machten in Übereinstimmung- mit der Gesellschaft vor Rousseaus Gemälden
den konventionellen Begriff der Qualität durch ihre öffentlichen Berichte zu
einer unheilvollen Realität und entschieden über den Maler als einen amüsan-
ten Dilettanten, sodaß keiner der Ausstellungsbesucher über die Verführung
zum Lachen eine Hinderung erfuhr. Es ist nicht anzunehmen, daß die Ge-
sellschaft in dem desolaten Zustand der letzten fünfzig Jahre sich jemals
der Tendenzen genau bewußt gewesen sei, die im Gegensatz zu der von ihr
geförderten, allenthalben heruntergekommenen Und verspielten Kunst die
Malerei eines Rousseau beherrschen. Auch heute noch wahrt die Gesellschaft
mit der ihr eigentümlichen Hartnäckigkeit den antiquierten Maßstab für
„gut“ und „schlecht“, den nur die Erfahrenen und Vorsichtigen gelegentlich
mit „interessant“ und „uninteressant“ modifizieren. Was der außerordentliche
Vorzug eines Bildes von Rousseau ist, die seltsame, magische Durchdringung
von Vorstellung und Darstellung, das wird sich unter der Menge kaum als
höchste Geltung durchsetzen. Es ist nicht vonnöten, daß sich diese Geltung
•unter denen durchsetzt, die unter dem Vorwand eines leidenschaftlichen
Interesses für die Kunst aus ihrer geistigen Inferiorität die alberne Abstrak-
tion eines „gesunden Maßstabes“ entwickeln, die Kunst vermag ohne diese
Anmaßungen zu leben und erzeugt immerfort aus sich heraus die einzig dauer-
haften Und entscheidenden Beziehungen zu ihren wahrhaften Freunden.
Wenn die Stunde kommt, wo vor dem besorgten Blick die Aussichtslosigkeit
jeder großen künstlerischen Bemühung verzweifelt klar erscheint, rettet das
Andenken an Henri Rousseau mit unverbrüchlicher Treue den Augenblick,
denn er bewahrte sich, im Rücken das ungeheuere Gewühl der verkommenen,
aber arrivierten Künstler, die einige und stille Kraft, er stiftete durch nichts
als seine ehrfürchtige Liebe allenthalben Freundschaft, vereinte die sich Ent-
fremdeten im gemeinsamen Gefühl der Bewunderung und Verehrung. Nichts
vermag diese Einigkeit zu stören und die Hoffnung zu unterdrücken, daß auf
diese Weise aller Feindlichkeit der Zeit zum Trotz das Gefühl der Gemein-
samkeit unaufhaltsam einen Zuwachs erfährt und eines Tages als bestimmend
aufzutreten vermag.
Es ist schon gesagt worden, wieviel auf jenen Glücksfall ankommt, daß
ein Künstler die Gewißheit einer Umwelt habe, die Beständigkeit vertrauter
Dinge, wovon die Phantasie sich nährt. Rousseau begab sich niemals aus
der ihm angewiesenen Umwelt eines Pariser Vorortes, er blieb in ihr, als
er sich an der Expedition nach Mexiko als Regimentsmusiker, am Festungs-
krieg gegen Deutschland im Jahre 1870 als Sergeant beteiligte, es gab nichts,
was ihn hätte veranlassen können, die Welt anders als ein Panorama rings
um sein Zimmer in der Rue Perrelle des Quartier Plaisance zu denken, als
eine geordnete, übersichtliche Landschaft, die alles bedeutete. Jeder Gegen-
stand bezog sich in seinen Augen auf den Mittelpunkt seiner Existenz, er
wurde nur durch diese Beziehung gleichermaßen existent und Teil der Welt.
Der Anblick tropischer Wälder hob ihn nicht aus sich heraus in ein Reich
des Übergroßen, wo er kaum noch hineinreichte, er sah sie ruhig an und als er
zurücktrat, war alles noch da, blieb bei ihm für alle Zeit und bedeutete ein
Stück von jener Welt, die in der Rue Perrelle bis zuletzt um ihn herumstand.
Diese Welt erschien ihm unfertig und ungenau, er meinte, er müsse sie in
Ordnung bringen, müsse alles Ungetane auf sich nehmen und pflegen, bis es
fertig war. Wenn Güte in seinen ersten Regungen gegenüber den Dingen der
Welt gewesen ist, verdankte er es der Erinnerung an die immer bereite
Freudigkeit jedes unscheinbaren Spielzeugs, alles das zu sein, was er erwartete.
