Sammlungen
ausgeber keineswegs identifiziert, was hier
ausdrücklich zur Vermeidung von Mißver-
ständnissen festgestellt sei. Der Cicerone
wird demnächst in einem eigenen illustrier-
ten Beitrag einen Teil der Neuerwerbun-
gen seinen Lesern im Bilde vorführen.
FRANKFURT a. M.
NEUERWERBUNGEN UND UMGRUPP1E
RUNG IM STÄDELSCHEN KUNSTINSTITUT
Der Besitz der Galerie hat so wichtige Be-
reicherungen erfahren, besonders durch die
Erwerbung einer ausgewählten, modernen
Privatsammlung, daß eine neue Gruppie-
rung in den Sälen der jungen Kunst des
Neubaues stattfinden mußte.
Die Bilder Trübners wurden mit, anderen
Werken des Leibikreises in einem beson-
deren Saal vereinigt. Jetzt erhöhen sich die
Gemälde gegenseitig, da die feine Intensi-
tät nicht von robusteren Wirkungen ge-
schlagen wird.
In einem der beiden Impressionistensäle
hängt die neue Landschaft Kokoschkas
„Montecarlo“, die locker und schwer ist,
kühne Lösungen und schwache Stellen
zeigt. Außerdem wurde ein Frauenporträt
von Lepsius dem Museum geschenkt.
Neue Anregungen bringen vor allem die
Franzosen. Das wichtigste Werk ist ein
Gauguin (der erste des Städel) aus dem
Jahre 1902, das alle Reize der besten Tahiti-
bilder (gemalt auf den noch einsameren
Marquesasinseln), mystische Farbigkeit und
edle Umsponnenheit vonNaturund Mensch
offenbart. Ein früher Männerkopf von Ce-
zanne gibt Bestimmtheit der Form bei ma-
lerischster Auffassung. Von Rousseau sieht
man (als ebenfalls erstes Bild des Städel)
eine Allee in der undurchbrechlichen Ste-
reotypie ihrer Ordnung, naiv und eindrucks-
voll zusammengenommen, von Picasso ei-
nen monumentalen Kopf von einer raffi-
nierten und erfüllten Primitivität (auch in
den Farben von Gelbbraun und Cremerosa),
von Braque ein Stilleben von delikat orna-
mentaler Dekorativität. „Das Frühstück auf
der Veranda“ von Maurice Denis in ganz
lichtvollen, rosa Tönen wirkt mit seinen
liebevollen Details wie sommerhafte Erfül-
lung des Lebens. Auch der in Paris sehr
geschätzte, in Deutschland wenig bekannte
Roault ist durch einen weiblichen Akt aus
dem Jahre 1906 vertreten.
Munch vereinigt in seinem Frühbild „In
der Schenke“ aus dem Jahre 1890 maleri-
sche Farbigkeit mit einer sehr klaren Raum-
gliederung, Marc Chagall plakathafte Male-
rei mit reizvoll grotesker Bilderfassung.
Aus der Distanz, die man jetzt zu den
deutschen Expressionisten gewonnen hat,
darf man wohl sagen, daß die glühend sinn-
liche Entrücktheit von Blumen und Men-
schen in dem Garten von Nolde unvergäng-
lich sein wird, daß die Entwicklung von
Rohlfs von dem neu ausgestellten Früh-
werk „Ansicht einer Dorfstraße“ (aus dem
Jahre 1903) organisch bis zu der farbigen
Abstraktion des „Dom von Soest“ führt,
daß Heckeis Wirkung mehr aus der Emp-
findung und aus dem Naturgefühl als aus
rein visueller Intuition gewonnen ist. Die
ausgestellte Landschaft gehört zu den be-
sten Werken, die in ihrer Steigerung der
Wirklichkeit ins Abstrakte eine Art Sche-
ma für die jüngeren Expressionisten abge-
geben hat.
