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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 17. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0472
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Ein politisches Märchen der Bayrischen
Kuriers.".
München, 9. Ang. Was geht in der Pfalz vor?
Unter dieser Ueberschrist bringt der „Bayerische Kurier" in seiner
gestrigen Abendausgabe einen Artikel, der sich mit den neuerlichen
Bestrebungen der Mehrheitssozialdentokraten in der Pfalz beschäf-
tigt, Der Artikel geht aus von einer von Mehrheitssozialisten und
Unabhängigen im Pirmasenser Stadtrat eingebrachten Entschlie-
ßung, in der es u. a, heißt: Der Stadtrat von Pirmasens wird sich
Vorbehalten, die Loslösung der Pfalz von Bayern mit durchzu-
führen und deri Anschluß an einen benachbarten Bundesstaat her-
beizusühren, falls Bayern sich weiter dauernd im Gegensatz zum
Reiche und zur Verfassung stellt und so die Einheit des Deutschen
Reiches gefährdet." Der Kurier kommt bei dem Artikel zum Schluß:
In politischen Kreisen hält sich hartnäckig das Gerücht, daß von
Baden aus in der Pfalz angeklopst worden ist, wie man sich zu einer
Abtrennung von Bayern und dem Zusammenschluß.mit Baden,
Hessen, .oder einem anderen süddeutschen Staat stellt. Es sollen nicht
etwa untergeordnete Persönlichkeiten gewesen sein, die diese Expe-
dition unternommen haben, sondern Beauftragte von politischen
Parteien. Vielleicht ist die bayerische. Regierung imstande, uns
Aufklärung zu geben, wenn wir nicht annehmen, daß beim Besuche
des badischen Staatsprsidenten in München über die Sache bereits
gesprochen worden ist."
Demgegenüber muß, wie die Lelunton von der Presseabteilung
der badischen Regierung erfährt, ausdrücklich sestgestellt werden,
daß der badischen Regierung voll derartigen Versuchen und Be-
strebungen nicht, das geringste bekannt ist.
Von maßgebender sozialdemokratischer Seite wurde uns auf
unsere Erkundigung hin mitgeteilt, daß diese Meldung als ein
bewußtes politisches Märchen zu bezeichnen ist.
Koalition Crispierr — Stresemann.
Schneidemtthl, 10. Ang. In dem Provinziallandtag der
Provinz Grenzmark Posen- Westpreußen, der zu seiner ersten Ta-
gung in Schneidemühl zusammengetretcn ist, wurde eine Wahl-
gemeinschaft gebildet, welche Deutsche Volkspartei, Zentrum, De-
mokraten, Sozialdemokraten und Unabhängige umfaßt. Von dieser
Wahlgemeinschaft, -die über 18 gegen ll'deutschnatiouale Stimmen
verfügt, wurde ein Sozialdemokrat zum Präsidenten gewählt.
Dieser Prövinziallandtag ist das erste Parlament, das den Gedanken
der Koalition von Crtspien bis Stresemann in die Tat umge-
fetzt hat.
Die Beschwerde des dentsch-vüMschen Schutz-
rind Trutzhundes.
Leipzig, 10. Aug. Durch Verfügung des sächsischen Mini-
steriums des Innern vom 5. Juli 1922 und des Polizeiamtes Leip-
zig vom 20. Juli 1922 ist der dcukschvölkifche Schutz- und Trutzbnnd
mit allen Bezirks- und Ortsgruppen in Sachsen aufgelöst worden.
Gegen diese'Verfügung hat der dcutschvöMsche Schutz- nnd Trutz-
bund Hamburg und dessen Ortsgruppen Dresden und Leipzig beim.
Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik Beschwerde eingelegl.
Diese Beschwerde ist für die Beschwerdeführer kostenpflichtig abge-
wiescn worden.

