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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 10
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Noack, Friedrich: Ponte-Molle und Cervaro
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0342

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gen, — Heft nur den Bajocc auf deinen Magen, — Und zog’ das ganze nor-
dische Meer — Mit allen Eidergänsen her, — Du läßt sie fliegen, kehrst
nimmermehr.“
Der große Geiger Oie Bull, der durch sein Spiel bei Vollmondschein im
Kolosseum die anwesende Künstlerwelt und das ganze diplomatische Korps
entzückt hatte, erhielt 1831 den Bajocco-Orden mit der Begründung:
„Der Himmel zählte man stets nur sieben, — Weil keine Kunst es höher
gebracht, — Doch war es dem Oie Bull geblieben, — Daß er zur Sieben gesellte
die Acht. — So zeigt’ er einst im Mondesglanz — Bei nächtlich stillem
Schauer — Geöffnet jenen Himmel ganz — in Nerlys Vogelbauer.“ — (Weil
Nerly seinen Sängerchor der deutschen Künstler unter seiner Leitung des
Nachts öfter im Kolosseum singen ließ, bis es von der Geistlichkeit verboten
wurde, heißt es sein Vogelbauer.)
Der schwäbische Baumeister Johann Michael Knapp erhielt 1833 dem
Brodneid der einheimischen Berufsgenossen zum Trotz den Auftrag, an der
Ecke des Corso und der Via delle Convertite ein Wohnhaus zu bauen. Die
deutsche Künstlerschaft ehrte ihren Landmann wegen dieses Erfolgs mit
dem Bajocco-Orden und Nerly dichtete dazu 1834:
„Weil du im stolzen Römerland — Den jetzigen Römern hast gezeigt, —
Wie man gen Himmel fügt die Wand, — Daß nimmermehr die Fuge weicht,—
Deshalb lohnt dich der General — Mit dem Bajocco allzumal. — Ein Denkmal
setztest du dem Norden — Trotz allen bösen Lästerzungen, — Drum sei dir
der Bajocco-Orden — Weil du sie hast durch Kunst bezwungen.“
Daß die Künstler jener Zeit auf den Besitz des Bajocco am blauen Bande
hohen Wert legten, wird nicht allein durch das Beispiel Thorwaldsens, son-
dern auch durch zwei Urkunden bezeugt, die sich unter den Akten der P.-M.
befinden. Es sind Bittschriften an die Ritterschaft, eingereicht von Genossen,
die das Unglück gehabt hatten, beim Cervarofest 1844 ihren Orden zu ver-
lieren, und nun demütig um abermalige Verleihung der Auszeichnung baten.
Der Russe Nikolaus Ramasanoff, der bei jenem Fest das Amt des
Ganymeds bekleidet hat, ließ sich in einer bunt ausgeschmückten Eingabe wie
folgt vernehmen: „Dieser Verlust gibt mir Tag und Nacht keine Ruhe und
nimmt mir die Kraft, zu trinken, darum lege ich zu den Füßen der Ritterschaft
meine untertänigste Bitte, mich mit dem Bajocco-Orden von neuem zu be-
gnadigen.“ Das gleiche Mißgeschick war dem jungen Maler Karl Linde-
mann-Frommel begegnet: er richtete eine mit künstlerischem Humor aus-
gestattete Bittschrift an die „Allerdurchlauchtigste, durchlauchtigste, Hoch-
geborene, Hochwohlgeborene, wohlgeborene Herren und hohe Ritterschaft“,
auf welcher der Präsident im Schmuck seiner Würden thronend und von der
Ritterschaft umgeben dargestellt ist, während der Bittsteller flehend im Staub
hingestreckt vor den Stufen des Thrones liegt. Der Text ist ein ergötzliches
Gemisch von schwülstigem Kanzleistil und hochtönenden Redensarten.
(Fortsetzung' folgt.)

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