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Baumeister: das Architektur-Magazin — 6.1908

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Jansen, Hermann: Gedanken über Architekturausstellungen spez. die Berliner von 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.52603#0223

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DER BAUMEISTER ° 1908, AUGUST

125


Arch. Jak. Schmeissner, Nürnberg

Mietshaus, Wilhelm Späthstrasse, Nürnberg.

Lebens- und Schaffenskraft unserer vollblütigen, tatenfrohen
Jugend, wenn sie in philiströser Art die Tabulaturen einer
unrüttelbaren Normalkunst abzuleiern sich genügen müsste.
Seitensprünge sind zu allen Zeiten gemacht worden und
sind stets nötig, sollen sich die Geister und Absichten läutern
und soll der grosse, unaufhaltsam dahinflutende Strom der
Kunstentwicklung eingehemmt bleiben und seinen Anwohnern
und seinen Ufern stets fruchtbar sich erweisen.
Auch sollen die hervorragenden, für die künstlerische Ent-
wicklung einer Stadt oft massgebenden Monumentalbauten
nicht lediglich Versuchsobjekte gährender, noch nicht zur
Ruhe gekommener Architektur-Pfadfinder sein; sie sollen
wohl der Abschluss oder Höhepunkt einer baukünstlerischen
Aera sein und zwar geschaffen vom jeweiligen ersten
Künstler seinerzeit. Nur so können wir dauernde Werte
erzielen, nur so uns vor Abnormitäten schützen , denen wir
sowie spätere Generationen kaum ein Verständnis abringen
können.
Von solchen Gesichtspunkten aus, dünkt uns, müssen wir
die architektonischen Neuschöpfungen und besonders die
Vorführungen auf unseren Kunstausstellungen ansehen. Wir
brauchen dann uns nicht zu verlieren in Betrachtungen und
Beurteilungen der vielen einzelnen Objekte, deren Ein-
schätzung ja doch vielfach von persönlichem Geschmack und
Zufallslaune abhängig ist.

mal verbessert und in einzelnen
Teilen individualisiert, während die
Gesamtlinie sich dem Strassenbilde
einfügte, hätte nicht jedes simple
Haus für sich laut das Recht der ar-
chitektonischen Einzelerscheinung
gefordert, um möglichst frech als
einzelnes Glied eines ganzen gleich-
gearteten Baublocks aufzutreten,
wir ständen mit nur einem Bruch-
teile der aufgewendeten Mittel einer
Strasse gegenüber, die der Arbeit
unserer Zeit mehr Ehre einbringen
würde, als das jetzige Resultat.
An dieser Stelle wollen wir uns
dagegen verwahren, dass wir einem
eventuell staatlich oder sonstwie
sanktionierten Schienengeleise des
Architekturmachens das Wort reden
wollten, auf dem eine entwickungs-
bedürftige Kunst stetig forttrotteln
soll. Gar traurig stände es um die


Arch. Schopohl <& Steinecke, Berlin.

Mietshaus, Liebigstrasse, Ecke Neue Grolmannstrasse, Berlin. (Siehe Tafel 84/85.)


Arch Schopohl & Steinecke, Berlin.

Mietshaus Brandenburgischestrasse, Ecke Xantenerstrasse, Berlin. (Siehe Tafel 84/85.)

Das gilt von der Berliner,
das gilt von den ausnehmend
vielen anderen diesjährigen
Ausstellungen architektonischer
Werke wie Wien, Stuttgart, Darm-
stadt und München. Unsern
obigen Auslassungen am meisten
entspricht sowohl in Ausstellungs-
objekten wie in seiner Vorführung
diejenige zu München, die wohl
das Prädikat vorbildlich
verdienen dürfte und für jeden,
der sehen und lernen will, be-
suchenswert ist; im folgen-
den Hefte kommen wir noch
auf dieselbe zurück.
In jedem Falle kann mit einiger
Genugtuung konstatiert werden,
dass das Streben nach An-
knüpfen an das Bodenständige,
Natürliche überall sich durch-
gerungen hat und mit dem alten
stilistischen und aufwendigen
Requisitorium allenthalben auf-
geräumt ist.
Nach dieser kurzen Zeichnung
unserer Stellung gegenüber archi-
tektonischen Neuschöpfungen,
 
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