-und-dritte Preise bereitgestellt werden-, um esti«-Reihe tüchtiger Hi-
storiker und Pädagogen für die Arb-ett zu interessieren. Nähere
Einzelheiten hinsichtlich des Preisausschreibens und des Preis
richtertollegiums sollen demnächst bekanntgogeibeu werden.
Die katholischen Arbeiter, Dr. Wirth
und der Katholikentag.
In der „Schwäbischen Arbeiterzeitung", dem Organ des
Württembergischen Landesverbandes der katholischen Arbeiter-
und Arbeiterinnenvereme schreibt auf verschiedene Anfragen Ar
bettersekretür, ReichstagKabgeordneier Andre, u. a.:
„Solange die Bayrische Volkspartei im Verein mit der bayri-
schen Regierung systematisch den Konflikt mit -dem Reiche sucht
und den Trenmmgsstrich zwischen dem Reichszentrum und der
Bayrischen Volkspartei immer noch mehr zu verbreitern und zu
vertiefen sich bemüht, und so lange Ne wahren und letzten Absich-
ten Wer das eigentliche Ziel der derzeitigen bayrischen Politik
nicht klar zu erkennen sind, tu» wir meines Erachtens gut daran,.
von unseren Leuten keine zu großen Opfer wegen des Besuches
des diesjährigen Katholikentags zu verlangen. So ist mir Pcrsöu-
ich bekannt, daß man in München nicht gerade wünscht, daß der
Reichskanzler Dr. Wirth am Katholikentag teilnimmt. Wer hin-
ter der Politik Wirths steht, wird gnt daran tun. die Konsequenzen
zu ziehen nnd ebenfalls wegznbleiben. So ist es eben jetzt.
Deutschnationake Phraselire und andere „gute" Katholiken vertre-
ten nach bayrischer Auffassung gegenwärtig die Interessen der deut-
schen Katholiken, nicht aver das Reichstagszentrum und Dr Wirth!
. . Mit den bayrischen Methoden wird der große Gedanke der
Abhaltung deutscher Katholikentage sicher nicht gefördert, sondern
sehr gefährdet! Das aber wäre für den deutschen Katholizismus
schlimm.... Das Geld wird im Arbeiterhaushalt in diesem
Herbst für nötigere Sachen gebraucht werden."
Die Einheitsfront, wie die Kommunisten
ste anffassen.
Berlin, 9. Aug. Die am Montag abend in Berlin abgehaliene
Belriebsräteversammlung ist infolge des Widerrechtlichen und sinn-
losen Verhaltens der Kommunisten mit großem Krach zu Ende ge-
führt worden. Schon zn Beginn der 'Versammlung legten N«
Mitglieder der SPD.- und NSPD-FrMiM«r gegen die Tages-
ordnung „Die politische Lage in Bayern" Beschwerde ein. Trotz-
dem aber kam der kommunistische Reichstagsabgeordnelc Remmele
zu Wort. Rcmmele tat sich groß in Beschimpfungen der sozialisti-
schen Sache und des ADGB. In einer anschließenden Aussprache
wandle sich ein Unabhängiger scharf gegen die Ausführungen
Remmeles, weshalb er von den Kommunisten mehrfach unter-
brochen und beschimpft wurde. Nachdem dann von koummnistischer
Seite noch der Antrag gestellt wurde, daß sich die nächste General-
versammlung mit dem Prozeß gegen di« russischen Sozialrevolutio-
näre bcschästigeil soll, war idas Maß voll. Bon der SPD.-Tratlion
würbe die Erklärung abgegeben, daß deren Mitglieder sich solang«
jeder Betätigung in der Generalversammlung der Betriebsräte
enthalten würden, als das vorgenannte Thema aus der Tages-
ordnung stehen Wiehe. Auch di« Unabhängigen gaben eine gleiche
Erklärung ab. Als dann der Antrag auf Schluß der Versamm-
lung von Veit Kommunisten abgelehnt wurde, verließen die So-

Die Elberfelder KrinrinkkpoUzei und die
Scheidemsttn-AtietttiiLer. .