Als er längst erwachsen war, fühlte er noch vor jedem Baum Und Strauch,
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den konventionellen Begriff der Qualität durch ihre öffentlichen Berichte zu
einer unheilvollen Realität und entschieden über den Maler als einen amüsan-
ten Dilettanten, sodaß keiner der Ausstellungsbesucher über die Verführung
zum Lachen eine Hinderung erfuhr. Es ist nicht anzunehmen, daß die Ge-
sellschaft in dem desolaten Zustand der letzten fünfzig Jahre sich jemals
der Tendenzen genau bewußt gewesen sei, die im Gegensatz zu der von ihr
geförderten, allenthalben heruntergekommenen Und verspielten Kunst die
Malerei eines Rousseau beherrschen. Auch heute noch wahrt die Gesellschaft
mit der ihr eigentümlichen Hartnäckigkeit den antiquierten Maßstab für
„gut“ und „schlecht“, den nur die Erfahrenen und Vorsichtigen gelegentlich
mit „interessant“ und „uninteressant“ modifizieren. Was der außerordentliche
Vorzug eines Bildes von Rousseau ist, die seltsame, magische Durchdringung
von Vorstellung und Darstellung, das wird sich unter der Menge kaum als
höchste Geltung durchsetzen. Es ist nicht vonnöten, daß sich diese Geltung
•unter denen durchsetzt, die unter dem Vorwand eines leidenschaftlichen
Interesses für die Kunst aus ihrer geistigen Inferiorität die alberne Abstrak-
tion eines „gesunden Maßstabes“ entwickeln, die Kunst vermag ohne diese
Anmaßungen zu leben und erzeugt immerfort aus sich heraus die einzig dauer-
haften Und entscheidenden Beziehungen zu ihren wahrhaften Freunden.
Wenn die Stunde kommt, wo vor dem besorgten Blick die Aussichtslosigkeit
jeder großen künstlerischen Bemühung verzweifelt klar erscheint, rettet das
Andenken an Henri Rousseau mit unverbrüchlicher Treue den Augenblick,
denn er bewahrte sich, im Rücken das ungeheuere Gewühl der verkommenen,
aber arrivierten Künstler, die einige und stille Kraft, er stiftete durch nichts
als seine ehrfürchtige Liebe allenthalben Freundschaft, vereinte die sich Ent-
fremdeten im gemeinsamen Gefühl der Bewunderung und Verehrung. Nichts
vermag diese Einigkeit zu stören und die Hoffnung zu unterdrücken, daß auf
diese Weise aller Feindlichkeit der Zeit zum Trotz das Gefühl der Gemein-
samkeit unaufhaltsam einen Zuwachs erfährt und eines Tages als bestimmend
aufzutreten vermag.
Es ist schon gesagt worden, wieviel auf jenen Glücksfall ankommt, daß
ein Künstler die Gewißheit einer Umwelt habe, die Beständigkeit vertrauter
Dinge, wovon die Phantasie sich nährt. Rousseau begab sich niemals aus
der ihm angewiesenen Umwelt eines Pariser Vorortes, er blieb in ihr, als
er sich an der Expedition nach Mexiko als Regimentsmusiker, am Festungs-
krieg gegen Deutschland im Jahre 1870 als Sergeant beteiligte, es gab nichts,
was ihn hätte veranlassen können, die Welt anders als ein Panorama rings
um sein Zimmer in der Rue Perrelle des Quartier Plaisance zu denken, als
eine geordnete, übersichtliche Landschaft, die alles bedeutete. Jeder Gegen-
stand bezog sich in seinen Augen auf den Mittelpunkt seiner Existenz, er
wurde nur durch diese Beziehung gleichermaßen existent und Teil der Welt.
Der Anblick tropischer Wälder hob ihn nicht aus sich heraus in ein Reich
des Übergroßen, wo er kaum noch hineinreichte, er sah sie ruhig an und als er
zurücktrat, war alles noch da, blieb bei ihm für alle Zeit und bedeutete ein
Stück von jener Welt, die in der Rue Perrelle bis zuletzt um ihn herumstand.
Diese Welt erschien ihm unfertig und ungenau, er meinte, er müsse sie in
Ordnung bringen, müsse alles Ungetane auf sich nehmen und pflegen, bis es
fertig war. Wenn Güte in seinen ersten Regungen gegenüber den Dingen der
Welt gewesen ist, verdankte er es der Erinnerung an die immer bereite
Freudigkeit jedes unscheinbaren Spielzeugs, alles das zu sein, was er erwartete.
Als er längst erwachsen war, fühlte er noch vor jedem Baum Und Strauch,
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