Über eine unbekannte Frankfurter
Fayence mit Signatur
Von E. W. BRAUN-Troppau j Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel
DAS Victoria and Albert Museum zu London erwarb im Vorjahre durch Schenkung
eine deutsche Fayenceschüssel aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, die durch ihre
merkwürdige, vorläufig noch undeutbare Signatur auf der Rückseite das Interesse der
Fachleute beanspruchen darf (Abb. 1). Die der Reproduktion zugrunde liegende Photo-
graphie und eine Beschreibung verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Mr. Bernard
Rackham, dem Keeper der Keramischen Abteilung des obengenannten Museums. Es ist
eine der aus dem Delfter Formenvorrat übernommenen typischen Schüsseln mit neun-
fach gebuckeltem Rande, auf deren Buckelfeldern zwei Darstellungen wiederkehren,
einmal ein sitzender Chinese in landschaftlicher Umgebung und dann eine Spiral-
ranke mit Blumen auf getupftem Grunde, und zwar tragen fünf der Felder den
Chinesen, während vier derselben mit der Spiralranke geziert sind. Beide Typen
alternieren miteinander, nur in einem Falle, unten, stehen zwei figurale Felder neben-
einander. Es ist noch zu bemerken, daß die Chinesenfiguren nicht radial orientiert
sind, wie so häufig bei chinesischem Porzellan und Delfter Fayencen, sondern sie
sitzen alle in derselben horizontalen Richtung. Die farbige Bemalung ist in zwei
Schattierungen von etwas trübem Schieferblau und mit dunkelmanganfarbener Zeich-
nung ausgeführt. Als Entstehungsort der Schüssel kann nur eine der beiden lokal und
stilistisch so nahe verwandten Fabriken zu Hanau und zu Frankfurt a. M. in Betracht
kommen, deren Erzeugnisse, besonders die mit figuralen Chinoiserien, nicht immer
ganz sicher auseinandergehalten werden können. Ich halte die Londoner Schüssel
für eine Frankfurter Arbeit, doch hat soeben Robert Schmidt in seinem musterhaften
Katalog der Ausstellung deutscher Fayencen im Frankfurter Kunstgewerbemuseum
unter Nr. 280 eine Schüssel von der gleichen Form und mit sehr verwandtem Rand-
dekor der Hanauer Fabrik zugewiesen.
Auch die Signatur (Abb. 2) schafft keine Klarheit, sondern bietet ein neues Problem,
sie ist auf der Rückseite aufgemalt, und zwar in einem merkwürdig archaischen sorg-
fältig kalligraphischem Ductus. Die von Zeh1 und Jung2 mitgeteilten Hanauer und
Frankfurter Malerlisten kennen, wenn wir zunächst in den beiden Namen Künstler-
signaturen erblicken wollen, weder einen Altdorf (er) noch einen Amb(rosius) (?) oder
Amb(erger) (?). Und wie mir Herr Dr. K. Zülch freundlichst mitteilte, hat er weder in
den Frankfurter Bürgerlisten von 1650—1730 noch in dem Steuer-, Toten-, Geburts-
und Trauungenregister den Namen Amb. Altdorf noch den Familiennamen Ambrosius
gefunden.
Von einer Fayencefabrik zu Altdorf oder Amberg ist aber in dieser Zeit, dem Ende
des 17. Jahrhunderts, nirgends die Rede, bzw. wir haben keinerlei archivalische oder
sonstige Handhaben dafür. Trotzdem die Signatur keine Auflösung findet, habe ich
nicht gezögert, das merkwürdige Stück hier zu veröffentlichen, um es zur Diskussion
zu stellen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Entdeckung von Robert Schmidt, der in
dem obengenannten Katalog unter Nr. 319 eine Schüssel mit chinesischem Blaudekor
aus dem Jahre 1663 veröffentlicht, die wohl der kleinen von 1662—1666 bestandenen
Fayencefabrik zu Heusenstamm, einer Vorläuferin der Manufaktur zu Frankfurt, zuzu-
schreiben ist. Vielleicht findet sich der Amb. Amberg in Heusenstamm. Hoffentlich wird
die von Direktor Dr. Müller in Frankfurt a. M. seit langem vorbereitete zusammen-
fassende Arbeit über die Frankfurter Fayencemanufaktur auch hier volle Klarheit
bringen.
1 Dr. Ernst Zeh, Hanauer Fayencen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Keramik.
Marburg i. H. 1913.
a Stadtarchivar Dr. R. Jung, Die Frankfurter Fayencefabrik im Porzellan-Hof. Archiv für Frank-
furter Geschichte und Kunst. III. Folge. Bd. VII. 1901.