Der Pressebericht der - KrihtiuNlpMzei teilt mit: Z>! der be-
reits durch die Tagesprcssc verarmt' gewordenen Festnahme der
beiden Attentäter aus den ObcrbnrgWneistcr Scheidemann hat die
Kriminalpolizei noch besonders herv-orznheben, daß '-Husten nnd
Oeksch-läger hier als ehemalige Angehörige des obersthlesischen
Grenzschutzes, Kompagnie Koppe, bekannt Ware»«. Hnstert, der El
berselder, nnd Oelschläger, der Hesse ist, sind im Frühjahr dS Js.
aus Elberfeld verzogen, Huftert krach Köln.nut!' Oelschläger mich
Bk>,sheim «-d.-'Bergstraße. Die intensive Vorarbeit und ettrrgisiye
Mitarbeit <?)- der hiesigen Kriminalpolizei hat im lvcsentlichen
zur Ermittelung nud Ergreifung der Tater mit Setgeiragew." - --
Weiter« Mitteilungen sind zurzeit mit Rücksicht aus die noch fchwe-
venden Verhandlungen für die Oessent'lichkcit nicht geeignet.

zialdcmotratc» und Unabhängigen geschlossen den Saal. Von der
Ga-lerie wllvde ihnen nachgerufen: „Gesindel, raus!" Emil Barth
rügte diesen Zuritf scharf und schloß die Verfamnikung mit dem
Hinweis auf deren BcschluWiWHWeit.
Die Pfalz gegen das Getreideumlagegefetz.
M n n ch e n, S. Aug. Der die drei landwirtschasilichen Orga-
nisationen der Pfalz umfassende Aktionsausschuß hat in einer von
der Krelsre'gierllnü einberufenen Versamiirluttg eine Erklärung ab-
gegeben, das; keim landwirtschaftliche Organisation der Pfalz an
der Durchführung des GetrcideunllagegesetzeS Mitwirken werde,
und daß der Schutz der Landwsrte gegen eveittuelle Zwangsmaß-
nahmen der Regierung organisiert werden wird.

Ausland.

Endlich ein Schritt.
Preisausschreiben der Rigicrmig für rin republikanisches
Geschichtsbuch.
Berlin, 9. Aug. Das Reichsininisteriunt des Inner»: teilt mit,
cs treffe zurzeit in Anssichrung von Wünschen der Konferenz der
KultusminMerien vorn 18. Juli Vorarbeiten für ein Preis-aus-
ichreiben zur Schaffung eines Geschichtsbuches, das die murre Ge-
schichte von der französischen Revolution vis zur Gegenwart ve-
y'andM. Die Darstellung soll neben den politischen Ereignissen
die wirtscha-stlicheu, sozialen und kulturellen Folgen der.musren
Geschichte,-sowie besonders den Einfluß der zur staatsbürg.riichen
Mitveramwortung erwachende» breiten Volksschichten gxbüyren-d
zur Kemdtnis bringe«. Wie wir hören, ist als erster Preis 150 000
Mark vorgesehen, doch sollen auch namhafte Beträge für zweite

Dir italienische Krise.
Rom, S. Aug. Die sozialistische Kammergruppe hat ihren
Präsidenten, der gleichzeitig anch Alterspräsident der Kammer ist,
beauftragt, in der heutigen Kammersitzung unmittelbar «ach den
Erklärungen des Präsidenten eine Tagesordnung zu unterbreiten,
in der die Schaffung geordneter Zustände im Innern gewünscht
wird. Ruch das jetzige Oberhaupt d«r Faszisten, der Dichter
d'A n n u nzio, warnt di« Faszisten vor unüberlegten Streiks nnd
fordert sie zur Ruhe auf.
