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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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11. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0416

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396

LITERATUR

VI. BAND

Rahmens. Denn Rüstung und Taktik der englischen Bogen-
schützen werden um ihrer selbst willen behandelt und nicht
im Verhältnis zur Fernwaffe, um etwa ein tieferes Ver-
ständnis der Bogenführung und Schufswirkung zu erzielen.
Und an die zeitlichen Grenzen (ca. 1300—1350) fühlt sich
der Verfasser auch in der sonstigen Quellenwahl nicht ge-
bunden, obwohl seine deskriptive Arbeitsweise von der
Voraussetzung einer Zeiteinheit ausgehend die Innehaltung
dieser Schranken notwendig fordert.
Von der philologischen Gesamtfragestellung abgesehen
sind aber auch im einzelnen waffenkundliche Interessen
sprachlich philologischen untergeordnet, davon zeugen zahl-
reich aufgeführte, für die Sachforschung völlig gleichgültige
Dialektparallelen und unfruchtbare Etymologien, zumal
dann, wenn es sich um fertig dem Romanischen entlehnte
Termini in sekundärer Bedeutung handelt. Jedenfalls
wären die etymologischen Ausführungen zeitlich zu sondern,
je nachdem sie in die eigentliche Untersuchung gehören
oder in die vorausgeschickte Einleitung, die über die Ent-
wicklung jeder einzelnen Angriffswaffe von der normanni-
schen Eroberung bis etwa zum Jahre 1300 orientieren will.
Gerade diese Mängel in der Anordnung zeigen besonders
deutlich, wie wenig Wort- und Sachforschung ineinander auf-
gehen, wenn auch von einer bewufsten Trennung in anti-
quarian und philological investigation, wie sie M. L. Keller
in ihren Anglo-Saxon weapon names vornimmt, glücklicher-
weise keine Rede ist. Wie Sach-und Wortforschung vereint
zum Ziele führen, zeigt die an Meringer, Idg. Forschg. 17,
n6ff. anknüpfende Erklärung von sollet ,scharfe1 Lanzen-
spitze1 durch soc ,Scharform eines Hakenpflugs1 (S. 48) wie
auch die tiefer schürfenden Kapitel über gisarme ,Axt‘ und
,Hellebarde1 (S. 81 ff.; vgl. dazu Jordan, Bezeichnungen der
Angriffswaffen im Französischen S. 38f.) und über fauchoun
,Schwert mit gekrümmter Klinge von kurzer oder längerer
Form1 (S. 26 ff.). Aus den verschiedenen Bedeutungen von
anelace: ,Dolch1 und,Stacheldorn an der Rofsstirn1 undaus
der etymologischen Verwandtschaft mitnhd. Ahle (S.72 f.) er-
schliefsen wir freilich keine ,mehrschneidige Waffe1, sondern
den Pfriemdolch, der darum mit dem knif-Messerdolch
in bewufster Differenzierung zusammen genannt wird1).
Auf Grund archäologischer Sachforschung wird S. 109 f.
Niethe (Schlacht bei Azincourt S. 39 f.) gegenüber einge-
worfen, dafs es sich bei der Bogenschützenaufstellung
d maniere d’une herse um keilförmige Schlachtordnung han-
deln kann, weil die mittelalterliche herse-Egge vielfach drei-
eckig war (Reallexikon der germanischen Altertumskunde
S. 498).
Schließlich mag noch auf die einleitenden Ausführungen
über die Armbrust hingewiesen werden, die sich auf einen
ausgezeichneten, wenig bekannten Aufsatz vonjoh. Hoops:
Die Armbrust im Frühmittelalter (Wörter u. Sachen III, 65 ff.)
stützen, der im Reallexikon der germanischen Altertums-
kunde S. 123 vom Verfasser selbst in Kürze wiedergegeben
ist. Die Armbrust, die seit der Römerzeit auch in den
nordalpinen Provinzen ein ununterbrochenes Dasein führte,
war den Angelsachsen nach dem Zeugnis des 24. Rätsels
des Exeterbuches im 8. Jahrhundert wohl bekannt und
wurde nationalsprachlich als boga bezeichnet. Der deutsche
Name Armbrust weist ebenso wie frz. arbalete auf römischen
Ursprung, denn Armbrust ist eine volksetymologische Um-
deutung des mlat. arbalista, arcubalista; daran darf trotz
aller Einwürfe, die gerade an dieser Stelle erhoben sind,
nicht gezweifelt werden. Das Wort arcubalista, dessen er-
weiterte Bedeutung sich auch auf leichtere Schufswaffen
erstreckte, sollte durch die ganz unfachmännische Substi-
—--—;——- ' ■ ■ • . i , • ... 1 :, ..
9 Auf das Verhältnis des ma. Pfriemdolches -zum
Messerdolch werde ich in allernächster Zeit zurückkommen.