Ein Frühwerk von Marc aus dem Jahre
1909, ein Akt, zeigt diesen begabten, in den
früheren Bildern des Städel ins Metaphysi-
sche Geschrittenen, noch in inniger Natur-
nähe. Von Campendonk ist ein Bild vor-
handen, das märchenhaft vielgestaltig aus
dunklem Hintergrund blüht. Paula Moder-
sohn gibt wieder ihre Melodie dumpfer
Mütterlichkeit. Ein Bild von Fritz Pollack
in Horizontalreihung vollzieht in seiner
blanken Deutlichkeit eine dekorativ-artisti-
sche Umwandlung naiver Bilderlebnisse
(Rousseau). Das Werkchen wirkt wie die
Wiederauflebung von verblichenen öldruk-
ken in malerischer Gourmandise. Eine Frau
vor einem Toilettentisch (Aquarell) von
Georg Groß ist wie ein Gegenpol, vibrie-
rend von Leben.
Dieser neue Besitz des Städel gibt in sei-
ner künstlerischen Gewähltheit, gemeinsam
mit dem früheren, modernen Bestand einen
schönen Überblick über die Bewegung der
jungen Malerei.
Drei plastische Werke, stehende Frauen-
akte von Renoir, Maillol und Kolbe, sind
neu ausgestellt. Die üppige Frauengestalt
des Nichtplastikers Renoir wirkt in ihrem
cinquecentistischen Ausmaß wie eine
Frucht reifen Schöpfertums. (Bei Vollardin
Paris gibt es ähnliche plastische Werke Re-
noirs.)
Auch im alten Städel zeigt sich Regsam-
keit.
Die vier Altarflügel auf Goldgrund eines
mittelrheinischen Meisters um 1330 (aus
dem Kloster Altenberg an der Lahn) in dem
großen, altdeutschen Saal mit großgesehe-
nen, rhythmischen Gestalten sind schon
wegen ihrer frühen Datierung eine Berei-
cherung der Galerie. Eine Miniatur auf Per-
gament (um 1430 von einem Tiroler Meister)
ist köstlich in dem gotischen Zusammen-
klang von Engeln und Architektur, die wie
Früchte und Geäst desselben Stammes sind.
In die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts
743
ausgeber keineswegs identifiziert, was hier
ausdrücklich zur Vermeidung von Mißver-
ständnissen festgestellt sei. Der Cicerone
wird demnächst in einem eigenen illustrier-
ten Beitrag einen Teil der Neuerwerbun-
gen seinen Lesern im Bilde vorführen.
FRANKFURT a. M.
NEUERWERBUNGEN UND UMGRUPP1E
RUNG IM STÄDELSCHEN KUNSTINSTITUT
Der Besitz der Galerie hat so wichtige Be-
reicherungen erfahren, besonders durch die
Erwerbung einer ausgewählten, modernen
Privatsammlung, daß eine neue Gruppie-
rung in den Sälen der jungen Kunst des
Neubaues stattfinden mußte.
Die Bilder Trübners wurden mit, anderen
Werken des Leibikreises in einem beson-
deren Saal vereinigt. Jetzt erhöhen sich die
Gemälde gegenseitig, da die feine Intensi-
tät nicht von robusteren Wirkungen ge-
schlagen wird.
In einem der beiden Impressionistensäle
hängt die neue Landschaft Kokoschkas
„Montecarlo“, die locker und schwer ist,
kühne Lösungen und schwache Stellen
zeigt. Außerdem wurde ein Frauenporträt
von Lepsius dem Museum geschenkt.
Neue Anregungen bringen vor allem die
Franzosen. Das wichtigste Werk ist ein
Gauguin (der erste des Städel) aus dem
Jahre 1902, das alle Reize der besten Tahiti-
bilder (gemalt auf den noch einsameren
Marquesasinseln), mystische Farbigkeit und
edle Umsponnenheit vonNaturund Mensch
offenbart. Ein früher Männerkopf von Ce-
zanne gibt Bestimmtheit der Form bei ma-
lerischster Auffassung. