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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Berichte aus Deutschland
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BERICHTE AUS DEUTSCHLAND

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ständiges gesagt wird. Mit den Illustrationen
allein ist es ja nicht getan, Sache des religiösen
und pädagogischen Taktes seitens der Erzieher,
der Katecheten ist es, das Kind zum Erfassen,
zum Bejahen, zum Auskosten des Religiösen,
Künstlerischen, Erzählenden im Bild anzuleiten.
Das Thema der Bibel-Illustration fand durch
eine Ausstellung im K u n s t v e r e i n eine beson-
dere, nicht alltägliche Variation. Abel Pann,
ein Lettländer Jude, in Odessa und Paris zum
Maler gebildet, setzt sein Lebenswerk an die
Darstellung der Bibel in Bildern. Er frägt mit
Recht: wie kommt es, daß gerade das Volk der
Bibel keinen eigentlichen Maler der Bibel her-
vorgebracht hat? Und in der Tat, es gibt unter
den immerhin zahlreichen jüdischen Künstlern
keinen, der bisher an diese Aufgabe herange-
gangen wäre. Das mag mit der Zersetzung der
religiösen Überzeugung bei den Juden überhaupt
Zusammenhängen. Pann jedenfalls hat als gläu-
biger Jude sich mit höchstem Enthusiasmus für
seine Sache eingesetzt, derenthalben er nach Je-
rusalem übersiedelte. Er kommt vom Impressio-
nismus her. Die Folge von über 100 Illustratio-
nen, meist Pastellarbeiten aus dem ersten und
zweiten Buch Mosis zeugt von einer sehr reichen
und beweglichen, orientalisch glühenden Phanta-
sie. Die Gestalten des Alten Testaments treten
hier lebendig anschaulich als echte semitische
Typen uns entgegen. Das mutet einen zunächst
fremd an, noch gesteigert durch das ausgespro-
chen Blumige, Parfümierte des farbigen We-
sens. Das Erzählerische beansprucht den Vor-
rang, aber auch kompositionelle Schilderung,
dann die psychologische Einzeldarstellung von
Personen kommt zu ihrem Recht. In der Auf-
fassung ist ein Grundunterschied zu unseren
europäischen Darstellungen gegeben. Was Pann
zeichnet, entspricht nicht bloß eigenen subjek-
tiven, künstlerischen Ideen von Noah, von Jakob:
wir müssen annehmen, daß sich in diesen Gestal-
ten eine allgemein-jüdische Vorstellung aus-
drückt. Die Charakteristik hat oft etwas Primi-
tives: so wenn in den Schilderungen von Sem,
Ham und Japhet die gegensätzlichen Typen auf
eine übertrieben scharfe Formel gebracht werden.
Die allgemeine künstlerische Höhe ist bei Pann
nicht sehr bedeutend. Die beste Leistung in der
Folge die Erzählung vom ägyptischen Joseph mit
geschlossener Einheitlichkeit der epischen Kraft.
Denkt man an die deutsche oder auch französi-
sche Bibel-Illustration, so ist sie ohne das (wenn
auch verschieden starke) Erlebnis des heiligen
Landes als Landschaft nicht zu denken.
Abel Pann hat anscheinend überhaupt keinen
Sinn dafür. Fast nirgendwo spürt man das, was
wir mit dem Ausdruck Naturgefühl bezeichnen.
Aber vielleicht ist gerade dieser Mangel (von uns
aus gesehen) etwas sehr Charakteristisches, viel-
leicht muß der jüdische Künstler den Schwer-
punkt auf die Schilderung der Personen als Trä-
ger des biblischen Geschehens verlagern.
Aus den ständigen Ausstellungen der Galerie
für christliche Kunst sei hier noch ver-
schiedenes angezeigt. Da beanspruchten Email-
arbeiten von Alois W ö r 1 e Interesse. Der Email-
technik, neuerdings wieder verschiedentlich be-
lebt, gehört mit ihrer besonderen Art ein guter
Platz in der kirchlichen Kleinkunst. Die Vor-
lagen zu den Wörleschen Arbeiten sind im ein-
zelnen künstlerisch ungleichwertig. Die dieser
Technik eigentümliche Mischung von zeichne-