Rom, S. Aug. Der italienische Ministerrat beabsichtigt einen
allgemeinen Aufruf an Kammer und Regierung zur Versöhnung
und Rückkehr zur Ruhe und Ordnung zu richten unter Hinweis auf
die von der Regierung beabsichtigten Maßnahmen zur Nnter-
drsickmig neuer Unruhen.


Felice Notvest.
Roman von Jakob Christoph Heer.
(8. Fortsetzung.)
VII.
Felix Notvest weis; noch nicht, wie sich die Regierung-zu sei -
«er Eingabe stellt, doch ist ihm die Arbeit selbst oin Segen gewor-
den, sic Hal ihm Klarheit über sein Innerstes gebracht. Er ut ein
Mann mit den Neigungen zur Gelehrsamkeit, ein Dokumenten-
tittd Bücherwurm, «Ser kein Pfarrer. Um diesen Beruf Ar seiner
Höhe und T«se zü erfüllen, mutz man mitten in Lust und Leib, in
Rot und MM des Volkes ausgewachsen sein und seine Seele ken-
mn. Ihm aber, dem. Patri-ziersohn ans der Stadt, stehen die Bau-
ten halbschn! gogonüvrr, er findet, weil ihm die Lebeusverhaltnissc
in ReifemvLrd zu fremd sind, den Ton nicht, der zu Herzen geht,
und in der Kirchenpflege sagt es ihm der -Säckelmeister in Wohl»
wollendem Freimut: „Sie sprechen über di« Köpfe Ihrer Ge-
meinde hinweg!"
Darum Berufswechsel! Ei-m neue schöne Ausgabe steht klar
vor ihm.
Ein Sprößli'Ng des niedergehenden Patriziates der Stadt,
möchte er an ihrer kiengegründetett Universität ans den Lehrstuhl
der vaterländischen Geschichte steigen und das Beste, was das Pa-
triziat gMM und «pflegt hat, das Verständnis nnd die Hochach-
tung für die Kulturarbeit der Vorfahren, durch empfänglich?
Schüler in das Mchtern gewordene Volk tragen, das über wirrem
wirtschaftlichen Vorwärtsdrang die Fühlung mildem geschichtlichen
Untergrund seines Lebens verloren hat.
IN diesem Sinne Hal er einen Brief an feinen Vater, den ent-
würdigen Antistes, geschrieben. Ginge er von Reifenwerd fort, so
Würde ihm aus seiner kurzen Verweserzeit nachts fehlen als ein
dunNes Augcnpaar unter langen Wimpern, seine schüchterne -und
doch so gescheite Lievlittgsschüleriu, das Ehristii. Bis die Entschei-
dung fällt, lebt er geschichUichen Studien im Kloster. So tritt er
«irres Abends Mts dem Gotteshaus in den Nützenden Krouzgang.
Ueber die Steildächer -der Abtei riefelt Ne Sonne, ans dem
Hangenden Epheu dringt der glucksende Ton brütender Vögel und
der RoseiiLuft webt über der blühenden Wildnis. .
Da- trank er seinen Augen kaum: mitten in der verwach rkosttn
Pracht, unter den Dolden des Holunders und den Ranken des
GeiM-attes sitzt ans eine«! uttMstürzr«« Grabstein ein« Rann«,

eine DomAMcmer-in, wie ste vor vierhund-eW Jahren im Kreuzhang
gewandelt haben.
Sie lieft mit gesenktem Blick seMiVe Wessen in beschriebenen
Blättern.
Einen Augenblick zögert Felix No west. Sein Blick gleitet vom
Schleier, Der um ihr blondes Harar gewunden ist, das weiße Woll-
kleid hinunter, 'mir das sich der dünkte Strick schlingt, ans den mit
SaMalenW-emen verschnürten Fuß, der unter dein Rand Ms Klei-
des hervorschant. Was ist das sür -ein entzückendes Wunder
dieser kleine übermütige Fuß!
Der junge Mann, der dis dadi-n mir zwischen Vater und Mut-
te r, zwischen Büchern und Scharteken gesessen hat, errötet.
Es ist S-i-NMde Fürst, Ne in -Mfer'MaMevade' dafitzt. Er grüßt'
stumm und will weiter gehen.
Da kommt plötzliches Leben in die lesende, träumende Nonne.'
Mit Mühendem Haupt erhebt sich die junge Dominikanerin, di«
vielleicht die Begegnung yerdeisühren wollte, ober nun durch das
Plötzliche Erscheinen Felix Rotvests doch etwas verwirrt ist. Erst
nach Mein peinvollen Augenblick löst sich Ne gegenseitige UcSer-
raschuug.
„An diesem Kleid sind Sie selbst schuld, Herr Pfarrer",' lächelte
sie. „Ich las ihre kurze S-cWderutig -des Lebens der Dominikanerin-
nen. Da überfiel mich die Lust, selbst eine Hi fein die Nonne
Ursula!"
„Wie kommen Sie aber zu den Blättern?" stottert Felix Not-
vest, Der seine Eingabe in ihrer Mud erkennt.
„Die hat -mir das Glück zugesührt! Herr Pfarrer, was Sie über
die Sl-btei schreiben, ist ergreifend, und ich bin Regierungspräsident
Hohspang zu großem Dank verbunden, daß -er Ihre Eingabe an
meinen Bonder gesandt hat."
Das klingt warm und aufrichtig.
„Eine' Indiskretion!" grollt der Pfarrer.
„Verzeihen' Sie dieselbe nm meinetwillen!" erwidert Siglind«
Fürst bittend und bescheiden. „Die Schrift gibt mir viel zu deu-
ten. Ich sehe dabei Mein ganzes unnAtzes Leden. SU aver wollen
etwas schaffen, was groß und erhaben -ist! Ich möchte Ihre Schü-
lerin sein, nein, jene Ursula Demut, von welcher Sie in der Eil»,
gab« sprechen, ich möchte eipas für Ne Erhaltung der Kunstaltev-
tümcr tun!"
„Sir, Fräulein Fürst?" Und bei den Änschmeichclnden Worte»
geht ein Sturm durch die Seele des Pfarrers. Signnve ist schön

A» «MklWUSkM
2A Internationaler BergarLeiterkongretz.
B rankfult a. M., 9. -Aug. ^^tzKNive Sitzung dG Inter-
nationalen Bergarbeiterkongresses wurde von M ausari -Belgien
eröffnet und gelcMt. Dothier-BÄgien berichtete Wer die-Arbeits-
kontrolle in der Industrie und immentlich über die Lage sauf die-
sem Gebiete in den einMnen -Slaa-te». Die Bersamnt'lung nahm
nach längerer Aussprache Mgeulbe "EWetzuitgÄr'-'an: Der Kou-
gretz erklärt es als Pflicht der -Nationalen Sekriswen sich: für Ne
Einführung von Betriebsräten in der Bergwerksindustrie einzu-
setzen, die Forderung der Betriebsräte, deren Mitglieder unter
der Direktion und ständige» Kontrolle der Arbeitsrorgaujsatiotien
stehen, in den Vordergrund zu stellon und für ihre beschleunigte
Durchführung Sorge zu trag«».. I» der Aussprache wyrden die
Beiriobsräte nicht als Endziel, sonder» nur als Mittel zum Zwecke
der Sozialisierung der BerMerke anerkanni. Bei der Abstimmung
hatten sich die französischen Delegierten ihrer Stimme enthalten.
Dejardin-Belgien berichtete über die beschleunigte Durchführung
der internationalen Beschlüsse.
