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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 11
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Kippenberger, Albrecht: Der große Ofen der Veste Coburg und die gußeisernen Öfen der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0361

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Bilder fast ausschließlich ihre Gegenstände der Bibel entnehmen, eine monu-
mentale Form der Bilderbibel (Abb. 20)1.
Es gibt wohl noch eine Anzahl kleiner einfacher Öfen; von den erhaltenen
bedeutenderen wird das 16. Jahrhundert mit den von uns behandelten wohl
erschöpft sein. Nur zahlreiche Ofenplatten sind noch an vielen Orten übrig-
geblieben 2.
Philipp Soldan nennt sich auf manchen seiner Reliefs „Formenschnider“ so
wie die Meister des Holzschnitts, die die Entwürfe anderer auf den Holstock
übertrugen. In der Tat sind ja die Techniken des Holzschneiders und des
Künstlers der Modeln für den Guß miteinander verwandt. Beide arbeiten in
gleichem Stoffe (denn die Modeln wurden in Holz geschnitten), bei beiden
wird durch Aussparen das Bild erzeugt. Von der gemeinsamen Arbeit in Holz
rührt auch bei beiden die Neigung zur dekorativen Behandlung der Linie, zur
Steigerung über die Natur hinaus oder abseits der Natur ins Abstrakte3.
Aber auch dies verbindet die Eisenplatten mit den Holzschnitten und im
weiteren mit den graphischen Künsten überhaupt, daß sie vervielfältigt werden
konnten und so dem Schau- und Bildungsbedürfnis der Zeit dienten. Der
einzelne Mensch war bedeutsamer geworden, wollte selbst teilnehmen und sich
entscheiden, brauchte Kunstmittel, die die Verbreitung ermöglichten. Wie die
Gedanken des Einzelnen durch den Buchdruck mit beweglichen Lettern sich
die Welt erobern konnten, so erfanden die Bildner den Holzschnitt, den Kup-
ferstich und eben den Eisenguß. Die Ofen- und Kaminplatten — vielleicht in
einer Hütte in irgendeinem entlegenen Gebirge gegossen oder wie die Sol-
danschen in dem stillen Tal des Zisterzienserklosters Haina — nahmen ihren
Weg über viele Länder zu zahllosen Menschen, in Burgen und Schlösser, in
Bauern- und Bürgerhäuser, ja bis in Schifferhütten auf fernen Inseln. So sah
O. Johannsen4 zu Burg auf Fehmarn einen hessischen Ofen und erwähnt den
kleinen Ofen von 158g in der Halligstube des Germ. Museums in Nürnberg
als von einer Waldecker Hütte stammend. Im Rathaus zu Danzig finden sich
Platten des hessischen Ofens aus Grebenstein. Das Museum zu Hjörring in
Dänemark besitzt Soldansche Platten. Spendeten die Öfen Wärme, so gaben
sie gleichzeitig, wonach die Zeit dürstete: Geist und Form, wirklich und
sichtbar gemacht durch die Kunst. Sie waren mit den graphischen Blät-
tern die ersten Kunstwerke, die als Besitz in alle Schichten des Volkes mitten
in ihre Stuben kamen. Das volkstümliche Wesen, von dem wir eingangs spra-
chen, das das Eisen als Stoff schon dem Künstler eingibt, traf sich im 16. Jahr-
hundert mit den Bedürfnissen der Zeit, im besonderen des deutschen Volkes5.
ANMERKUNG. Die Abbildungen gehen auf Aufnahmen des Verfassers zurück, mit Aus-
nahme von: Abb. 7--9, Kupferstichkabinett, Berlin / Abb. n, National-Museum, München / Abb. 12,
Metzger, Überlingen / Abb. 17, Aufnahme aus Cassel: „Ofenplatten und Plattenöfen im Elsaß“,
Straßburg / Abb. 22, Chr. Müller, Nürnberg.

1 Es gibt Ofenplatten, die Abbilder einer Bibelseite zu sein scheinen, mit Schrift be-
deckt sind und nur eine den Text illustrierende Darstellung unten in der Ecke zeigen
(s. Platte im Burgmus. zu Altena i. W. mit der Geschichte vom verlorenen Sohn — im
Anschluß an Stiche von H. S. Beham — Abb. 29).
2 Im Gegensätze zu dem fügsamen Sohlenhofer Schiefer Loy Herings und Dauchers.
3 Die drei zueinander gehörenden Platten, die Jos. Fischer-Ferron auf S. 105 seines
Buches abbildet, können noch einen Begriff eines vorragenden Ofens geben. (S. Fischer-
Ferron: ,,Taques“-Luxemburg.)
4 O. Johannsen: „Gußeiserne Grabplatten des 16. Jahrhunderts“, Sonderdruck aus
„Stahl und Eisen“, Zeitschr. f. d. deutsche Hüttenwesen, Düsseldorf 1911.
5 Die nassauischen Länder, Westfalen, Hessen, Waldeck, die Eifel, Tirol, Luxem-
burg, vielleicht Holland kommen für den Eisenguß des frühen XVI. Jahrhunderts in
Betracht, nicht aber Frankreich.

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