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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 8
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Walcher von Molthein, Alfred: Die spätgotischen Schränke in den österreichischen Alpen: die Kunstschreiner Peter Stämpfer und Jörg Syrlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0267

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Nürnberg für die Wende des 15. Jahrhunderts angenommen und mit einem
Tischler namens Hans Stempel in Verbindung gebracht wird. Dieser Meister
Stempel (nach Dr. Christian Scherers Geschichte der Intarsia identisch mit
dem von J. Neudörfer 1547 erwähnten Hans Stengel) soll „auf welsche und
deutsche Art viel schöne Schreinerwerk gemacht und sonderlich mit derselben
welschen Art der erste gewesen sein“.
Dieses zeitliche Zusammentreffen zwei gleichklingender und möglicherweise
derselben Familie angehörender Namen wie „Stampfer“ und „Stempel“ auf
einem so eng begrenzten Handwerksgebiet, wie es damals die Kunstschreinerei
unter Verwendung von Intarsien in ihrem ersten Auftreten auf deutschem
Boden war, sei hier lediglich für weitere Forschungen festgelegt.
Aus Italien kam die Kunsttechnik des Holzmosaiks und der Intarsia. Die
alte Römerstraße, welche über Zollfeld (Virunum), Friesach (Beliandro) und
Murau (Immurio) nach Norden führte, berührte die Station Tamasica, das
spätere Tamsweg im Lungau. Über Tamsweg und auf der steilen Tauern-
straße führte der eine Weg, den italienische Kunsttechnik wählen mußte, sollte
sie das Handwerk im Süden Deutschlands, in erster Linie in der kunst-
liebenden geistlichen Metropole, in Salzburg, beeinflussen.
Wir können Tamsweg als die erste Heimat der Intarsiakunst auf
deutschem Boden bezeichnen, denn hier hat sie 1445 der Schreiner Peter
Stämpfer als Erster an einem bedeutenden Werk in Anwendung gebracht. Von
dort verpflanzt sich die Technik über das Pustertal auf die Höhe des Brenners
nach Sterzing und da hier noch eine weitere Vermittlungsstraße italienischer
Einflüsse aus dem Eisaktal mündet, wird Sterzing zu einer ausgesprochenen
Pflegestätte der Intarsiaschreinerei. Diesen Zustand trifft der Ulmer Jörg
Syrlin bereits an, als er Multscher bei der Ausführung des Sterzinger Altares
behilflich ist. Sieben Jahre darauf fertigt er für Gienger in Ulm den schönen
Schrein — ganz im Charakter der Sterzinger Schränke.
Der hervorragendste Schrank dieser Gruppe ist — wenn auch an die Stelle
der Rundfenster in runden Blattdolden ruhende Halbfiguren der Propheten
getreten sind — der Riesenschrein des Klosters Neustift bei Brixen, somit aus
der unmittelbaren Nähe von Sterzing. In Brixen arbeitete in den sechziger
Jahren des 15. Jahrhunderts Tischlermeister Linhart, der auch für die Pfarr-
kirche in Klausen 1464—1469 den Predigtstuhl fertigte. Für die Kirche Velt-
hurns (in der Nähe Brixens) lieferte Jörg von Varn 1514—1515 das Kirchen-
gestühl. Vielleicht ist einer dieser Schreiner einmal zum Neustifter Riesen-
schrank in Beziehung zu bringen. Von einem Meister Konrad auf der Muster
in Bozen wissen wir, daß er i486 für die dortige Marienpfarrkirche das Chor-
gestühl mit baldachinartiger Bekrönung und der Rückwand in Einlegearbeit
lieferte. Für den Neustifter Schrank wird aber vermutlich eine Sterzinger
Werkstatt in Betracht kommen.

C. H. 8

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