kräftigen Wün-
ſchen für einen tüchtigen Arm⸗ und Bein-
bruch ging man auseinander.
Und doch wurde es ein Erfolg, ein ech-
ter, ſchöner Erfolg, wie ihn kein Menſch
vermutet hätte, am wenigſten der Dichter
ſelbſt. '
Das Publikum empfand genau ſo, wie
der Intendant empfunden hatte, als er vor
Monaten „Magelones Freier“ zum erſten-
mal las. Es freute ſich an den bunten Bil-
dern, dem feinen Humor, der die Szenen
verknüpfte, und ruhte nicht, bis der Ver-
faſſer ſchon nach dem zweiten Akt vor der
Rampe erſchien. Als ſie ihn ſahen, klatſch-
ten ſie erſt recht, denn in dem hypermoder-
nen, langen, ſchwarzen Rock, der phanta-
ſtiſchen Krawatte und mit dem glattraſierten
Geſicht ſah er aus wie ein Dichter aus der
Biedermeierzeit. Seine knabenhaften Augen
leuchteten ſo hell, und dem erregten, tod-
blaſſen Geſicht merkte man ſo deutlich freu-
dige, innere Beſtürzung an, daß er, wie er
ſich ſteif und ungeſchickt verbeugte, alle
Herzen gewann. Geblendet vom Licht,
vom Applaus, vom Anprall dieſer letzten
hin zuſtande zu bringen. Da ſaß Plank
und nickte ihm zu und neben ihm Agnes,
die heute dem Dichter zu Ehren große
Toilette gemacht hatte und ganz in weiß
und Goldſtickerei ſtrahlte. Sie ſchlug die
Hände ineinander und lachte übers ganze
Geſicht zu dem jungen Dichter hinauf. Da
verſchwamm das Theater vor ſeinen Blicken
zu einem einzigen weißen, goldglitzernden
Fleck. V
Während das Haus [ich leerte und Doktor
Richter die Glückwünſche der Schauſpieler
in Empfang nahm, kam der Intendant auf
die Bühne. Er ſchüttelte Richter die Hand
und meinte: „Sehen Sie, beim Theater
kommt wirklich immer alles anders. Geſtern
noch hätten wir alle auf einen Mißerfolg
geſchworen, ich auch. Merken Sie ſich's
für künftighin: es gibt gar kein beſſeres
Zeichen für ein Stück, als wenn ihm auf
den Proben ein Durchfall prophezeit wird.
Und nun kommen Sie noch einen Augen-
blick mit in die Loge. Meine Frau erwartet
Sie. Sie hat ja Ihr Stück ſozuſagen aus
der Taufe gehoben und möchte Sie gern
ſprechen.“
Wie im Traum ging Doktor Richter neben
dem Intendanten durch den engen, düſtern
Gang, der von der Bühne zur Intendanz-
loge führte, ſtand vor Agnes, hörte, daß
ſie Worte ſprach, die an ſeinem Ohr vor-
beiſurrten, ohne daß er den Sinn erfaſſen
konnte. Sie hatte ihm, als er eintrat, die
rechte Hand gereicht, nun ergriff er mit
einer Kühnheit, die er in einer nüchternen
Stunde nie gefunden hätte, auch die weiß-
behandſchuhte Linke, beugte ſich nieder und
küßte die beiden Hände. „Es ſind doch
meine Glückshände, Exzellenz!“
Sie beugte ſich ein wenig zu ihm nie-
der. „O Sie Kind, Sie großes Kind!“
Er war ſo rührend und ſo konfus im
Glück ſeines Erfolgs, daß die Planks nicht
mehr viel mit ihm ſprachen, weil ſie merk-
ten, daß man ihn jetzt ſich ſelber überlaſſen
mußte; auch erwartete ihn daheim ſeine
Mutter. Sie nahmen ihm das Verſprechen
ab, daß er am nächſten oder übernächſten
Nachmittag kommen ſollte, um ausführlich
dieſen freudigen Abend zu beſprechen, dann
ging er. Lächelnd und zufrieden ſahen ihm
beide nach. Der Intendant fragte: „Was
hat dein Frauenlob da vorhin gemur-
melt, als er hereinkam und dir die Hand
küßte?“
Sie wurde ein wenig verlegen, ſtammelte