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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (4) — 1922 (Mai bis August)

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Nr. 171 - Nr. 180 (26. Juli - 5. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.48723#0430
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Der Kr-iegsbeschädigte muß sich. Wenn er eine Kur »eantrsgen
will, em sein Versovgungsmnk wendet»-; denn nur ari-s dttse'.n Wege
kam, er «m-e kosteirsreie Kür crh«Lte-n. Für Kuren, Sie chu. -.-c-
nehznigzmg der Versorgnngsbehörde«! dürchgiefUhrt werden, wird
Mn Kostenersatz geleistet.
Ersah r-un-gsgemäß ist haup tsäet-lich -mr Sonmuer der Anldrvüg
zu den Bädern und Heilstätten sehr start, während in dm tiibriWtk
NahreszeWn die Kurgelsgenheit in viel geringerem Grade benutzt
Werden, obwohl in vielen Brideorlen und besonders in den Lun-
gcnheilstätten autzerhailb der Sommerszeit die gleichen Erfolge er-
zielt werAm können; es ist Naher dringend zu empsHslen, die Kur-
«Mräg-e auch zu anderen Zeiten zustelteu. Eine Badekur kann nm
dann von den VersorMNgs'behörden gewährt werden, Wenn die
Erkrankung des Kriegsveichädigwn den Gebmuch bestimmter Kur-
mittel erfordert und ihre Anwendung ständig ärztlich überwacht
Werden mutz.
Ein gewöhnlicher ErhMingsM-senthailt (LandanfenthMt, Anf-
knthalt in einem Luftkurort, Aufnahme in ein Erholungsheim ist
einer Badekur nicht gleich Machten. Er kann erforderlichenfalls bei
der Mständigen Amtlicheir Fürsorgestelle beantragt werden.
Spaltung i« der Reichspvstgewerkschast.
Eine Rbspkilterung vom Deutschen Beamten-
bund.
Der 12. (außerordentliche) Verbandsi-a-g des Oeichsvcrbandes
deutscher Post- und Te-lcgraphci.-begmleu, der am Donnerstag im
»Deutschen Hof" in der Luckauer Straße fewerr Anfang genoln-
mcn hatte, ist am gestrigen Sonmab-end gc-schlossei» worden. Nach
mehrtägiger Debatte über die Frage der Organisat-ionsform habe»
die Delegierten, die zur Klärung dieser Frage vom Vorstand nach
Berlin berufen waren, den Austritt des ReichsverOandes aus sei-
ner SstitzenorMnisatio», der Reichspostgewerkschaft, und ans deut
Deutschen Beamtenbunid beschlossen. In einer einstttnmis ange-
nommenen Entschließung heißt es: „Der Reichsverband erkennt in
dem Deutschen BeamlenVtMd und der Reichspostgewerkfchaft nicht
mehr den geeigMten gewerkschaftlichen Zu'sMnm-enfchlntz für breite
Schichten der Beamtenschaft und erklärt deshalb seinen Austritt.
Der Reichsverband crstr-ovt die horizontale Zusammenfassung aller
fozirT gleichgerichteten Be-amkenfchichhen auf der Grundlage par-
jeipMtifchcr Reutrakität." Die Reichspostgicwertschast, die bisher
255 000 Mitglieder zählte, Wird nach de»n Ausscheiden des 150 000
Postveamte nmsassenden Reichsvcrbandes nur noch ein Torso Mn.
Letzterer dürste sich dem kürzlich in Leipzig gegründetie-tt Allgemei-
nen BeamtkN'vunde anfcMetzcn und damit dem Beispiel der R-eichs-
chwertschwft deutscher Eiscnbahnbcamten und auwärier folgere.

Landesschlichtungsausschntz.
Der Landesschtichtnngsarisschutz (für Streitigkeiten ans dem
Dienstverhältnis der Gemeinde- und KörPerfchastMeaniteu) weUt
folgende Znfanirnenietznng auf:
Vorsitzender: Vcrbandsdircktor Abg. S ch S n Karls-
vuye; 1. Stellvertreter: Ministerialrat Landtagsvrästh.nt
W itt e-ma n-«-Karlsruhe; 2. Stellvertreter: Stadtrat Geck-
Karlsruhe.
