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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 5
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0193

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Von Künstlern und Gelehrten

Florenz gibt, sondern zu allen Zeiten auch
recht reich geschmückte Interieurs vor-
handen waren, ja daß gerade die kahlsten
Wände durch das Behängen mit großen,
bunten, gewirkten Tapisserien erst wohn-
lich gemacht wurden, wie man auch jeder-
zeit gerne den nüchternen Fußboden mit
Teppichen belegte, die nicht lediglich der
Schalldämpfung, sondern vor allem unse-
rem Verlangen nach Farbenfreude Rech-
nung trugen. Gerade die Frau nimmt gerne
auch eine „Belastung der Hausarbeit“ in
Kauf, wenn sie weitgehende Nüchternheit
vermeiden kann. Und etwas von sentimen-
taler Rührsamkeit und Romantik steckt
schließlich in jedem Weibe, selbst in der
mondänen Dame, wenn sie sich auch über
die süßliche Trompeter von Säckingen-
Stimmung lustig macht. Gerade die ein-
seitige Überschätzung des schlicht Kon-
struktiven ist etwas für die weibliche Psy-
che wenig Verlockendes. Es ist daher frag-
lich, ob Bruno Taut mit seiner Werbeschrift
gerade bei unseren Damen großen Anhang
finden wird.
Der Kampf zwischen dem Konstruktiven
und dem Dekorativen ist uralt. Jedesmal,
wenn die Schmuckelemente nicht allzuviel
neue künstlerische Phantasie verrieten, ge-
lang es dem konstruktiven Gegenpol eine
Zeitlang Oberwasser zu bekommen. Und
trotzdem hat die Nüchternheit, wie uns ein
Blick in die Kunstgeschichte aller Zeiten
und Völker bestätigt, niemals den endgülti-
gen Sieg errungen. Auch in unserer Zeit ist
das starke Hervorkehren des rein tektoni-
schen Moments hauptsächlich dadurch zu
erklären, daß die spielerische Phantasie we-
nig hoffnungsvolle, selbständige Schmuck-
elemente hervorgebracht hat, die jenen der
historischen Stile ebenbürtig wären. Es wird
somit wohl noch eine Zeitlang dauern, ehe
der zur Blüte des neuen Kunststiles erfor-
derliche Ausgleich zwischen den beiden
Polen hergestellt ist. Bis dahin mag es
immerhin von Nutzen sein, wenigstens un-
brauchbare Elemente zu beseitigen, um
Raum für Hoffnungsvolles zu gewinnen.
Und für die Übergangszeit ist Bruno
Tauts neuestes Evangelium, wenn man sich
ihm auch nicht mit Haut und Haaren ver-
schreibt, immerhin eine anregende Lektüre,
selbst wenn es nur aus dem Grunde wäre,
um eine Diskussion über alle diese Fragen
herbeizuführen und damit sich überhaupt
mit der Kunst zu beschäftigen. Pazaurek.

Von Künstlern
und Gelehrten
Der bekannte Tiermaler Wilhelm Kuh-
nert ist kürzlich, 61 Jahre alt, an einer
Lungenentzündung gestorben. Ein Spezia-
list von starken zeichnerischen Qualitäten
ist damit der deutschen Kunst verlorenge-
gangen, der zugleich ein ausgezeichneter
Schriftsteller war, wie das im Verlag von
Klinkhardt & Biermann erschienene Werk:
„Im Lande meiner Modelle“ beweist,
das der afrikanischen Tierwelt in den Er-
lebnissen des Malers ein prachtvolles Denk-
mal setzt. Zahlreiche graphische Blätter er-
schienen im Laufe der Jahre bei Amsler
& Rüthardt in Berlin, und ein neues Tier-
buch kam erst kurz vor Weihnachten unter
•dem Titel „Meine Tiere“ im Verlag von
Reimar Hobbing, Berlin, heraus. Das-
selbe enthält sämtliche Radierungen des
Künstlers und außerdem ein Geleitwort von
Professor Heck. Die Einführung in das
Werk selbst schrieb Fritz Meyer, Schön-
brunn. Angesichts des viel zu frühen To-
des von Wilhelm Kuhnert erscheint ein
Hinweis auf dieses letzte Werk an dieser
Stelle wohl begründet.
An die Breslauer Akademie wurde als Zei-
chenlehrer ein Mann berufen, der sich von
seinen Kollegen wesentlich unterscheiden
dürfte. Seine Zeichnungen tragen einen
sehr ausgeprägten Charakter, der den Be-
trachter sofort aufmerken läßt: „Etwas Be-
sonderes!“ Sie verraten eine einsam auf sich
selbst gestellte Entwicklung. In der Tat ver-
hält es sich so: Paul Holz war Volksschul-
lehrer auf dem Lande in Pommern und zeich-
netedortBauern, Kühe, Schweine. Schon da-
mals steckt tierhafte Wildheit, klobige Kraft
in ihm. Gesteigert wurden sie, als er den
Weltkrieg erlebte und Dostojewski, der ihn
bis heute nicht losließ. Immer wieder stie-
ren uns des Dichters Gestalten an, und man
meint, sie könnten nicht stärker geschaut
und geboren werden. 1925 wurde Holz Zei-
chenlehrer in Breslau. Riezler hatte schon
1914, Cassirer 1919 seine Begabung gewür-
digt, der eine durch Ankauf einer Reihe von
Blättern für das Stettiner Museum, der an-
dere durch eine Kollektivausstellung seiner
Kunst. So blieb er nicht ganz unbekannt.
Aber infolge seines Eigenbrötlertums hat er
nicht den Namen, der ihm gebührt. Er wird
noch oft zu nennen sein. Hanna Gr.

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