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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 8
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Freund, Frank E. Washburn: Die Detroiter Alte Meiser-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0269

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gehellt, ganz sicher und doch natürlich in der Form, ohne Pose, ohne bewuß-
tes „Altmeistertum“, köstlich und frisch, zeitlos beinahe, eine Quintessenz
dessen, was dieser große Könner und zugleich Erdenmensch zu erreichen
imstande war.
Wie anders ihm gegenüber das letzte Bild, das Gainsborough gemalt hat,
und das auch hier hängt: die zwei Kinder der Mrs. Goddard (aus dem Besitz
des Mr. Colin Agnew)! Hier ist alles, in den gebrochenen Farben und den
ätherisch gewordenen Formen, vergeistigt, schon überirdisch geworden, dieser
Welt entrückt. Wie eine Musik der Sphären klingt es leise und melancholisch
durch dieses Blid. Gainsborough hat niemals ganz festen Fuß auf dieser Erde
gefaßt. Seinen besten Porträts verleiht er eine spirituelle Qualität, und selbst
das genügt ihm nicht. Immer wieder möchte er aus der Gesellschaft der
Menschen in die Natur flüchten, wie sie sich ihm offenbart. Und wohl niemals
hat er eine wunderbarere Landschaft aus Liebe, Vision und Sehnsucht zu-
sammengestimmt und gemalt als die hier gezeigte mit der Brücke, die früher
dem englischen Botschafter d’Abernon in Berlin gehört hat. Erinnerungen an
den von ihm geliebten und hochverehrten Claude Lorrain sind wohl noch
wach, aber seltsam, wie eine Ahnung der höchsten Landschaftskunst, der
chinesischen, geht es, selbst im Aufbau, durch diese weite, weite Leinwand:
aus Andeutungen baut sich alles auf, aus leisen, von weit her getragenen
Schwingungen, aus atmenden Rhythmen.
Demgegenüber nun der vom klassizistischen Hauch angewehte, auf Form
und Festigkeit ausgehende Romney, dessen Farbe auch oft eine stark
leuchtende, volle, keine aus Halbtönen zusammengewobene ist; der Fanfaren-
stöße eines Rot liebt und kühne Gegensätze. Auch liebt er es, seine Figuren
als scharf umrissene Silhouetten vorzuführen. Sicherheit, Herrschaft, Ratio-
nalismus künden seine Bilder.
Dann kommt, in gewissem Sinne, der Abstieg. Hoppner ist zwar in seinen
besten Werken ein berückender Kolorist, der Blau und Weiß, oder Rosa und
Weiß zu einem köstlichen Bukett zusammenzustimmen vermag, aber er ist
fast nur noch „Geschmäckler“, sozusagen Hoflieferant für die Feinschmecker-
zunge der Vornehmen, und wie rapide es abwärts geht, ist einmal dieses
Stadium erreicht, dafür weist die Kunstgeschichte der Beispiele genug auf.
Lawrence ist solcher Feinheit gegenüber der robustere, und trotz man-
cher „Pose“ wirkt er oft genug plebejisch. Ihm kommt es auf den momentanen
Effekt an, und so verbindet er z. B. ganz unbekümmert Genre und sogenannten
großen Stil, malt lebensgroße Figuren in Riesenbildern in den zufälligsten und
doch „gestellt“ wirkenden Attitüden und füllt dann seine Leinwände mit un-
ruhig wirkendem Samt und allerhand anderem Gezeug aus. Das Aristokra-
tische, sich selbst Genügsame schwindet. Etwas vom Geist der „nouveaux
riches“ macht sich breit!
Da war Raeburn freilich ein ganz anderer Kerl! Aber auch er läßt die
Form fahren, und in einem dem Detroiter Institute gehörenden Männerporträt
z. B. nimmt er gar schon Whistlersche Ideen vorweg!
Am Anfang der Ausstellung steht ein grandioses Porträt des Earl of War-
wick von van Dyck, sozusagen als dem Paten dieser ganzen englischen
Schule, wie sie sich, durch den Zeitgeist bedingt, entwickelt hat. Daß im Auf-
stieg dieser Schule, in der Richtung Hogarth, gestützt auf andere Gesellschafts-
kreise, eine andere Tendenz zeitweilig zu Worte kam, die dann, in mancher
Beziehung vielleicht bedauerlicherweise, der anderen weichen mußte; daß
ferner gerade während der stolzen Höhe und des Abstieges, ganz abseits vom
Strome freilich, ein gewaltiger, damals allerdings völlig ungehörter Bilder-

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