Gemeinde- u. Körperschastsvertreter nebst Ersatzleuten: Ober>
bürgerm-eister Fin-ter-Karlsruhe, Stadtvat Schmwt-Badcn--Baven,
Siadtrat Bea-Freiv-urg, Stadtvat Leviuger-Pforzheiin, Stadtvat
Reif-K«,Äsruhe, Rechtsanwalt Dr. Krie-g-Osseküburg, Bürgermeister
Dr. Weis-Kehl, G-erichtsverwatter Frank-Ettlingen, Geincinbcr-at
Prof. Ullrich-Wiesloch, Gvmeindcrat Pros. Maier-Rastatt,- Ge-
WMdevat Apotheker Fischer-Bühl, Mthttrger-nreistcr M-nlier-Min-
golMeim, Bürgermeister Bitter-Rohrvach, Bürgermeister Mengcs-
GernMach, Bankdirekior Schott-O-e-stringc!!, Ge-meindergt Mgrordn.
HüAe-WaNwies, Gcm-esnderat Trei-ber-Seckei-.hei-n>, Gemeindcrat
Schächle-Entigen.
BENtLN-vertreter nebst Ersatz!e-nte°u: Verbawdsdireklor Wei-

ter Karlsruhe, Stadtbaumei
stcr
Scibert-Vill
lugen, Rmfchreiber
Fnchs-Kronan, St-a-tba-urat
Kei
Sl-Mamcheim,
Hausmeister Frey
Freiburg,Kreisfekrekär Elche:
Meim-Durlach, Gemeindere»
mer
r-Freibur«,
König-Knie-!
Svarkasscn-vc'.'!v alter
illgtu.Genieindefürst-
rar RÄnser-Hoildingen.
BÄvg-erm-eistervcrtreter n
.e-bsl
ErsaMkuieu
: Oherbürgernleister

Kutzer-Mmmheim, Oberbttrgrrutcisler Dr. Meister Bruchsal, Ober-
bürgermeister Gmldert Pforzheim, Bürgcrnreistrr Dr. Potyka-Ett-
li-MM, Bürgermeister Schemcnau-Brettcn, Biirgennetster Rein-
hardt,Schwetzingen, Bürgermeister Koch Ladcnburg, Bttr-genllrisker
Belzer Matsch (Ettlingen), Bürgermeister Bohner! Otteu-höseu.

und „Gasparoue", schließlich auch „Rastelbinber". Auch lnit „Vetter
aus Dingsda", „Mascottchen", „Tanzgräsin", „Meine Fran das
Fräulein", „Ihre Hoheit die Tänzerin" wird man sich bei einiger-
maßen Einstellung abznsindcn wissen. Irgend einen Fortschritt,
irgend eine neue Note bringt allerdings keiner dieser neuesten
Schlager. Dabei soll der temperamentvollen Leitung Kapellmeisters
Federfcher gedacht sein, der stets den richtigen Operettcnschmiß
ziir Verfügung hatte. Schön wäre es, Wenn die Theater! citung
doch einmal sich für eine der nachgcnanntcn Operetten begeistern
könnte: „Opernhall", „Veilchenmädct", „Geisha", „Arme Jonathan",
„Fatinttza", „Farinelli". Auch „Dollarpriuzcssin" wäre nicht uu
zeitgemäss.
Ueberblickt man das Gesamtergebnis der Tätigkeit unseres
Stadttheaters, so darf selbst bei schärferer kritischer Bewertung ge-
sagt werden, daß in künstlerischer Hinsicht das Gebotene auch in:
Verflossenen Spieljahr in den allermeisten Fällen weit über den
Rahmen der sogenannten kleineren Provinzbühnen hinansragt. Es
sollten deshalb diese erzielten Leistungen ein Ansporn sein, den
guten Rus des Heidelberger Theaters zu erhalten. Ob dies aller-
dings bet deut starten Personatwechse! der Fall sein Wird, mutz
übgewartet werden. Eine gewisse notwendige Stetigkeit wird sicher-
lich durch diesen beklagenswerten Unistand keinesfalls gewährleistet,
Wenn alljährlich eine ganze Anzahl guter eingespielter Kräfte aus-
scheidet. Es liegt dies auch in keiner Beziehung im Interesse unse-
rer Stadt, unserer Bühne nud letzten Endes der Kunst selbst.