tution Armbrust keineswegs sachlich erklärt, sondern nur
durch bereits bekannte, ähnlich klingende Laute wieder-
gegeben werden.
In diesem Buch, das von englischen Waffen handelt,
hätten auch die allgemein orientierenden Einleitungen die
wenig zahlreichen, sicher greifbaren Fälle, in denen spezifisch
Englisches vom Kontinentalen abweicht, besonders stark
betonen müssen. So wäre die ritterliche Streitaxt dieser
Zeit in scharfen Gegensatz zu deutsch-französischem Waffen-
brauch zu stellen gewesen, wie er sich z. B. in einem bisher
noch nicht berücksichtigten literarischen Zeugnis des ^.Jahr-
hunderts trefflich widerspiegelt: Im lateinischen Gedicht
von der Vision des irischen Ritters Tundalus, das ein iri-
scher Mönch, auf irische Quellen gestützt, ums Jahr 1150
in Regensburg verfafste, heifst es von dem ritterlichen,
durchaus höfisch erzogenen Helden, dafs er vor seinem ver-
meintlichen Tode der Gattin des Freundes seine Streitaxt
anvertraut. Dem Regensburger Priester Albero, der das Ge-
dicht etwa vierzig Jahre später in mhd.Verse übertrug, mufste
es alsDeutschem überaus seltsam erscheinen, dafs als Haupt-
waffe eines Ritters seine Streitaxt genannt wird, und er
fügte darum V. 237 hinzu die (d. h. barten) tragent genuoge
da vür sivert: dazulande pflegt man nämlich Äxte anstelle
von Schwertern zu tragen.
Der dritte Teil unseres Buches über Belagerungswaffen
geht nirgends über die gesicherte Grundlage hinaus, die
R. Schneiders gewichtige Arbeiten geschaffen haben. Im
Schlufskapitel über Pulvergeschütze knüpft D. nur an Jähns,
Trutzwaffen an, leider ohne sich mitjacobs, Aufkommen
der Feuerwaffen am Niederrhein auseinanderzusetzen. Der
Titelzusatz unseres Buches ,zur Zeit der Einführung der
Feuerwaffen1 wird durch diese drei Seiten langen Aus-
führungen, die z. T. noch durch Skeats Etymologie von
gun gefüllt werden, keineswegs gerechtfertigt, da ja von
einem Einflufs der Feuerwaffen auf die übrigen Angriffs-
waffen in dieser Zeit noch keine Rede ist. Dafs trotz
P. Sixls eindringenden Studien gerade das erste Stadium
der Feuerwaffen noch sehr der Klärung bedarf, lehrt schon
ein Blick auf Byzanz, wie ihn uns Schneider Bd. V, 83 ff.
eröffnet.
Alle Einzelheiten wie z. B. die unklaren Anschauungen
des Verfassers über die Gläfe (S. 63) hier richtig zu stellen,
kann nicht meine Aufgabe sein. Für den Abschnitt über
feuter (S. 54 ff.), dessen übertragene und etymologisch nicht
mehr verstandene Bedeutung auch nach Einführung des Rüst-
hakens weiter fortbesteht, darf ich auf meine Ausführungen
a. a. O. S. 34L verweisen.
Mir diente die vorliegende Arbeit, deren ehrliche, über
dem Durchschnitt gleichartiger Versuche stehende Leistung
ich nicht verkenne, als Schulbeispiel, um daran das Fehler-
hafte der ganzen Gattung nochmals klarzulegen und von
neuem das paradoxe Verhältnis von Aufgabestellung und
Quellenmaterial zu explizieren. Auf Aussagen literarischer
Quellen, die systematisch nur auf dem Gebiet der schönen
Literatur ausgebeutet und durch Bildquellen allzu eklektisch
ergänzt wurden, läfst sich eben keine beschreibende Dar-
stellung der Angriffswaffen aus der Zeit von 1300—1350
aufbauen. Auch die umfassendsten Sammlungen poetischer
Berichte über Waffenformen ergeben ein einseitig ver-
zerrtes und im günstigsten Falle lückenhaftes Bild, das
dauernd zu ergänzenden und berichtigenden Anleihen aus
waffenkundlichen Handbüchern2) zwingt. Nur die Frage-
2) Koetschaus methodisch klar gegliederte und vielfach
wegweisende Schrift „Verwendung der Metalle zu Wehr
und Waffen“ wird von diesen Spezialuntersuchungen leider
fast nie zu Rate gezogen.
 
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