In der NachmittagsfitzuM wurde -die Beratung Des Referats
DejavNns über Ne beschleunigte Durchsührnng'der internatiena-
-len Beschlüsse erledigt. In der Aussprache trat der Franzose
Barth uel für das Kampfmiilel des iniernationaten General-
streiks ein nnd führte aus: So wie bisher dürfe es nicht weitre-
gehen, wenn die Internationale nicht auch weiterhin nur ein
Scheindasein führen solle. Die angeschsossenen Verbände müssen
durch einen eintägigen Weltgeneralstreik mobilisiert, zum Kampje
vorbereitet werden. Das könne man, ohne zu warten, bis die
-aM-erMnischen Verhältnisse dafür reif sind. Gerade die Deutschen,
die doch etnon Hitserus an IMS richten, sollten unserer Entschkießung
zustimmen, st« zeigt ihnen einen Weg, die Ziele ui verwirklichen,
Ne sie brauchen.
R o b s o n-EMland wandt« sich gegen den Vorschlag Bar-
thnels, eitwn eintägigen Generalstreik zu proklaucieren. Dos wäre
ein sehr uuMMcher Versuch. Wir Bergarbeiter, führte der Red-
ner weiter aus, haben jetzt nichts notwendiger als wirtschaftlichen
Frieden. Der französische Vorschlag hat anscheinend einen polit-
schen HiutergrunH. Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, müs
sen wir die Macht in den Parlamenten erstreben. Der Redner
lehnte die RevoluMmierung durch einen Generalstreik und jede
Gewalt ab, Ein Weltgencralftreik 'ei ebenso 'undurchführbar für
24 Stunden wie sür 24 Monate.
Büttner- Deutschland erklärte sür die deutsche Delegation,
das; sie mit den Ausführungen Dejardtns einverstanden sei. Ein
GeneWlftreik fei den Deutschen nicht einmal möglich, solange man
sie nicht eiMnal zu ihren Arbeitsgeuossen in dem urdcutschcn
Saargebiete lasse. Solange solche Zustände beständen,
sei ein internationaler Generalstreik nicht möglich. Die Versamm-
lung nahm nach dem Schlußwort DejardinS, das sich hauptsächlich
gegen die Ausführungen Barthurls wandle und zunächst rine
starke OrMnifation in dem eigenen Lande, dann die internationale
Aktion forderte, folgende Entschließung Dsjardins an: Der Berg-
gMeiterfongretz bestätigt 1. den Beschluß des Genfer Kongresses
betreffend den iniernaiioualen Gewer.'ichastSbund in Amsterdam,
die notwendigen vorbereitenden Maßnahmen zu irgreisen, um für
alle Eventualitäten gewappnet zu sein; 2. beschließt, Vas Rnkcaic
des Internationalen Beogarbeiterverband'S zu beauftragen, als
Punkt auf Ne Tagesordnung des nächsten Kongresses aller der
JnternatiosWle «nseschlossene» Organizationen zu setzen: Prüfmtg
sür eine ittteMakionale Aktion und Mitteilung der gcmcinkanrcn
Maßnahmcil an den internationalen Sckr-lär; 8. sich unverzüglich
mit den Bergbautreibenden verschiedener Länder in Verbilidiing
zu setzen, um daselbst Gewerkschaftsiniernationake 'zu bcwkrkstclli-
gen, auf Grund des Programms und auf der Basis der von der
Internationale festgesetzt«« Richtlinien; 4. das' Internationale Ko-
mitee zu böaustiagen, Mit möglichster Raschheit alle prakmchcn
Maßnahmen anzuHöben, die geeignet sind, Ne Beziehungen mit'der'
amerlkan-isthen Bergarbeiterorganisation wirksamer zu gestalten.

Aus dem Parteileben.
Gen. Alwin Gerisch
Berkin, 9. Aug. Der bekannte sozialdeniokratische Politiker
Alwin Gerisch ist heute morgen in Berlin -im Aller von 66 Jähren
gestorben. Gerisch gehörte dem ersten legalen Parteivorstand der
Sozialdemokratie nach dem Fall des SoziMstengesetzes mit Bebel,
Singer, Auer und deut einzigen jetzt noch Ueberlebenden Psanukuch
an. Rcichstagsmitgiied war Gerisch mit kurzen Unterbrechm-yen
von 189t bis 1906.