„S Pare u" - - ertönt es unisono. Aber bitte, dann
nicht am verkehrten Platze!
Dessenungeachtet: Hasst n wir auch sür die Zukunft für unseren
Mnseutrmpcl das -Beste. Möge er auch weiterhin in den gegen-
wärtigen granrn Alttagsstuuden dem einen Erbauung und Er-
hebung, dem anderen Zerstreuung bringen.
Franz Blöding.
Schubert Urausführung in Stuttgart. Tie mit Interesse er-
wartete Erstausführung der Sihuverkfchen Singspiele „Der treue
Soldat" und „Die W e i'b e r v e r sch.W ö ru u g" (MuWein-
ÄchAkNlg von Busch und Tovey, Texibembeitung von Lanckneri sand
bei ausgezeichneter Darstellung unter Fritz Buschs hingebender
Leitung und Dr. Ehrharvs sorgfälMer Regle am Württem-
berger Landes ihcater in Stuttgart mißerordenritch großen Beifall.
KM vMer überhaupt noch nicht anfgesührtc reizende Frühwerk
des Meisters „Der treue Soldat" (nach dem Körnerschen Texte
»Der Vierjährtge Posten") sehr Geschickt für dir moderne Bühne
eingerichtet, mit einer Anzahl muWMsch ganz hervorragender
Chöre und Arien, verblüfft durch seinen geschlossenen, starken Mih-
RMeWdrmck. Ebenso rief „Die Weiverv.erschwöntntz", echtester Setsti-
tzett Der letzten Fahre, mn ihrer hinreißenden, aus Scherz imd
TAO ungewöhnlich reizvoll gemischten Mckodtensülle stärksten M--
LerhtUl hervor, sodaß man sich nur immer wundern Mintz, Naß dtzc-
fer nmsilaltfche SchÄ uMMHtet btteb.
NM« M Ak Wir««'

KommiLnale^.
Genrei n tz-esm anzen.
Borirag des Oberbürgermrifters Dr. Ku « rr
«uf drr Mitgliederversammlung des Bad. StädlcveröandeS
am S4. Mai 1VM kN Mmmhein«.
IX.
«remr- und Ftuanzfragen.
(Schlntz.)
Ein« besondere Frage von ungemein einschneidender, für die
nächste Zeit geradezu ausschlaggebender Bedeutung, ist
die Dotation des Reiches sür die Besoldungserhöhnngen.
Die Deckung der Teuerungszuschläge, die über 50 Proz. der ur-
sprünglichen, seil dem 1. April 192V gellenden Gehälter hinaus-
ginge,i, ist zunächst von den Ländern beim Reich durchgedrückt wor-
den. Den Gemeinden wurde nichts gegeben; die badischen Gemein-
den haben nur, da die Lehrer Staatsbeamte sind, die Anmeldung
der aus diese treffende» erhöhten Teucrungsbezttge durchgesetzt.
Die Neuordnung der Gehälter, die mit dem I. Oktober 1921 in Kraft
trat, war aber von so ungeheueren finanziellen Folgen, daß das
Reich diesmal auch für die Gemeinden eine Zusage geben mutzte.
Sie erfolgte nicht durch Gesetz, sondern durch eine Erklärung des
Vertreters des Reichssinanzministers und durch entsprechende Zu-
weisungen an die Länder, die in Form von Vorschüssen erfolgten.
Jene Erklärung (vom 1V. November 1921) ist von den Städten als
ungenügend bezeichnet worden. Sie War es auch, da kein fester Zu
schntz zugesagt wurde und da der nöligeusatts eiulretcnde Zuschuß
an Bedingungen geknüpft schien, die mit der Freiheit der Gemein
den, mit ihrer Selbstverwaltung nicht in Einklang zu bringen
Waren. Dagegen war das Prinzip richtig. Der Reichsminister
ging davon aus, daß die Ncverweisungen aus Reichsstcuern zur
Deckung der gesamten Mehrausgaben der Länder und Gemeinden
beitragen; er teilte demnach den Aufwand der Länder und der Ge-
meinden in einen „Besoldungsauswand" und einen „soustigcn Bus-
wand", wobei bei ersterem der Stand vor den Erhöhungen zn-
«runde gelegt wird. Derjenige Teil der Mehrüberweisnngen, der
aus die übrigen Ausgaben, also den sachlichen Aufwand, die Arvei-
terlöhne usw. entfällt, bleibt für das Steigen diefes Aufwandes
bestimmt. Der andere Teil der Mehrübcrweisnng aber ist mit dem
Mehraufwand für die Besoldungen zu vergleichen; soweit dieser
höher ist, leistet das Reich Zuschüsse. Es scheint aber, daß die
Ansicht nicht selten ist, als ob der Reichs-Minister gefordert hätte,
der ganze Betrag der Mehrübcrweisnng müsse für die Erhöhung des
Besoldungsanswandes dienen.
