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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 14
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0517

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RUNDSCHAU

Sammlungen
BERLINER MUSEEN
Am 26. Juni wurde das Museum für
Völkerkunde durch den preußischen Mi-
nister für Kunst, Wissenschaft und Volks-
bildung Dr. Becker feierlich eröffnet. Das
Erdgeschoß des Museums enthält die Tur-
fan- und Gandharasammlungen, Japan, Ti-
bet, China und Indien, im ersten Stock-
werk sind die amerikanischen, im zweiten
die afrikanischen und australisch polyne-
sischen Sammlungen aufgestellt. Die Räume
sind in denkbar einfachster Art architekto-
nisch umgestaltet worden, ihre Wirkung
könnte durch einen anderen, als den ge-
wählten monoton graugrünen Anstrich
freundlicher werden.
Ein Völkerkundemuseum soll in seinen
Schausammlungen eine Darstellung von Er-
gebnissen der Völkerkunde sein. Dieser an
sich selbstverständliche Grundsatz ist im
neuen Berliner Museum zugunsten anderer
Gesichtspunkte aufgegeben worden. Für
sich betrachtet werden muß die Ausstellung
der Turf an- und Gandharafunde, die in
ihrer Vereinigung zum erstenmal einen
Überblick über diese einzigartige Samm-
lung ermöglichen. Diese Abteilung ist in
ihrer Geschlossenheit und dem Verzicht auf
Hinzutragen anderer, als unmittelbar durch
die Gegenstände bedingter Anordnungs-
prinzipien die sachlich beste Leistung in
dem neuen Museum.
Das übrige Erdgeschoß beherbergt kein
völkerkundliches, sondern ein religionsge-
schichtliches Museum auf archäologischer
Grundlage. In der ostasiatischen Abteilung,
die demnächst mit der ostasiatischen Kunst-
abteilung im Nebenhaus durch einen Zwi-
schenbau verbunden werden soll, hat man
versucht, durch Betonen des Kunstge-
schichtlich-archäologischen auch einen in-
neren Zusammenhang mit dieser Nachbar-
abteilung herzustellen. Man ist dabei ent-
schieden über die Grenzen des Annehm-
baren hinausgegangen, als man zur Ergän-
zung des Bestandes an Originalen täu-
schend ähnliche Kopien gleichwertig mit
diesen aufstellte. Die indische Abteilung
verzichtet, ebenso wie die ostasiatische,
vollkommen auf Ethnologisches und istrein
religionsgeschichtlich angeordnet.
Im ersten Stockwerk beginnt ein anderes
Museum. Hier kommt die eigentliche Völ-
kerkunde etwas mehr zum Wort. Man hat
stark und teilweise mit großem Geschick
konzentriert und vor allen Dingen die Kunst
der Primitiven zur Wirkung gebracht. Es
ist versucht worden, neben diesem Werten

der Dinge als Kunstwerke auch andere
Gesichtspunkte rein ethnologischer Art
durchzusetzen, Anstrengungen, die an der
unbedingten Herrschaft des Kunstprinzips
scheitern. So kann man die beiden oberen
Stockwerke wohl besser als ein Museum
der Kunst der Naturvölker bezeichnen,
denn diese wird gut und außerordentlich
eindringlich zur Schau gestellt; von Völ-
kerkunde bleiben einige schüchterne An-
sätze. Die bescheidenen Anfänge zur An-
thropologie und ähnlichen Dingen, die die
alte Sammlung aufwies, sind völlig ausge-
merzt. Damit steht man vor der Kardinal-
frage, ob es berechtigt ist, so ohne wei-
teres und radikal die Ethnographie zur
Kunstgeschichte oder Ästhetik umzustem-
peln. Zeitgemäß ist es sicher, und es ist
nicht zu bestreiten, daß das neue Museum
eine Tat in dieser Richtung ist. Wer aber
mit der Absicht, sich völkerkundlich zu be-
lehren, das Museum aufsucht, also z.B. der
Kunsthistoriker, der hier über Vorausset-
zungen der künstlerischen Kultur fremder
Völker etwas zu sehen hofft, kommt nicht
auf seine Rechnung. Es ist denn doch sehr
einseitig, zu glauben, daß das Interesse für
Völkerkunde als solche auf einen engen
Kreis von Fachgelehrten und Studierenden
beschränkt sei, dem die übrigen fünf Sechs-
tel der Bestände des Museums imDahlemer
Magazin zugänglich gemacht werden. Und
es ist wohl nicht anzunehmen, daß mit dem
neuen Museum eine gewaltsame Gleichung:
Kunst- und Religionsgeschichte = Völker-
kunde aufgestellt werden soll, durch die
nichts bewiesen wird und mit der nieman-
den gedient ist. Wir haben jetzt ein asiati-
sches religionsgeschichtliches Museum und
ein Museum primitiver Kunst, das Museum
für Völkerkunde ist für die Öffentlichkeit
verschwunden. * *
*
Die preußische Krongutsverwaltung hat
unter der Bezeichnung „die historischen
Räume“ eine Anzahl von Sälen und Zim-
mern des Berliner Schlosses zugänglich
gemacht. Gezeigt werden die Schlütertreppe,
die Erasmuskapelle, das Schlaf- undSchreib-
zimmer Friedrichs des Großen (von Nahl)
und dann die von Schinkel und Langhans
ausgebauten Räume des Südtraktes im Zu-
sammenhang mit der kaiserlichen Woh-
nung.
Abgesehen von der unmöglichen Tren-
nung der Schlütertreppe von der großen
Flucht der noch erhaltenen, historisch und
kunstgeschichtlich wirklich bedeutsamen
Festräume, erweist sich das Zurückverset-
zen der Schinkelräume in den alten Zustand

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