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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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4. Heft
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Gessler, Eduard Achilles: Waffengeschichtliche Studien aus der Schweiz
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0143

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4. HEFT

E. A. GESSLER, WAFFENGESCHICHTLICHE STUDIEN AUS DER SCHWEIZ

12c

auf den Grabplatten Dargestellten auf dem Rücken
liegen und die seitlichen Partien gewöhnlich nicht
deutlich erkennbar sind. Sowie nun Brust- und
Rückenstück sich aneinander fügten und zu-
sammen ein geschlossenes Ganzes bildeten, verlor
der Lentner seine Bedeutung; zum Schutze des
Unterleibs genügte das Panzerhemd, das noch
lange Zeit beibehalten wurde; der Lentner hin-
gegen verschwand am Ende des 14. Jahrhunderts
aus der Schutzbewaffnung. Wenn er auch auf
Grabdenkmälern noch bis in den Anfang des
15. Jahrhunderts vorkommt, ist um 1400 seine
praktische Rolle ausgespielt, Brust- und Rücken-
stück vereint haben ihn ersetzt. Logischerweise
setzte sich das Bestreben der Verstärkung auch
bei der übrigen Rüstung fort. Der aus gestepp-
tem und gepolstertem Leinenstoff bestehende Arm-
schutz, oft schon vorher durch starkes gehärtetes
Lederzeug ersetzt, das mit Eisenschienen, Ellbogen-
kacheln usw. verstärkt wurde, kam allmählich in
Abgang, um dem völlig eisernen Armzeug zu
weichen, desgleichen auch das lederne Beinzeug,
das mit Schienen verstärkt oder mit Ketten-
geflecht durchsetzt, auch benagelt war; die Knie-
kacheln, die schon früh aus Eisen bestanden,
bildeten den Übergang zum eisernen Beinzeug.
So entstand der Harnisch des 15. Jahrhunderts,
der im gotischen Plattenharnisch seine höchste
Vollendung zeigte, der dann ca. 1500, damit er
den erhöhten Anforderungen der Schutzwaffe ge-
nügen konnte, wieder andere Gestalt erhielt, wie
es der wechselseitige Wettkampf zwischen Schutz-
und Trutzwaffen immer bedingte.
Wendelin Boeheim (Handbuch S. 87) nimmt
irrtümlicherweise die Entstehung der Platte
um 1380 an, er nennt als Herkunftsort dieses
Rüstungsstückes Italien, und fährt fort: „Um 1430,
als man hie und da versuchte, die Harnischbrüste
ganz aus Platten zu fertigen, bestanden diese
zum wenigsten aus zwei Teilen, welche mittels
Riemen und Schnalle miteinander in Verbindung
standen, später bildete der untere Teil mit dem
oberen ein Geschähe“; ferner (S. 139): „Von etwa
1360 an tritt das Bestreben auf, den immerhin
wenig hiebfesten Lentner durch Eisenplatten zu
verstärken . . . Erst um 1380 erscheint die selb-
ständige Brustplatte, halbkugelförmig, mit stark
geschweiftem Oberrande, welche über die Schul-
tern und in der Leibesmitte angeschnallt ist.“
Wie wir gesehen haben, setzt Boeheim die
Entstehung der Platte mit 1380 zu spät an; wir
müssen die Mitte des 14. Jahrhunderts für das
Aufkommen dieses wichtigen Rüstungsteiles be-
anspruchen. Ebenso sah die Zeit um 1380 die
Entstehung des zusammengehörigen Brust- und
Rückenstückes, welches den Lentner beseitigte.

P'erner waren die ersten Platten flach und gewannen
erst gegen das Ende des 14. Jahrhunderts eine
halbkugelige Form, auch diese ausgeprägt erst
im Anfänge des 15. Jahrhunderts; das gleiche
gilt für den ursprünglich ganz schwach geschweif-
ten Oberrand.
Den Übergang der Platte zum Brust- und
Rückenstück zeigt das Tischgrab des Burkart
von Mafsmünster (f 1383) im Münster zu Basel
(vgl. Abbildungen in Verein f. d. Hist. Museum
u. f. Erhaltung Baslerischer Altertümer, Jahres-
bericht 1895, p. 45 ff.; Dr. C. A. Stückelberg, Die
mittelalterlichen Grabmäler des Basler Münsters.)
Die beinahe rund gearbeitete Figur des Ritters
in voller Rüstung liegt auf glatter Platte; er trägt
die Beckenhaube mit Maschenhalsberge, das flache
Bruststück, an das sich unmittelbar das Rücken-
stück anschliefst; unter diesem befindet sich das
Panzerhemd, welches, unter dem Bruststück her-
vorstehend, bis zu den Knien reicht; der. Gürtel
(dupsing)ist aus verschiedenen Gliedern zusammen-
gesetzt, woran der Dolch befestigt ist. Das Arm-
zeug besteht aus Leder mit aufgenietetem Ge-
schähe aus Eisenspangen; die Ellbogenkacheln
aus Eisen sind am Arm festgebunden, auch der
Unterarm ist mit Eisenschienen bewehrt. Das
Beinzeug, ebenfalls aus Leder gefertigt, ist an
den Knien mit Eisenkacheln versehen, diese noch
ohne Geschübe; an den Füfsen hingegen trägt
er geschobene, spitze Eisenschuhe. Der Lentner ist
hier schon 1383 vollständig in Wegfall gekommen.
(Eine leider ziemlich ungenaue Abbildung bei H.-
A. III, 204, wo der Ritter irrtümlich Bernhardus
genannt wird.) Eine weitere Darstellung aus
dieser Zeit erblicken wir (H.-A. III, 210) am
Grabmal des Heinrich von Erbach in Michelstadt
im Odenwald; auch hier sind Brust und Rücken mit
zwei eng zusammenhängenden Stücken dargestellt,
dafür fehlt der Lentner; Arm- und Beinzeug be-
steht ebenfalls aus Leder, mit Eisenteilen ver-
stärkt. Hier tritt — Heinrich von Erbach starb
1387 — ein neues Stück am Harnisch auf: auf der
linken Seite derBrust ist ein genau erkennbarerRüst-
haken zum Einlegen des Rennspiefses angebracht.
Alle diese Bruststücke, von der Platte bis zum
vollständigen in die Plüftenreichenden Brustpanzer,
sind flach, erst mit dem Ausgang des 15. Jahr-
hunderts wölbt sich das Bruststück etwas, um
dann allmählich in die Formen des gotischen Flar-
nischs überzugehen.
Kehren wir nun nach dieser Abschweifung
über die Entstehung des Plattenharnischs zu Hug
Schakaburlins Bewaffnung zurück. Sein letztes
Rüstungsstück bildet der Kesselhut. Man wäre
versucht, hier an einen Topfhelm zu denken, doch
dieser war im ausgehenden 14. Jahrhundert in
 
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