risch-linearen und mosaikplastischen, flächigen
Möglichkeiten sind noch nicht klar genug erkannt
und herausgearbeitet. Reizvoll der Probebrand
für die Plaketten am Borromäusaltar der neuen
Kirche in Nürnberg-Mögeldorf. Eine große Ma-
donna im Rahmen ist im Brand sehr gut gekom-
men, dagegen in der Vorlage schwächlich, ähn-
lich wie ein Christus am Kreuz. Die kleineren
Arbeiten sind direkt aufgetragen, eine technische
Erschwerung, deren künstlerische Bewältigung
noch nicht so ganz gelungen ist. Das gibt sich
in einem gewissen formalen Zerfließen zu erken-
nen. An Plastik waren unter anderem Karl
K r o h e r , Paul S c h e u r 1 e vertreten; am wert-
vollsten die Reliefs von Hans Panzer. An
einer Bergpredigt und an der Pieta spürt man
die sichere ordnende Hand, den großzügigen
Schnitt, die religiöse Gefühlskraft eines Meisters.
Im Atelier Weckbecker hatte Landesbau-
rat B o ß 1 e t einige jüngere Arbeiten ausgestellt,
an denen seine geklärte künstlerische Eigenart
sich erwies. Boßlet spricht die architektonische
Sprache der Zeit, aber seine Formgestaltung ist
immer das Ergebnis reifer Einsicht. Nicht blo-
ßer Zweckbau, nicht bloße Freude am Konstruk-
tiven, nicht ein a priori, vorgefaßtes Formenideal.
An solchen Arbeiten läßt sich aufzeigen, wie
Stil entsteht, nicht durch krampfhafte überstei-
gerte Bemühungen, nicht durch bewußtes Experi-
mentieren, sondern durch unablässige Auseinan-
dersetzung mit den neuen Gegebenheiten in der
täglichen Praxis. Aus den verschiedenen Kon-
struktionsarten entwickelt sich die ihnen eigene
Form. Bei dem Entwurf für St. Joseph-Aschaf-
fenburg wird über das System des Holzgerippes
eine Haut aus Rabitz gespannt. Ein turmmäßig
gedrungener, fester Eindruck wird mit einer ge-
wöhnlichen Eisenbeton-Rahmen-Konstruktion bei
St. Hildegard in St. Ingbert erreicht. Das Pro-
blem einer „Industriekirche“ löst die Marien-
kirche in Ludwigshafen mit ihrem Dreigelenk-
bogen-System, kühn und geistvoll. Dabei ist der
Innenraum durchaus sakral und eigenartig ein-
dringlich. Beim Mariannhiller-Missions-Seminar,
das als neue Stadtkrone Würzburg überragt, steht
die Herz-Jesu-Kirche dominierend im Mittel-
punkt, die beiden verschieden hoch gelagerten
Trakte des weitläufigen Gebäudekomplexes ver-
bindend. Dem. Charakter einer Votiv- und Klo-
sterkirche entsprechend herrscht innen größte
mönchische Einfachheit (Eisenbeton-Rahmenbin-
der, eine sehr schöne Stufendecke, indirektes Be-
leuchtungssystem). Für den Hochaltar dieser
Kirche hat August Weckbecker eine monu-
mentale Herz-Jesu-Statue in Holz geschaffen.
Auch die Marmorfiguren und Tabernakel-Engel
stammen von seiner Hand. Mit den Arbeiten ist
Weckbecker in ein neues Stadium seiner künst-
lerischen Entwicklung getreten, seine künstle-
rische Individualität hat sich bedeutsam entwik-
kelt. Das schwierige Problem der Herz-Jesu-
Figur ist trotz der riesenhaften Ausmaße schlicht
und würdig gelöst. An dem von Boßlet entwor-
fenen Marienaltar haben die Bildhauerinnen
Goossens und B i e h 1 e r die volkstümlich
einfache Mariengruppe in kräftiger Holzplastik,
die Altarflügel mit den einzelnen Terrakotta-Re-
liefs geschaffen. Die weitere Innenausstattung
der Kirche, aus einem einheitlichen, aber nicht
schablonisierenden Gesamtgedanken heraus wird
noch viel Gutes schaffen.
Willi Schmid

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