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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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1. Heft
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Forrer, Robert: Zur Altersfrage der "Büchse von Sant Orsola-Arco"
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0043

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1. HEFT

R. FORRER, ZUR ALTERSFRAGE DER BÜCHSE VON SANT ORSOLA-ARCO

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nung, die aber vielfach reproduziert worden ist,
auch in unserer „Zeitschr. f. histor. Waffenkunde“
und zwar S. 183 des ersten Bandes in P. Sixl’s
Arbeit „Entwicklung und Gebrauch der Hand-
feuerwaffen“. Das dort gegebene Bild ist neben-
stehend wiederholt.
Über die Echtheit dieser Büchse ist aber
viel gestritten worden, weil mit der auf derselben
im Relief angebrachten J ahr esz ahl 1322 eventuell
ein überaus wichtiges Dokument zur Geschichte
der ersten Feuerwaffen gegeben ist. Köhler
hielt sie trotz einiger Bedenken für echt, d. h.
als ein Beweisstück für das Jahr 1322. Auch
Sixl ist gleicher Ansicht, denn er setzt das Rohr
unbedenklich neben die anderen Rohre der Früh-
zeit. Karl Jacobs in seiner Schrift: „Das Auf-
kommen der Feuerwaffen am Niederrhein bis
zum Jahre 1400“ hält dagegen das Rohr für eine
Fälschung.
Jacobs’ Gründe sind nicht schlecht. Er er-
innert daran, dafs arabische Ziffern im 14. Jahr-
hundert äufserst selten erscheinen, dafs es sonst
überhaupt keine Rohre jenes Jahrhunderts gibt,
welche Jahreszahlen tragen unddafsdie Verzierung
mit reliefierten Blättern für jene Zeit ebenso un-
gewöhnlich sei. Die ganze Formengebung des
Schmuckes mutet ihn „recht modern“ an, ebenso
die arabischen Ziffern, von denen er übrigens
mit Recht annimmt, dafs sie vielleicht blofs
unter der Hand des Zeichners so modern
ausgefallen seien. Mit Recht macht ferner
Jacobs gegen Köhler geltend, dafs die nach
hinten verstärkte Wandung und die starke Ver-
jüngung nach vorn wenig für das 14. Jahrhundert
sprächen.
Trotz dieser guten Gründe mufs ich
die Büchse von Arco entgegen Jacobs für
echt erklären, gleichzeitig aber auch ent-
gegen Köhler und Sixl sie als Dokument
für das Jahr 1322 verwerfen.
Für die Echtheit in dem Sinne, dafs es sich
um keine Fälschung handelt, die bestimmt war,
Gelehrte oder Sammler zu täuschen, spricht von
vornherein der Umstand, dafs das Rohr schon um
die Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt war, zu
einer Zeit also, wo diese Dinge noch wenig ge-
sammelt wurden, wo sie noch einen nur äufserst
geringen Handelswert besafsen und wo, wenn
man fälschte, das Falsifikat — für heutige Augen —
weit plumper zu sein pflegte. Zu jener Zeit
fälschte man Waffen noch wenig, und wenn
schon, dann waren es Rüstungen und Prunk-
waffen, an die man sich heranmachte, d. h. Dinge,
die damals in erster Linie gesucht wurden. An
primitive Feuerbüchsen dachten in jenen Jahren

noch die wenigsten Sammler, die Fälscher erst
recht nicht.
Die Lösung des Rätsels liegt auf einem
anderen Blatte geschrieben: Das Rohr war
echt, auch die Jahrzahl war echt, aber sie
ist falsch gelesen worden, sie lautete
nicht 1322, sondern 1522.
Wer mit alten Bronzegüssen vertraut ist,
weifs, dafs die alten Bronzegiefser sehr oft Buch-
staben oder Ziffern ganz oder teilweise verkehrt
in die Tonform graviert haben. Man vergleiche
dazu als lehrreiches Beispiel die unten wieder-
gegebene Jahrzahl 1546 (Fig. b). Sie ist einem
bronzenen Stampfmörser meiner Sammlung
entnommen, der nach Form, Ornamentik, Wappen-
schild etc. durchaus in die erste Hälfte des
16. Jahrhunderts gehört und auch tatsächlich die


Die Bronzebüchse des Grafen Arco
in stark 1/2 Verkleinerung
Jahrzahl 1546 trägt, aber diese mit [verkehrt
gegossener Ziffer 5. Der Modelleur hat in
der Form die Ziffern 1, 4 und 6 richtig retrograd,
wie es sich für eine Gufsform gehört, ein-
graviert, aber die 5 hat er so eingeschnitten, wie
er sie im gewöhnlichen Leben schrieb. Dadurch
ist sie dann natürlich im Gufs verkehrt heraus-
gekommen, so dafs nun das Bild sich bietet, wie
es hier unter Fig. b facsimiliert ist; der Uner-
fahrene wird eher an einen Gufs von 1746 denken,
statt an eine verkehrte 5.
Ähnlich mufs es auch dem Giefser der
„Büchse von Arco“ ergangen sein: Er hat bei
Gravierung der 5 den oberen Querstrich dieser Ziffer
im Negativ statt „verkehrt“ so angesetzt, wie er den
Strich im gewöhnlichen Leben zu ziehen gewohnt
war und es ist daraus nachher im Gufs eine 3
statt eine 5 geworden.
 
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