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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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gabung, die er in dem nicht ausgeführten
Entwurf für das Straßburger Goethe-
Denkmal und namentlich in dem zu
St. Paul in den Vereinigten Staaten
errichteten Standbild Schillers glücklich,
ja meiſterhaft bewährt hat. Taſchners
Schiller bringt unſer Aufſatz nach der in
Deutſchland verbliebenen Statuette. Man
muß die Leiſtung mit dem pathetiſchen
Rhetor von Begas vergleichen, um ſie voll
zu würdigen. Unſre Zeit ſucht hinter den
donnernden Verſen des tragiſchen Genies
die kampf⸗ und leidgeübte Seele des
Menſchen zu finden und glaubt auf ſolche
Weiſe dem Weſentlichen der ſchillerſchen
Erſcheinung am nächſten zu kommen. Den-
ſelben Weg ſchlägt Taſchner ein. Er ſchafft
einen bürgerlichen Schiller, den Poeten der
„Räuber“ und der „Luiſe Millerin“, der
dem Naturalismus der Zeit am gemäßeſten

war; aber er bleibt trotzdem nicht im All-
tag ſtecken. Die Haltung iſt ſchlicht, der
Kopf völlig unidealiſiert, und doch fühlen
wir: ein König ſchreitet daher, und Hoheit
leuchtet von ſeiner Stirn. .

Wir ſind mit dieſem Werk, das aus
dem Jahre 1907 ſtammt, der Entwicklung
des Künſtlers vorangeeilt und müſſen ſeine
1900 einſetzende Tätigkeit als Illuſtrator
nachholen. Er zeichnete Bilder für die
Märchen der Brüder Grimm und für die
„Nymphe des Brunnens“ von Muſäus im
Auftrage der Gerlachſchen Jugendbücherei.
Seine Erfindungsgabe wuchert hier faſt zu
üppig. Er ſchließt ſich getreulich an den
Text an, er zeichnet nichts, was nicht in
ihm ſeine Berechtigung fände, aber er folgt
darüber hinaus ſeinen ſinnreichen, ſeinen
humorvollen Einfällen. Er berichtet nichts
anderes als der Erzähler, aber in einer

andern Mundart.

Strenger hielt er ſeine
Phantaſie im Zaum,
alls er ſeines Freundes
Ludwig Thoma No-
velle „Der heilige
Hies “illuſtrierte. Hier
auf dem Boden des
bäuerlichen Realis-
mus fand er treffender
den Stil des in Be-
ſcheidenheit neben dem
Wort einherwandeln-
den Buchſchmucks als
in der romantiſchen

Dämmerwelt des
Märchens. Er be-
fleißigt ſich äußerſter
Sparſamkeit. Die
Kargheit des Holz-

ſchnitts erinnert
manchmal an die par-
odiſtiſche Art der Kor-
tumſchen „Jobſiade“,
deren luſtigen Dilet-
tantismus ſie aller-
dings in der Freiheit
der Bewegung, in der
Beſeelung von Figur
und Landſchaft weit
hinter ſich läßt. Sel-
ten haben ſich Dichter


und Illuſtrator ſo
glücklich gefunden wie

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