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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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4. Heft
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Boenisch, Hermann: Die Artillerie-Handschrift des Valentin von Sebisch: (Breslau 1601)
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0138

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118

HERM. BOENISCH, DIE ARTILLERIE-HANDSCHRIFT DES VALENTIN v. SEBISCH VI. BAND

Diese Erscheinung hat ihren Grund in den Launen
der Geschützgiefser und ihrer Auftraggeber, der
vielen deutschen Fürsten und Städte, aber auch
in dem Eindringen italienischer, spanischer und
französischer Einflüsse in die deutsche Artillerie.
An die Beschreibung der einzelnen Geschütze
schliefsen sich auf den Blättern 42 bis 50 Zeich-
nungen von verschiedenen Rohren mit kurzen
konstruktiven und ballistischen Anmerkungen;
die Blätter mit ungerader Nummer sind leer.


Cod. 940 (nicht paginiert, Abbild, stark verkleinert, Original
mehr als doppelt so grofs)
Mörserlafette für Rohr mit Schildzapfen am Boden
(stehender Mörser); Eisenteile blau, Holzteile braun
Blatt 42 zeigt ein Scharffetinlein mit der
Überschrift: „Diss Scharffetinleinn Ist in der
Insell porta ferera durch diesen autor abgetheilet
vnd designiret worden“. Er „scheust x U deutsch
gewicht“ (also Kaliber etwa 5,3 cm).
Auf Blatt 44 sehen wir vier Geschütze kleinen
und mittleren Kalibers:
das Falkonett (Falckanedl [falconeto]),
schiesst 6 Vierding Eisen,
das doppelte Falkonett (toplete Falcka-
netl [falconeto doppio]), Dreipfünder,
das „Schlengl“ [Columbrina], 6 Kaliber
länger als das vorige, ebenfalls Dreipfünder,
und die Notschlange [Colombrina forzata]
mit der für einen Sechzehnpfünder ungeheuren
Länge von 57 Seelendurchmessern.
Die Kaliber der genannten Geschütze sind
der Reihe nach: 2x/4, 27/8, 27/s und 5 Zoll.
Blatt 46 bringt die Abbildungen von vier
weiteren Rohren, nämlich:
Singerin [Cantarina], Achtundzvvanzig-
nfünder von 53/4 Zoll Kaliber,

Falckaune [falcana], Siebenpfünder mit
31/2 Zoll Seelendurchmesser,
Kartauna [Cordona], Fünfundvierzigpfünder
7 zölligen Kalibers,
Nachtigall [Canuna (so!)], Sechzigpfünder
von 8 Zoll Seelenweite.
Die schwersten Stücke sind auf Blatt 48 dar-
gestellt, und zwar:
Basilisk (Basiliscka [Basilisca]), Achfzig-
pfünder mit 8y2 Zoll Seelendurchmesser,
Sch arfm et z e (Scharffe Metz [Canona doppia]
[so!]) Hundertpfünder mit 94/4 Zoll Kaliber.
Das Blait 50 ist unfertig; es zeigt links vier
Steinbüchsen in geschwächtem Gut (Rohrwan-
dungen weniger als ein Kaliber stark), von denen
das dritte, anscheinend halbgütige, das schwächste
ist. Auffallend stark sind bei allen Rohren die
Stofsböden; merkwürdiger Weise hat keins der
Steinstücke eine Kammer. Bei drei Rohren ist
der Seelenboden leicht gewölbt. Die Bohrungs-
längen liegen zwischen 8'/2 und 13 Seelendurch-
messern. Die zapfenförmig gestalteten Trauben
sind verhältnismäfsig schwach.
Auf der rechten Seite des Blattes stehen
zwei leichte lange Rohre (Seelenlänge 23l/2 und
26 Kaliber) in etwa Zweidrittel Gut. Vielleicht
waren es leichte Bleibüchsen, wie man sie ge-
legentlich in Streichwehren von Festungen ge-
brauchte.
Endlich findet sich hier, in etwas mangel-
hafter perspektivischer Darstellung, ein Mörser
mit flammender Bombe in der Mündung. Die
Schildzapfen sitzen am Fluge, es ist also ein so-
genannter „hängender Mörser“. Seine zylindrische
Pulverkammer ist 3 Durchmesser lang und hat
nur 1/2 Kammerkaliber Wandstärke. Der Flug,
ix/2 Mündungsweiten lang, schliefst mit kreis-
bogenförmig gerundetem- Kessel an die Kammer
an. Sein Durchmesser verhält sich zu dem der
Kammer wie : 1.
Damit schliefst der deutsche Teil des Buches.
Der folgende dritte Abschnitt, im cod. 933 ent-
halten, ist in lateinischer Sprache geschrieben
und behandelt in xo „Propositiones“ ballistische
Fragen. Hierbei ist merkwürdig, dafs Sebisch
nicht, wie die meisten damaligen Artilleristen
— sogar Diego Ufano4) nicht ausgenommen —
der falschen Ansicht des Italieners Tartaglia
(16. Jahrhundert) ist, das Geschofs falle am Ziel
durch den sogenannten motus naturalis, d. h.
die Schwerkraft, senkrecht zur Erde. Sebisch
denkt sich vielmehr die Flugbahn aus zwei
symmetrischen geraden Teilen bestehend, die sich
am Scheitelpunkte (vertex seu punctus (!) re-

4) Tratado de la Artilleria, Bruxellas 1617.
 
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