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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 3
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0119

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sache, daß es trotz mannigfachen Bemühungen nicht gelungen ist, zwei Hauptwerke
des Künstlers nach Berlin zu bringen, die man bei allem Reichtum des zur Schau ge-
stellten schmerzlich vermißt, und das sind der „Florian Geyer“ im Besitz von Frau
Toelle in Barmen und der große Tapiauer Altar, der den Gipfel religiöser Malerei
in der ersten Epoche Corinths bedeutet. Daß es einer leidenschaftlichen Liebhaberin
Corinthscher Kunst nicht möglich war, sich von einem Bilde wie dem „Florian Geyer“
zu trennen, ist menschlich zu verstehen. Zu verurteilen dagegen ist die Kleinlichkeit
der Kirchenbehörde der Corinthschen Geburtstadt Tapiau, doppelt weil diese es bisher
nicht für wert erachtete, den Altar selbst in der Kirche aufzustellen, für die ihn Corinth.
im Jahre 1909 gemalt hat, sondern ihm bis heute nur in der Sakristei einen notdürftigen
Aufenthaltsort zugebilligt hat.
Das wäre, wenn es sich nicht um das selten genannte Tapiau handelte, das offenbar
noch nichts von der Bedeutung seines größten Sohnes weiß, ein öffentlicher Skandal,
während die Kreuzigung selbst, diese grandiose Schöpfung, die nur einen Vergleich mit
Grünewalds Kolmarer Altar gestattet, jetzt eine sichtbare und schmerzliche Lücke auf
der Gedächtnisausstellung der Nationalgalerie hinterläßt.
Aber ungeachtet dieser beiden Tatsachen bleibt der Gesamteindruck bestehen.
Corinth, der Tote, ist dem Grab entstiegen. Und dieser Tote wird leben in der deut-
schen Kunstgeschichte wie Holbein, Grünewald oder Rembrandt. Der Schatten dieses
Toten wird über die Welt gehen und in hundert Jahren werden die Völker die Wall-
fahrt antreten zu dem Werk des Einzigen, wie sie etwa im letzten Jahre zu Rembrandt
gepilgert sind, als in Amsterdam die große Rembrandt-Gedächtnisschau stattfand,
unter deren Bildern die Seele von Lovis Corinth zusammenbrach, dem Rembrandts
Licht die Totenfackel auf dem Weg in die Ewigkeit wurde. Biermann.

Ausstellungen
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Oskar Moll / Georg Latk / Ernst
Fritsch.
Das Kronprinzenpalais hat in Oskar
Moll einen Künstler zu Gaste geladen, dem
alles Aggressive der bahnbrechenden Per-
sönlichkeit fehlt, der weder das Ringen der
Zeit noch einen profunden Eigensinn an
dieser Stelle zu exemplifizieren geeignet ist.
Moll ist ein überaus feiner Musikant, ein
Maler von höchster Kultur der durchschei-
nend schwebsamen Farbe, ein Lyriker von
eigenem Reiz. Vielleicht bedürften seine
unproblematischen Qualitäten nicht der offi-
ziellen Verkündung, vielleicht sollte das er-
ziehungsmächtige Instrument der staatlichen
Gegenwartsausstellung doch den entschei-
denderen und schwierigeren Erscheinun-
gen der Moderne voi'behalten bleiben. Aber
der grundsätzliche Einwand behauptet sich
nicht leicht gegen das unmittelbar Be-
strickende dieser koloristisch wie rhyth-
misch zartbeschwingten Bilder, in denen
ein heller Frühtag akkordweich kost und
webt, luftig durchs geöffnete Fenster haucht
oder leuchtender und duftgesättigt im träu-
fenden Blattgewirr des Gartens spielt. Ein
heimlicher Fontänenfall scheint sich zu-
weilen in bunte Arpeggien zu lösen, manch-
mal ergibt es einen gläsern spröden, dann
wieder einen tanzfrohen, blumigen Klang.
Insbesondere die Stücke aus den beiden
letzten Jahren wirken frisch und kräftig in
der Empfindung; die gebrochenen Töne
sind sonnedurchsogenen, freudigen ge-

wichen, alles ist erfüllt von Tag und klarem
Schimmer. In der Schule Matisses hat Moll
sein Bestes gewonnen, aber überblickt man
jetzt sein ganzes Schaffen, so erweist sich
ein eigener Reichtum von Anbeginn, für
den die Formel einer Schulzugehörigkeit
zu enge ist. —
Georg Latk, den die Kunsthandlung
Heller vermittelt, wiederholt in wenig per-
sönlicher Weise jene bereits zur leidigen
Schablone gewordenen italienischen Land-
schaften, die Steinwürfel und ummauerte
Treppen vor einem Meeresprospekt terras-
senförmig anordnen. Man hat dergleichen
schon steriler, man hat es schon interessan-
ter gebaut, lebendiger gemalt gesehen.
Aquarelle, die etwa in das Innere eines fel-
sigen Waldes ein dringen, verfügen über
eine gewisse Annehmlichkeit des Tons,
laborieren aber mehr an Wirre, als daß sie
sie ausdrückten. Stark vereinfachte Antlitze
zeugen noch am günstigsten für Latk. Aber
das Ganze wirkt doch furchtbar langweilig
und überflüssig. Muß gemalt werden, um
hinter dem Vorstellungsleben und der visu-
ellen Erregung der meisten Zeitgenossen
zurückzubleiben ?
Auch bei Ernst Fritsch, der jetzt in der
Kunsthandlung Margulies kollektiv
untergekommen ist, bleibt die Tiefe und
Intensität der künstlerischen Sprache zu
vermissen, die allein über die Dürftigkeit
der thematischen Phantasie hinwegtäuschen
könnte. Fritsch gefällt sich in bewußten
Simplifizierungen, die der kindhaft-dichte-
rischen Einfalt eines Henri Rousseau ab-
geguckt sind; dort aber welcher Reichtum

Der Cicerone XVIII. Jahrg., Heft 3

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