Dies ist der gegenwärtige Besitzstand auch dcr Gemeinden.
Freilich ist eine wirkliche Regelung nicht erfolgt; die „Richtlinien",
die zwischen dem Reich und den Ländern über die Durchführung der
Grnndsatze vereinbart werden sollten, sind (noch?) nicht vereinbart
worden. Die Sache hätte übrigens nicht so sehr geeilt; zunächst
gab es ja Vorschüsse; die Höhe der Zuschüsse konnte ja erst scft-
stehen, wenn man die Höhe der Hehrüberweisnugen kamttc. . ES
eröffnete sich aber eine solche Fülle Wn Zweifelsfragen nud die Vor-
schüsse wurden offenbar in solcher Höhe und vermnllich nicht gleich-
mäßig angesordert, das; der Reichsministcr eine andere Regelung
vorzog. Allerdings läßt die nun veröfsentlichtc Würzburger Er-
klärung keinen ganz sicheren Schluß auf die A r t dieser Regelung zu.
Man hörte aber, es seien feste Zuschüsse gedacht in Form einer hohen
Quote der ganzen Besoldungserhöhungen, während die amtliche
Fassung, die ausdrücklich ans die Erklärung vom l<> November lS2l
Bezug nimmt und von einem „Anstzlcichsbetrage" spricht, auch auf
den früheren Ausgaugspunlt zurückgrciicn ließe. Solange diese
Frage nicht geklärt ist, können wir einigermaßen vranchvarr HanS-
Haltpläne nicht anfstelten. Diese Frage vor allen entscheidet den
Satz unserer örtlichen Vermögenssteuern.
Einiges aber ist besonders wichtig sür die Gemeinden. Ein-
mal, daß sür den Begriff der Beamten nud die Berücksichtigung
der Ruhegcyalksempfänger usw. nud der Angestellten die im
Rcichsrat früher abgegebene Erklärung der Reichsregierung Gel
mng haben sollen. Nach dem Rundschreiben des Rcichsministcrs
der Finanzen vom 12. Dezember 1921 sollten in Betracht kommen
„planmäßige Beamte, Diätare, Rnhestandsbcamte und Hinter-
bliebene, endlich Angestellte (keilte Arbeiter)". Dabei sollte es sich
uni Bemme und Angestellte der „reinen Verwaltungsbehörden"
bandeln, nicht um die Verwaltungen „werbender Betriebe". „Diese
müssen steh selbst erhalten und die Kosten dcr Verbesserung der Bc
zöge aller bei ihnen beschäftigten Personen durch Erhöhung ihrer
Erträge ansbringcn".
Der Preußische Minister des Innern sagte in einem Rundschrei-
ben vom 14. Dezember 1921, daß bei den Gemeinden zu berücksich
tigen seien, die planmäßigen, im Hauptamt ««gestellten Beamten,
die Beamtenanwärter und diejenige» Dauerangeslellien, die gleich
den Beamten nach dem Gesetz vom 8. Juli 1920 zu besolden find,
- nicht die sonstigen Angestellten. „Die Gehälter der Beam-
ten usw. der werbenden Betriebe sind in Abzug zu btingen". Der
Minister verweist hinsichtlich dieses Begriffes ans H 3 des Kornmu-
uatabgabegefttzes und erinnert au Gas-, Elekttüzttälswcrke,.Stra
ßenbahnen. Martlyallen, Grubenbetrieb nud ähnliches.
