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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

DOI issue:
Heft 18
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Noack, Friedrich: Ponte-Molle und Cervaro, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0633

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Deutschen Verein auf dem vom Internationalen zu haltenden Fest repräsen-
tiere, und daß das Cervarofest auch künftig als ein deutsches angesehen wer-
den sollte. Doch trat auch die Anschauung hervor, daß von nun an der Inter-
nationale Verein das Fest zu leiten habe. Diese Auffassung drang im folgen-
den Jahre völlig durch, als in einer Generalversammlung am ig. März 1872
über eine abermalige Anfrage des Internationalen Vereins verhandelt wurde.
Dieser erklärte sich bereit, sich anzuschließen, wenn die Deutschen wie
früher die Führung übernehmen wollten. Der Präsident Maler Donner
war der Ansicht, die Leitung allgemeiner Künstlerfeste komme künftig dem
Internationalen Verein zu, und der Deutsche Verein müsse die Gelegenheit
ergreifen, sich von einer „lästigen Verpflichtung“ zu befreien. In der Erörte-
rung, die sehr lebhaft und langwierig war, wurde von einzelnen Nichtkünst-
lern nachdrücklich der deutsche Charakter des Cervarofestes betont, die
Mehrheit jedoch stimmte der Ansicht des Präsidenten Donner bei, und mit
22 gegen 2 Stimmen wurde ausdrücklich beschlossen, von nun an die Veran-
staltung solcher Feste ausschließlich dem Internationalen Verein zu über-
lassen und es den einzelnen Mitgliedern des Deutschen Vereins freizustellen,
ob sie sich beteiligen wollten oder nicht. Dieser feierliche Verzicht der
deutschen Künstler auf die Weiterführung der Cervarofeste hat seinem
dermaligen Präsidenten einen schweren Vorwurf in der Presse eingetragen.
Der Schriftsteller Gustav Flörke veröffentlichte in Paul Lindaus „Gegen-
wart“ einen scharfen Angriff gegen Donner, dem er vorwarf, ein ruhmvolles
vaterländisches Erbe verspielt und sich unfähig gezeigt zu haben zur Wah-
rung ehrenvoller deutscher Erinnerungen. Nach seinem Urteil seien die
Italiener nicht imstande, das Cervarofest in seiner Echtheit zu feiern, indem
sie durch Prunk ersetzten, was ihnen an Sinn und Witz fehlte; anstatt den
Hauptwert auf das eigene und eigenartige Vergnügen der Künstler unter sich
zu legen, machten sie daraus eine anspruchsvolle öffentliche Schaustellung,
der jedermann gegen Eintrittsgeld beiwohnen könnte. In der Kritik Flörkes
steckt viel Wahres, aber sein wohlgemeinter vaterländischer Eifer schoß doch
über das Ziel hinaus, wenn er den Verfall der Cervarofeste den damaligen
Leitern des Deutschen Künstlervereins zur Last legte; denn er übersah, daß
der Wandel der Zeiten, dem die Einzelnen ohnmächtig gegenüberstehen, den
deutschen Cervarofesten das Grab bereitet hat, wie er ein Vierteljahrhundert
vorher den Untergang des Bajoccoklubs und der P.-M.-Belustigungen herbei-
geführt hat. Der Internationale Künstlerverein hat seit 1872 nicht mehr regel-
mäßig, aber öfter Cervarofeste veranstaltet, die in der Tat etwas ganz anderes
waren, als die alten deutschen Feste, zu denen nach und nach die fremden
Kunstgenossen als Gäste und Teilnehmer zugelassen worden waren. Sie
wurden zu künstlichen Nachahmungen ohne selbständige Eigenart, prunk-
vollen Kostümfesten, deren Zweck oft vorwiegend in dem damit zu machen-
den Geldgeschäft bestand. Einzelne Male haben noch deutsche Künstler daran
teilgenommen, die letzten Versuche des Internationalen Vereins, das Fest zu
erneuern, ließen unsere Künstlerschaft völlig gleichgültig. Den Gipfel der
Entartung erreichten die Veranstaltungen des Internationalen Künstlervereins
unter dem Namen des Cervarofestes mit einem solchen während des Karne-
vals 1904 im Teatro Costanzi(!) zu Rom. Mit der eigenartigen Kulturerschei-
nung der romantischen Zeit, die dem deutschen Künstlerleben in der Ewigen
Stadt fast ein halbes Jahrhundert hindurch sein merkwürdiges humorvolles
Gepräge gegeben hat, haben die Cervarofeste des Internationalen Künstler-
vereins nichts gemein als den Namen.

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