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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 13
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Biermann, Georg: Schiders "Dame mit Goldfischen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0475

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Schiders „Dame mit Goldfischen“
Mit einer Tafel Von GEORG BIERMANN
AUF der Berliner Jahrhundertausstellung von 1906 hat Fritz Schider, der Freund
XX und Weggenosse Leibis gefehlt, wie unbegreiflicherweise etwa auch Fritz
v. Uhde. Die Entdeckung dieses vergessenen Meisters wäre gerade damals eine
Tat gewesen, die dann allerdings einige Jahre später dem Spürsinn eines Kunst-
händlers gedankt werden sollte. Denn Karl Haberstock wurde Schiders Wieder-
entdecker, des 1907 in Basel verstorbenen Zeichenlehrers ,an der dortigen Ge-
werbeschule, der 1846 in Salzburg geboren war und in den sechziger Jahren
bei Ramberg in München zusammen mit Sperl, Alt, Hirth und Leibi die Meister-
schule besucht hatte.
Mit einer nicht alltäglichen Begeisterung ist seinerzeit — wohl um igio her-
um— Haberstock dem Werk und der Persönlichkeit Schiders nachgegangen und es
ist ihm gelungen, zahlreiche Schöpfungen des Künstlers aus dem Dunkel des Ver-
gessens hervorzuholen und öffentlichen Sammlungen in Deutschland zu sichern
(Hannover und Düsseldorf). Haberstock, in solchen Momenten nicht nur vom
Instinkt des Händlers getrieben, hatte in dieser Zeit für den beinahe ebenso ver-
gessenen Schuch gearbeitet, sein Programm hieß damals „Leibi und sein Kreis“,
und so war er zufällig, angeregt durch das bekannte Museumsbild Schiders in
Basel, auch auf diesen fast völlig übersehenen Leibi-Freund gestoßen.
Schiders Entdeckung aber war bei diesem Suchen nach vergessenen Werten
der letzten deutschen Kunstgeschichte doppelt reizvoll, obwohl sein Werk dem
Umfang nach sehr klein ist, da der Künstler nach der Übersiedlung nach Basel
(wohl in den achtziger Jahren) überhaupt nicht mehr gemalt hat. Aber als
Zeichenlehrer und Verfasser eines plastisch-anatomischen Atlas muß er in hohem
Ansehen gestanden haben, so daß ihm die medizinische Fakultät der Basler
Universität sogar den Ehrendoktor verleihen konnte.
Innerhalb der kunstgeschichtlichen Entwicklung ist trotzdem Schiders Stellung
scharf genug markiert; denn er war — ähnlich Manet in Frankreich — einer
der entschiedensten Vorläufer des Impressionismus, der bei ihm auf der male-
rischen Grundlage einer an Leibi erinnernden Palette erwächst, und so sehr
motivisch vereinzelt seine Bilder auch noch der beliebten Genremalerei der sieb-
ziger Jahre Konzessionen machen, die malerische Handschrift hat immer etwas
durchaus Eigenes.
Es wäre wirklich an der Zeit, einmal dem ganzen feststellbaren Werk Schiders
zu einer einheitlichen öffentlichen Repräsentation zu verhelfen. Solche Ausstellung
würde keinen großen Rahmen erfordern, aber sie wäre eine verdienstliche Tat.
Vor allem aber sollten die Museumsleiter weiter auf ihn ihr Augenmerk richten.
Taucht einmal wieder ein unbekanntes Bild dieses Malers auf — wie das hier
veröffentlichte, das ein glänzendes Beispiel deutscher Malkultur aus den siebziger
Jahren ist — dann ist es Pflicht, solch ein Dokument bekanntzumachen und dem
bleibenden Bestand der deutschen Kunstgeschichte einzugliedern. Das Genre-
mäßige aber, das vielleicht dem Geschmack von heute weniger liegt, wird so
sehr durch die Qualität der Malerei in unserem Bewußtsein erdrückt, daß dieses
Bild sich im Letzten nur als reines Kunstwerk behauptet.

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