A l w i ir Gerisch i st t ot. Er war einer von den Alten aus
der Sturm- und Drcmperiode der Sozialdemokratie. Mit den:
alten Allinghausen im „Tcll" durste er von sich sagen: „linker der
Erde schott liegt meine Zeit!" Das andere Wort Aitinghauskits:
„Wohl dem, der mit der neuert nicht mehr braucht zu leben!" wär
nichts für Alwin Gerisch. Bis zuletzt harrte er ans. Noch vor

und sie ist anders, als die Dekanin, als die Leute im Dorf von ihr
sprechen. S-ie ist verleumdet worden.
Ihr Atem streift ihn, die grauen, ins Grünliche , spielenden
Augen leuchten wundersam aus.
lind dcr Mund — dieser Mund! Es ist nicht zu denken, Vas;
ein Mensch einen solchen Mund küssen Dürfe!
Aus einer kurzen Ueberle-gu-ng blickt sie, die schmalen, seinen
Hände Wer -die Kniee gefaltet, zu ihm ans... „Es muß etwa ge-
schehe«! sür die Abtei. Obwohl mein Bruder zür-neu wird, ich
gehe doch zu Regierungspräsident Hohspang und erbitte seine Teil-
nahme für Ihren großen Plan. Er ist mir wohlgesinnt, und",
fügt sie Mit einem schlemischen Lächeln bei, „selbst alte Herren sind
nicht hartherzig, wenn ein junges FräuMn betteln kommt — dafür
WNirsch- ich nur einen Dank, nämlich daß ich Ihre Schülerin sei«
darf!"
.Ihr« Augen Heische« ein freundliches Ja, vor Nebcrraschung
seiner, selbst nicht ganz mächtig, stMUNÄt der Pfarrer: „Ich will
Ihnen gern alles im Kloster zeigen, was Ihren Anteil erregen
kann."
Wohl ist cs HM, als begebe er sich niit dieser Zusage in eine'
Dunkle Gefahr; aber es liegt doch ein geheimnisvoller Reiz Variu,
mit dech schönen begeistenmgsVMcu Fräulein durch die- stillen
RAi-mc -der Abtei zu gehen.
Sir jubelt über sein Wort; das als Nonne verkleidete Weltkind.
legt zutraulich einen AugenNick ihre Hand in die seine, und mit er-
zwungener Kühle sagt er: „Kommen Sie mit mir in Veit Krcuz-
gMg, da finden Wir Keich die größten geschichtlichen Deulmsilcr,
Vie «ingemmlerlcn Grabsteine der bei St. Johann erschl-agMen Rit-
ter." NNÄ da er sich neben dem verkleideten Fräulein unsicher
fühlt, so spricht er lctzrhasl wie ein Professor mit ihr.
„In jener Schlacht", erzählt er, erlag fast der ganze Adel den
Hellebarden der Bauern, -und umsonst stellten nach dcr Niederlage
-die Herren, welch« noch.au? den Schlössern saßen, die Bitte, auf dcr
Walstatt ein Kloster errichten zu dürfen. Stils aber die frommen
Frauen von Reifenwcrb nm die Erlaubnis baten, die mit ihrem
Herzog Erschlagenen auf dem Schlachtfeld auszn graben und sie in
ihr Kloster überzuftthren, widcrstanDcn Ne Bauern und Städter
nicht und gestatteten es. Die Nonnen verrichteten Ne schwere Ar-
beit, mit Schaufeln gruben ste die schott Beerdigten aus, si'chrtcu.
ihrer über Hundert nach Rciscuwerd und betteten sie in diesem
Wandelgang zur ewigen Rüge. Die Abtei ist also das große Grab-
mal des Adels unseres Landes geworden und also auch damit
eine geweihte Stätte unserer Geschichte."
 
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