IOI
Fayence mit Signatur
Von E. W. BRAUN-Troppau j Mit zwei Abbildungen auf einer Tafel
DAS Victoria and Albert Museum zu London erwarb im Vorjahre durch Schenkung
eine deutsche Fayenceschüssel aus dem Ende des 17. Jahrhunderts, die durch ihre
merkwürdige, vorläufig noch undeutbare Signatur auf der Rückseite das Interesse der
Fachleute beanspruchen darf (Abb. 1). Die der Reproduktion zugrunde liegende Photo-
graphie und eine Beschreibung verdanke ich der Liebenswürdigkeit von Mr. Bernard
Rackham, dem Keeper der Keramischen Abteilung des obengenannten Museums. Es ist
eine der aus dem Delfter Formenvorrat übernommenen typischen Schüsseln mit neun-
fach gebuckeltem Rande, auf deren Buckelfeldern zwei Darstellungen wiederkehren,
einmal ein sitzender Chinese in landschaftlicher Umgebung und dann eine Spiral-
ranke mit Blumen auf getupftem Grunde, und zwar tragen fünf der Felder den
Chinesen, während vier derselben mit der Spiralranke geziert sind. Beide Typen
alternieren miteinander, nur in einem Falle, unten, stehen zwei figurale Felder neben-
einander. Es ist noch zu bemerken, daß die Chinesenfiguren nicht radial orientiert
sind, wie so häufig bei chinesischem Porzellan und Delfter Fayencen, sondern sie
sitzen alle in derselben horizontalen Richtung. Die farbige Bemalung ist in zwei
Schattierungen von etwas trübem Schieferblau und mit dunkelmanganfarbener Zeich-
nung ausgeführt. Als Entstehungsort der Schüssel kann nur eine der beiden lokal und
stilistisch so nahe verwandten Fabriken zu Hanau und zu Frankfurt a. M. in Betracht
kommen, deren Erzeugnisse, besonders die mit figuralen Chinoiserien, nicht immer
ganz sicher auseinandergehalten werden können. Ich halte die Londoner Schüssel
für eine Frankfurter Arbeit, doch hat soeben Robert Schmidt in seinem musterhaften
Katalog der Ausstellung deutscher Fayencen im Frankfurter Kunstgewerbemuseum
unter Nr. 280 eine Schüssel von der gleichen Form und mit sehr verwandtem Rand-
dekor der Hanauer Fabrik zugewiesen.
Auch die Signatur (Abb. 2) schafft keine Klarheit, sondern bietet ein neues Problem,
sie ist auf der Rückseite aufgemalt, und zwar in einem merkwürdig archaischen sorg-
fältig kalligraphischem Ductus. Die von Zeh1 und Jung2 mitgeteilten Hanauer und
Frankfurter Malerlisten kennen, wenn wir zunächst in den beiden Namen Künstler-
signaturen erblicken wollen, weder einen Altdorf (er) noch einen Amb(rosius) (?) oder
Amb(erger) (?). Und wie mir Herr Dr. K. Zülch freundlichst mitteilte, hat er weder in
den Frankfurter Bürgerlisten von 1650—1730 noch in dem Steuer-, Toten-, Geburts-
und Trauungenregister den Namen Amb. Altdorf noch den Familiennamen Ambrosius
gefunden.
Von einer Fayencefabrik zu Altdorf oder Amberg ist aber in dieser Zeit, dem Ende
des 17. Jahrhunderts, nirgends die Rede, bzw. wir haben keinerlei archivalische oder
sonstige Handhaben dafür. Trotzdem die Signatur keine Auflösung findet, habe ich
nicht gezögert, das merkwürdige Stück hier zu veröffentlichen, um es zur Diskussion
zu stellen. Eine weitere Möglichkeit bietet die Entdeckung von Robert Schmidt, der in
dem obengenannten Katalog unter Nr. 319 eine Schüssel mit chinesischem Blaudekor
aus dem Jahre 1663 veröffentlicht, die wohl der kleinen von 1662—1666 bestandenen
Fayencefabrik zu Heusenstamm, einer Vorläuferin der Manufaktur zu Frankfurt, zuzu-
schreiben ist. Vielleicht findet sich der Amb. Amberg in Heusenstamm. Hoffentlich wird
die von Direktor Dr. Müller in Frankfurt a. M. seit langem vorbereitete zusammen-
fassende Arbeit über die Frankfurter Fayencemanufaktur auch hier volle Klarheit
bringen.
1 Dr. Ernst Zeh, Hanauer Fayencen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Keramik.
Marburg i. H. 1913.
a Stadtarchivar Dr. R. Jung, Die Frankfurter Fayencefabrik im Porzellan-Hof. Archiv für Frank-
furter Geschichte und Kunst. III. Folge. Bd. VII. 1901.
IOI