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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 7
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Reimann, Bruno W.; Honigberger, Ernst [Gefeierte Pers.]: Ernst Honigberger
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0243

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Ernst Honigberger
Mit sechs Abbildungen auf drei Tafeln Von BRUNO W. REIMANN
ALS die bildende Kunst sich von impressionistischen Idealen abwandte und
ksich in die revolutionären Bahnen der vielerlei nachfolgenden „Ismen“
begab, glaubte man, diese neuen Wege könnten schließlich wieder einmal zu
einem grundlegenden Ziele führen: zu einem neuen Stil. Heute, wo man die
Entwicklung jener so ungestüm einsetzenden Kunstrevolution bereits bis zu
ihren letzten Konsequenzen übersieht, hat man erkannt, daß diese Hoffnung
auf unzulänglichen Voraussetzungen beruhte. Die Weltanschauungen heute
schaffender Künstler, vibrierende Nerven philosophierender Gestaltung, stehen
im unüberbrückbaren Zwiespalt mit dem gläubig-ergebenen Sichversenken in
einen stetigen Stilwillen. Die neuen, „expressionistischen“ Kunstrichtungen
haben lediglich zwei polare Gegensätze geschaffen: persönlichste, ekstatische
Ausdruckswillkür und objektivsten, konstruierten Formalismus — zwei Sack-!
gassen. So wird verständlich, daß sich die Gestaltungsprobleme der heute
wesentlich Schaffenden wieder von den so leidenschaftlich proklamierten
„Richtungen“ abwenden, um nicht mehr in einem äußerlichen Dogma, son-
dern in ihrer eigenen Brust Einkehr und Klärung zu finden. Die Schlagwörter
„neu“ und „modern“ verlieren berechtigt ihre suggestive Macht. Die künst-
lerische Seele, das eigentliche Gewissen des Malers, verleugnet menschliche
Sehnsucht nicht wieder vor dem Lärm der Märkte. Eine solche Läuterung
läßt manchen der Jungen und Jüngsten erst wahr und überzeugend in die
vordere Reihe der lebenden Kunst rücken.
Ernst Honigberger ist mit in diese Reihe getreten. Sein Weg führte durch
mancherlei Wandlungen; sein Ziel ist in wechselvollem Schaffen noch nicht
fest umgrenzt, doch sind die Ergebnisse seiner Arbeit aufrichtiger Beachtung
würdig.
Der Künstler wurde in Kronstadt geboren. Die aus dem siebenbürgisch-.
deutschen Dorfe Honigberg stammende Familie des Malers gab ihm in den
Eltern reichveranlagte und verstehende Förderer seiner Begabung. Der Vater,
ein höherer Beamter im ungarischen Staatsdienst, der erste „Studierte“ der
Honigberger Bauernfamilie, spielte mit leidenschaftlicher Liebe Cello und
Geige im musikalischen Chor seiner Kollegen und übernahm selbst den ersten
Musikunterricht seiner Kinder. Drei der Geschwister sind anerkannte Musiker
geworden und Ernst hat mit ihnen eine klingende Jugend in Quartetten von
Bach, Brahms und Schubert gelebt. Es ist ungemein bezeichnend für seine
ganze Kunst, daß er der Musik schon als Knabe eine besondere Neigung zu-*
Wandte. Er schwankte lange in dem Entschluß, Maler oder Musiker zu wer-
den, und wenn sein Schicksal ihn auch zum ersteren bestimmte, so kann er
heute doch wohl neben seiner Malerei seine Musik als Geiger bestehen
lassen.
Es war der unerhört reiche Charakter seiner Heimat Siebenbürgen, der ihn
die bildende Kunst als zwingendere Ausdrucksmöglichkeit für sein Talent er-
kennen ließ. Bestimmend für Form und Inhalt seiner Malerei wurden die Ele-
mente, die ihn mit dem Blut seiner deutschstämmigen und armenischen Vor-
fahren, mit den südlichen Farben, mit der kontrastreichen Gebirgslandschaft
seiner Heimat und mit seiner Musik eng verbanden. Eine natürliche Richtung
eigener Entwicklung war dem Künstler so durch seine Herkunft gegeben. Er
brachte zu seinem ersten Studienaufenthalt in Deutschland gute Grundlagen

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