In den Würzburger Vereinbarungen sind nun aber ausge-
nommen die Beamten und Angestellten der „Betriebsverwaltungen'.
Es wird angenommen werden dürfen, daß es sich auch hierbei uni
die Angestellten „werbender Betriebe handeln soll sonst würde
nicht nur eine neue Flut von Zweifeln anstanchen, sondern auch
Ungeheuerlichkeiten entstehen, welche „Betrieben", wie z. B. den
Landes- und Stadttheatern den Garaus machen könnten. Mer auch
im übrigen ist noch eine Klärung notwendig, Wenn nicht eine völlige
Unsicherheit und wiederum schwerste Gefährdung eintreten soll.
Kündbar Angestellte werden nicht ausgenommen sein dürfen, auch
nicht mit Endterminen Angestellte, wenn der Endtermin nicht tat-
sächlich und regelmäßig das Ausscheiden bedingt. Bei der Be-
soldung darf es nicht darauf ankommen, ob diese jener der
„Gruppen" enspricht. Ja sogar A r b e i t e r sollten in die Regelung
einbezogen werden. Ihre Löhne müssen ja ebenso von der Ge-
meinde aufgebracht werden, wie die Gehälter der Beamten; der
Zuwachs ist bei ihnen nicht niedriger, sondern höher als bei den Be
amten: auch sonstige grundlegende Unterschiede bestehen kaum, wenn
man nicht auf das sog. Streikrechl greisen will. Die Arbeiter die-
nen Veranstaltungen des öffentlichen Wohles; jene dcr werbenden
Betriebe bleiben ja ausgenommen. Auw Nibiiter können, wenn ne
einige Jahre im Dienste find, nwu beliebig entlassen werden. So
schreibt die badische Gemeindeordnung in 8 73 Nbs. 3 vor, daß nach
5 Jahren hauptberuflicher Beschäftigung das Dienflverhälnis ohne
Znstftmnung des Arbeiters nur ans einem wichtigen Grunde durch
Beschluß des Gemeinderates gelöst werden kann; dieses Gesetz be-
handelt in der gleichen Vorschrift Angestellte (Nichtbeamte) und
Arbeiter. Die Arbeiter haben in den badischen Gemeinden auch An-
spruch auf Ruhegehalt. Die Zahl dcr Arbeiter in denjenigen Be-
trieben, die nicht rein werbend sind, ist eine sehr erhebliche. In
Mannheini macht der Jahresaufwand, der allein durch die Mai-
regelung der Arbeitslöhne zu gewachsen ist, bei 38 nichtwer-
venden „Betrieben" Mnd 10 Millionen Mark berechnet auf 11
Monate aus.
Von Bedeutung ist die Absicht der Reichsregierung, von der
anteiligen Kopsquote der Mehrbesoldung das abzuziehen, was
(dem Lande) der Gemeind« infolge der höheren Besoldung aus dem
dadurch höheren Anteile an der Reichseinkonimensteuer zuflietzt.
Dieser Grundsatz ist bedenklich; die Anschauung, als ob der Mehr-
betrag der Uederweisung ein frei verfügbarer Gewinn wäre, ist

irrig- Auch soll der Abschlag einen Anreiz zu Ersparnisse« auf denk
Gebiete der „Beamtenbesoldung" geben; indes — würde der für
diesen Anreiz bestimmte Abschlag bedeutend, so würde die Ge-
meinde, wenn sie ihni folgte, ein schlechtes Geschäft machen, da ja
an einem alljährlich wiederkehrenden Stichtag die Zahl der Be§
amten ermittelt und mit dem früheren Stande verglichen werden
soll.
Die Verheißung bietet also manche Unzulänglichketten und sehr
starke Unklarheit. Wie wichtig aber die günstige Regelung ist, er-
hellt daraus, daß von den nunmehrigen gesamten Bcamienbezügcn
der Gruppen I—Xlil zwischen 81 Proz. und 66 Proz. auf die Er-
höhung ftit 1. Oktober 1S21 treffen, also dem Reich grundsätzlich
zur Last fielen.
Unbedingt notwendig ist es, daß das Reich den Städtelag,
das Land feine Gemeindrverbärwe vor der endgiltigen Regelung
hör,.
Schlutzbemerkung.
