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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 9
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Zülch, Walther Karl: Grünewalds Sohn
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0308

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erkannte Tatsache geworden, nachdem eine von mir an von mir bestimmtem Ort in
Mainzer Akten angeregte Nachschlagung (Cicerone 1924, Nov.-Heft, S. 1079) auch noch
den Schlußbeweis zutage förderte, daß von 1516 an ein Mathis Gothardt-Nithardt des
Kurfürsten von Mainz Hofmaler war, aber kein Grünewald, daß also Gothardt-Nithardt
der Grünewald ist. W. Rolfs nahm mir dann voreilig die Mühe ab, meine Forschungsr-
ergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zu übermitteln, in seinem Buche „Die Grüne-
waldlegende“. Noch in seinem Testament 1532 hebt der Seidensticker ausdrücklich
hervor, daß er Grünewalds Nachlaß für dessen unmündigen Sohn treu verwahre. Und
dann macht ihn die böse Zeit zum Verbrecher! Denn als 153g Andreas Nithardt, Grüne-
walds Adoptivsohn, mündig geworden, sein Erbe verlangt, weigert der Vormund die
Herausgabe und Abrechnung! Das Mündel Andreas Nithardt kannte natürlich die miß-
liche pekuniäre Lage seines Vormundes, hatte wohl auch ganz bestimmten Verdacht,
als er mit gutem Recht endlich die Herausgabe der Truhen, die im Hause zum Einhorn
in der Baxfüßergasse zu Frankfurt standen, forderte. Als Hans von Sarbrücken ablehnt,
geht Andreas Nithardt vor das Gericht. Eine klägliche Komödie, ein dreistes Spiel hebt
an. Mit der auf Vertrauen pochenden [Würde des angesehenen Zünftlers (seit 1487
Bürger) erklärt Hans von Sarbrücken vor den Schöffen: Gern sei er zur Rechnungs-
legung bereit, aber jede Verantwortung müsse er ablehnen, da der dreiste Junge ihm in
seiner Abwesenheit die Schlüssel entwendet habe und heimlich über die Laden ge-
gangen sei. Gott wisse, was er da bereits herausgenommen habe, denn er, der Vormund,
habe das Inventarium verloren! Der junge Gesell läßt sich aber nicht verblüffen wie
anfänglich die Schöffen, beweist, daß er in Gegenwart des Vormundes diesem die
Schlüssel abnahm, um endlich den Bestand seiner Truhen zu prüfen. Und das dem
Herrn Vormund abhanden gekommene Inventar — jenes amtlich auf genommene Schrift-
stück von 1528 —• zieht er hervor und zeigt Punkt für Punkt an, was der Vormund ver-
kauft, was er „unter die Juden“ versetzt hat! Dem entlarvten alten Sünder — Opfer
seiner arbeitslosen Zeit — gibt das Gericht Rechnungslegung innerhalb acht Tagen
auf. Er geht heim und stirbt. Regreßpflichtig für den Schaden sind dem betrogenen
Mündel die Söhne Hans von Sarbrückens, Ivo und Jörg, und deren Stiefmutter Kuni-
gunde als Erbnehmer. Sie erkennen die vom toten Vater begangene Unterschlagung an
und erklären sich zum Schadenersatz bereit. Damit schließen die Akten über Andreas
Nithardt, Mathis Nithardt seligen Malers Sohn. Ob er bei dem durch die Reformation
entwurzelten Bildhauertischler ein Künstler oder Schreiner wurde, steht nicht in den
Akten. In Frankfurt wurde er nicht ansässig. — Grünewalds Nachlaß — der gesamte,
denn auch seine Habe aus dem Sterbehaus in Halle hatte der Vormund 1530 „dem Kind
zugute!“ an sich gezogen — endet durch Betrug beim Trödler! Fast könnte man beim
Lesen der Akten von einem konformen Abschluß der Tragödie Grünewald sprechen,
diesem jähen Absterben und Verderben aus einer glühenden Farbenwelt, der eine um-
stürzende Gegenwart den Boden entzog. Mit dem Blick in diese neue Welt ■— die
Lutherschriften in seinem Besitz! — hatte Grünewald selbst sein Schicksal besiegelt,
sich selbst abgeschnitten von einer Lebensform, die ihm Altäre baute als Folie seiner
Kunst, ohne die ihm nur übrigblieb, als „Wasserkunstmacher“ im protestantischen
Halle zu sterben. (Die Urkunden befinden sich in den Frankfurter Gerichtsakten 153g
bis 1540.)


Holzschnitt aus dem Dialogus creaturarum. Antwerpen 1491
(J. Baer & Co., Frankfurt a. M. Kat. 725, Nr. 399)
 
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