Predigten an erfreute sich die Johannespredigt gewisser Beliebtheit. Von
Dürer selbst sind nicht — wie man beim ersten Anblick des Schweiggerreliefs
vermuten möchte — Darstellungen einer Johannespredigt oder Studien dazu
erhalten, nur das Ende des Täufers hat er in zwei Holzschnitten geschildert.
Dagegen findet sich die Predigt auf niederländischen Bildern der Zeit (Patinir,
Jan Swart). Bei dem letzteren fällt besonders die am linken Bildrand sitzende
Frau auf, die unserer Rückenfigur recht nahekommt. Zu erwähnen ist auch
der Cranacnholzschnitt (B. 60), wo der in ebenem Walde predigende Täufer
hinter einer gleichartigen provisorischen Asttribüne steht. Sicher haben solche
Kompositionen, wo dem Täufer gegenüber sitzende Frauen und als Rahmen-
figuren stehende Männer sich befinden, den Bildaufbau unseres Reliefs beein-
flußt. Wenn nun eine so Dürerische Gestalt wie unsere Rückenfigur mit dem
bäuchlings strampelnden Kinde auf dem Schoß nicht im Opus des Meisters
selbst begegnet, dafür deren Gürtelbehang (Messer, Schlüssel, Geldbeutel mit
rundem Knopfverschluß und drei Troddeln) genau so oder sehr ähnlich auf
fast einem Dutzend Holzschnitten, Stichen und Zeichnungen Dürers, dann ist
das nur so zu erklären, daß beim Anblick etwa von Dürers Wochenstube sich
dem Betrachter zwei so einprägsame Frauengestalten, wie die im Vordergrund
sitzenden, aufdrängten und verschmolzen, an dem Detail des Gürtelbehanges
aber sich die Schweiggersche Freude am kostümlichen „Stilleben“ entzündete.
Und wo hätte er dafür die Vorlagen besser vorgefunden als bei dem in diesem
Punkte ihm gleichgesinnten Dürer, dessen liebevolle Sorgfalt keinen noch so
unbedeutenden Gegenständ überging. Natürlich erklärt das nicht allein die
Vorliebe Schweiggers für Dürer: die lag im Zeitgeschmack begründet (vgl.
Leonhard Kerns Relief nach Dürers vier Frauen im hamburgischen Museum
für Kunst und Gewerbe). Wenn man daneben weiß, daß die großen Samm-
ler des 17. Jahrhunderts (Erzherzog Leopold Wilhelm, Lord Arundel) Dürer-
werke und selbst Kopien leidenschaftlich sammelten und Doppelmayrs Bemer-
kung über Schweigger dazu hält, „daß seine gantze Historien von kleinen halb-
runden Figuren an die Ausländer in hohen preiß verkauffet würden,“ dann
glaubt man den Beginn einer bis heute währenden Nürnberger Fremden-
industrie zu verspüren, über der Dürers Schatten drohend lag und im Verein
mit dem wirtschaftlichen Niedergang ein gut Teil schöpferische Regung in
dem Maße hemmte, in dem sie eine retrospektive Blickrichtung auf die „gute
alte Zeit“ (die des 16. Jahrhunderts) förderte1.
1 Man ist -- trotz Pazaurek, Hausmaler I, S. 90 — versucht, die Arbeiten eines un-
bekannten Hausmalers vom späten 17. Jahrh.: eine Schüssel bei Riesebieter und einen
Krug, allerdings mit Augsburger Silberfassung, in Hamburg, beide mit Kopien von
H. S. Behams Bauernpaaren, mit Nürnberg in Verbindung zu bringen, nicht allein
wegen dieser Motive aus Nürnbergs 16. Jahrh., als auch wegen des Stils der „Flatter-
bänder und großen naturalistischen Blumen“, die gerade Nürnberg von Schaper
(a. a. O., Taf.I) bis zum Meister M. S. hat.
89
Dürer selbst sind nicht — wie man beim ersten Anblick des Schweiggerreliefs
vermuten möchte — Darstellungen einer Johannespredigt oder Studien dazu
erhalten, nur das Ende des Täufers hat er in zwei Holzschnitten geschildert.
Dagegen findet sich die Predigt auf niederländischen Bildern der Zeit (Patinir,
Jan Swart). Bei dem letzteren fällt besonders die am linken Bildrand sitzende
Frau auf, die unserer Rückenfigur recht nahekommt. Zu erwähnen ist auch
der Cranacnholzschnitt (B. 60), wo der in ebenem Walde predigende Täufer
hinter einer gleichartigen provisorischen Asttribüne steht. Sicher haben solche
Kompositionen, wo dem Täufer gegenüber sitzende Frauen und als Rahmen-
figuren stehende Männer sich befinden, den Bildaufbau unseres Reliefs beein-
flußt. Wenn nun eine so Dürerische Gestalt wie unsere Rückenfigur mit dem
bäuchlings strampelnden Kinde auf dem Schoß nicht im Opus des Meisters
selbst begegnet, dafür deren Gürtelbehang (Messer, Schlüssel, Geldbeutel mit
rundem Knopfverschluß und drei Troddeln) genau so oder sehr ähnlich auf
fast einem Dutzend Holzschnitten, Stichen und Zeichnungen Dürers, dann ist
das nur so zu erklären, daß beim Anblick etwa von Dürers Wochenstube sich
dem Betrachter zwei so einprägsame Frauengestalten, wie die im Vordergrund
sitzenden, aufdrängten und verschmolzen, an dem Detail des Gürtelbehanges
aber sich die Schweiggersche Freude am kostümlichen „Stilleben“ entzündete.
Und wo hätte er dafür die Vorlagen besser vorgefunden als bei dem in diesem
Punkte ihm gleichgesinnten Dürer, dessen liebevolle Sorgfalt keinen noch so
unbedeutenden Gegenständ überging. Natürlich erklärt das nicht allein die
Vorliebe Schweiggers für Dürer: die lag im Zeitgeschmack begründet (vgl.
Leonhard Kerns Relief nach Dürers vier Frauen im hamburgischen Museum
für Kunst und Gewerbe). Wenn man daneben weiß, daß die großen Samm-
ler des 17. Jahrhunderts (Erzherzog Leopold Wilhelm, Lord Arundel) Dürer-
werke und selbst Kopien leidenschaftlich sammelten und Doppelmayrs Bemer-
kung über Schweigger dazu hält, „daß seine gantze Historien von kleinen halb-
runden Figuren an die Ausländer in hohen preiß verkauffet würden,“ dann
glaubt man den Beginn einer bis heute währenden Nürnberger Fremden-
industrie zu verspüren, über der Dürers Schatten drohend lag und im Verein
mit dem wirtschaftlichen Niedergang ein gut Teil schöpferische Regung in
dem Maße hemmte, in dem sie eine retrospektive Blickrichtung auf die „gute
alte Zeit“ (die des 16. Jahrhunderts) förderte1.
1 Man ist -- trotz Pazaurek, Hausmaler I, S. 90 — versucht, die Arbeiten eines un-
bekannten Hausmalers vom späten 17. Jahrh.: eine Schüssel bei Riesebieter und einen
Krug, allerdings mit Augsburger Silberfassung, in Hamburg, beide mit Kopien von
H. S. Behams Bauernpaaren, mit Nürnberg in Verbindung zu bringen, nicht allein
wegen dieser Motive aus Nürnbergs 16. Jahrh., als auch wegen des Stils der „Flatter-
bänder und großen naturalistischen Blumen“, die gerade Nürnberg von Schaper
(a. a. O., Taf.I) bis zum Meister M. S. hat.
89