Eine Fülle von Fragen tut sich auf, wenn man die Lage der Gc-
meindefinanzm prüft, eine viel leichtere Fülle als in den vorstehen-
den Ausführungen zur Besprechung kam. Leider fehlt all den
Plänen der einigende Gedanke. Man mutz hier viel fordern, weil
man nicht Weitz, was man dort erhält. Jeder Tag bringt Ueber-
raschungen. Die Gemeinden müßen sich aus das äutzerste anstrcn-
gen, ihren Pflichten zu genügen; eine Ueberfpannung roher Stenern
wäre ein schwerer Fehler, der die Erfüllung dieser Aufgaben un-
endlich gefährden kann. Die Gemeinden bedürfen der Hilfe ihrer
Länder, die diese auch durch Matzhalken bei eigenen Bedenkungen
und durch richtige Bemessung dcr eigenen Lasten darbieten müsse«.
Der Wettbewerb unter den Städten ist in Zeiten der schweren
Not nicht ansgeschattet; die Beschränkung der Wettbewerbsfähig-
keit kann aber heute schwerere Folgen zeitigen, als in günstigeren
Tagen.

Kleine Nachrichten.
Raubzug' kn eine Weinschenkc. In der Bärenweinschcnke R i e -
dcrgorbitz bei Dresden wurde von zwei Banditen ein Raub-
Abcrsall verübt. Diese drangen spät abends in die Wirtschaft ein-
Der eine hielt die fünf anwesenden Gäste mit zwei Revolvern in
Schach, während der andere von dem Wirte die Gcldfchrankschlüssel
erpreßte nud den Schrank leerte. Die beiden Banditen flohen dann
und konnten bisher nicht ermittel! werden.
Das Gebiß ans dem Munde gestohlen. In Landau schlief ein
Eistnbohncr ermüde! von des Tages Last und Mühe so fest, daß
er nicht merkte, daß ihm ein Gauner sein Gev-iß aus dem Munde
ycrausstaU. Als dcr Eisenbahner cmfwachte, war das Gebiß Ver-
schwunden.
Verzweiflungstat einer gequälten Fra«. Dieser Tag« wurde
der 52 Jahre alte Arbeiter Max Brink in seiner Wohnung im Hause
Pappetalttc 18 i» Berjjn von seiner Ehefrau mit eitter Axt erschla-
gen. Fran Brink begab sich sofort nach der Tat zu Verwandten und
kehrte mn 6 Uhr wieder in ihre Wohnung zurück. Als sie ihren
Ehemann leblos aufsand, ging sie zur Polizei nnd zeigte sich selbst
au. Nach den Bekundigungeil von Verwandten rmd Hausbewoh-
nern war die unglückliche Fran überaus fleissig nnd saß den ganzen
Tag an der Nähmaschine, um für den Lebensunterhalt zu sorgen.
Der Mann war ei» Spieler rind Säufer, und wenn er betrunken
nach Hanfe kam, peinigte er die Frau aufs ärgste. Als das dieser
Lage wieder der Fak war und er sie sogar mit einen. Küchen-
messer bedrohte, ergriff die Frau in ihrer Verzweiflung eine in der
Küche stehende Axt und versetzte ihrem Mann in ihrer Bedrängnis
mehrere Schläge über den Kopf.
Absturz eines Postklngzrngrs. — Alle Insassen tot. Vorgestern
nachmittag gegen 3 PL Uhr hat sich das Postflugzeug „D 150" der
Deutschen Luftreederel etwa 6 Kilometer von Boitzenbmg entfern!
überschlagen und ist in Vie Gülzener Tannen abgekürzt. Der Füh-
rer, v. Berück, und drei Passagiere, anscheinend Arnerikaner, ha-
ben sämtlich Schädclbrüche erlitten. Die Leichen würden gebor-
gen. Di« Ursache des Unglücks ist noch nngckläÄ, da das Wngzcux
völlig zrrlrünttMrk ist.
