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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 7
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Poglayen-Neuwall, Stefan: Der Miniaturmaler G.D. Bossi
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0226

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das vor mehreren Jahren mit Bossis Gemäldesammlung (die eine Auswahl
seiner vorzüglichsten Miniaturen enthielt) bei Helbing (Min.-Sammlg. D.Bossi,
Nr. i) versteigert wurde. Damals ist der deutschen Öffentlichkeit zum ersten-
mal ein umfassender Einblick in das Werk des Künstlers gewährt worden.
Von 1794—1796 hält sich Bossi in Hamburg auf, wo er die vornehme Ge-
sellschaft porträtiert. In diesen Bildern, in denen er das in der Miniaturmalerei
so beliebte Detaillieren durch eine (auch in der Wiedergabe der Haare sich
äußernde) breite, impressionistische Malweise ersetzt, die sich in der Bevor-
zugung effektvoller Hell- und Dunkelkontraste mit den Italienern des Barocco
und den großen Engländern (Reynolds und Gainsborough) berührt, weist er
der Miniaturkunst einen ihr bisher unbekannten Weg (Abb. 2).
Die Entführung seiner Frau verleidet ihm in Hamburg das Bleiben. Über
Petersburg, wo er nur kurz verweilt, gelangt Bossi noch im gleichen Jahr
nach Stockholm. Auf Grund des Bildnisses des Historien- und Porträtmalers
C. F. v. Breda (1799)1 wird er in die Kgl. Kunstakademie aufgenommen, wie
er denn auch bei Hofe gern beschäftigt — so malt er beispielsweise die junge
Königin Friederike2 und 1808 ihren Sohn, den Prinzen Gustav Wasa3 —, den
Titel eines schwedischen Hofmalers erlangt. Seine realistisch-impressionisti-
sche Kunst, die erst in Schweden und Rußland voll zur Entfaltung gelangte,
hat, wie aus den Arbeiten Giuseppe Rotas, der J. E. Boiinder, J. A. Gillberg,
J. Leaute, M.V.Noreus, C.F.Viertel zu ersehen ist, die Entwicklung der
Miniaturmalerei in Skandinavien nachhaltig beeinflußt. Der Zeit des durch
mehrfache Ausiandreisen (nach Petersburg und Deutschland) unterbrochenen
Aufenthaltes in Stockholm entstammt auch das farbig fein abgestimmte Selbst-
bildnis von 1801 (Abb. 4; Min.-Sammlg. D.Bossi, Nr. 9) und ebenso der gleich-
falls aus der Sammlung Bossi herrührende Mädchenkopf in Silberstiftmanier
(Abb. 7; Min.-Sammlg. D.Bossi, Nr. 10): eine der schönsten und innigsten
der sehr sensiblen Bildniszeichnungen, die zeitlich mit dem Bild des kleinen
Gustav Wasa und der Miniature der Herzogin Anna Karoline von Braun-
schweig4 zusammengeht. Neben derartigen, mehr oder weniger impressio-
nistisch aufgefaßten Bildern malt Bossi auch weiterhin manches in der ur-
sprünglichen, schummrige, ineinander übergehende Farben bevorzugenden
Art, wie sie das Damenbildnis aus ehemals Mühsamschen Besitz5 und das
kurz vor dem Verlassen Schwedens, im Jahre 1812 entstandene „Bildnis eines
schwedischen Staatsmannes“ (Min.-Sammlg. D. Bossi, Nr. 12) kennzeichnet.
Von Stockholm, dem Bossi im Jahre 1812 endgültig den Rücken wendet,
begibt er sich zunächst nach Petersburg. Auch hier mit Aufträgen überhäuft,
zu deren reifsten Früchten der breit gemalte, ausdrucksvoll brutale Kopf
eines russischen Staatsmannes (Min.-Sammlg. D.Bossi, Nr. 12) gehört — wie
denn Bossi überhaupt ein Meister männlicher Charakterköpfe ist —, wird er
von Kaiser Alexander (Min.-Sammlg. D.Bossi, Nr. 13), den er gleichfalls por-
trätiert, zum russischen Hofmaler ernannt. Dennoch vertauscht er, wie aus
der Signatur der durch die gleichzeitige französische Malerei beeinflußten
Miniature der Herzogin von Dalberg hervorgeht, noch im selben Jahre Peters-
burg gegen Paris. Der wenngleich nur kurze Aufenthalt an der Seine ist für
den im Zeichen des Klassizismus größere, zeichnerisch-plastische Klarheit an-

1 Lemberger, »Die Bildnisminiatur in Skandinavien,“ Taf.35.
2 „L’Exposition de la miniature ä Bruxelles en 19x2“, Bruxelles-Paris 1913, Taf. XLV,
Nr. 200.
3 Lemberger, „Die Bildnisminiatur in Deutschland,“ Taf. LXIII, Nr. 309.
i Lemberger, a. a. O., Taf. LXIV, Nr. 308.
5 Auktionskatalog der Miniaturensammlung Mühsam, Wien 1925, Nr. 27.

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