Eine „Million" weMeworfcn. Der Amerikaner Lieberl. zur-
zeit in Wien, Halle einen großen Geldbetrag in österreichische'«
Kronen bei sich. Rach den bestehenden Vorschriften dürfen bei einer
Ausreise ans Oesterreich nicht mehr als 200000 Kronen mitgesührt
werden. Sieber, behielt, als ihm vor seiner Fahr, nach Bitdapest
von der Revision diese Bestimmung vorgehatten wurde, 20V0W
Kronen bei sich nnd warf den Restbetrag von nahezu einer Million
ans Aevger über die Revision oder ans Verachtung des österrei-
chischen Geldes? — ans den Bahnsteig. Diese Szene erregte riesiges
Aussehen nnd cs sammelten sich zahlreiche Leute au. Die beiden
dienslhaben Polizeiinspekloreu klaubten das Geld aus und führten
Siebert zur Wechselstube. Siebert erklärte, er verzichte ans eine Um-
wechslnng oder Deponierung des Geldes nnd wolle es den armen
Kindern Wiens stiften Die genaue Zählung ergab, daß es ein Be
trag von 948 000 Kronen war. Für den Amerikaner waren diese
948 0M Kronen n»r 25 Dollar oder etwa 100 deutsche Friedens-
mark; denn der Dollar kostet in Wie» 38 000 Krönen gegen 500 in
Berlin. Wir haben also anscheinend noch einen taugen Weg bis zum
Wiener Stand zmückzulegen.
Deutsche Mrlalttlnqzengc aus dem internakionokcn Flnswctt-
vewcrb in Neapel. Die „Daily Mail" stellt mit,Bedauern fest, daß
Deutschland zuerst Metallflugzeuge konstruiert habe und zwe, sol-
che Jnnkernpparate bereits in Neapel angelonnuen seien nm aus
-em internationalen Flugwettbewerb teilzunehmeu. Das Blatt
sagt, das cngttjche Lustschissamt habe sich damit neuerdings von
TeutWand Wertzöllen lassen. Bereits seit zwei Jahren habe cs
die enGi-sche Admiralität in der Hand gehabt, in EnOand Metall-
flugzeuge zu konstr-mercit und in Betrieb.zu setzen. Sie habe aber
unverstäutzlichersveise davon keinen Gebrauch gemacht
Admimsons Polarsahrt. Aus London wird berichtet, daß der
Polarforscher Admunseu, dcr am 29. Juni nach der Nordspitze
von Alaska an Bord der „Maud" abgefahren ist, wahrscheinlich
seine Nordpolexpedition aus- das nächste Jahr verschieben werde.
Admunsen wollte vom Kap Banow mit ein««, Fluaung das Po-
largebici überstiegen. In Loudon ist eine Depesche eiwgetrossen,
Wonach die Dinge sür dieses Jahr wenig günstige Aussichten vielen
und Adummscn wahrscheinlich auf die Ausführung seines Planes
verzichten wird. Er hatte gehofft, bas Kap Darrow Mitte Juli
zu erlangen, ist aber ans seiner Fahrt durch mächtgie Eisberge
anfgetzattcu worden. Er glaubt, daß ex mit seinen beiden Beglei-
tern ans Kap Narrow den Witter verbringen werde, uni nächstes
Jahr im Juni einen neuen Versuch zu machen.'
Die schnellste Reife über den AnklaMik. Im Hasen von
Southampton traf der Dampfer „M-aur-etanür" aus Newyork ein,
nachdem' er die schnellste Reise seit Ausbruch des Krieges über den
Atlantischen Ozean zurückgelegt hatte. Die genaue Reisezeit be-
nag 5 Tage 8 Stunden 9 Minuten, bei einer DurchschnittsMschivin-
digkeit von 25,36 Knoten stündlich. Rach Einführung der Oel-
seuerimg ha» die „Manrelania" ihre GescAvindigkeitsleist'iing stän-
dig verbessern können.
Ein Eisenbahnunglück in London. Vorgestern hat sich im Lon-
doner Bahnhof ein schweres EisenbahmiiWück ereigne!. VeAn A»
fahrm hat wahrscheinlich infolge des Versagens der Bremse ein
in den Bahnhof einsahrender Zug nicht halten können- und ist aus
die Püiffer mrfgefayrcn. Der Zus-ammoiOotz war äußerst heftig
imd die Passagiere'wurden von der Plattform ans -je. BmynstMe
geworfen. Mau zählt bis jetzt 80 Verletzte, dämmer 2V Schwer-
verletzte-
 
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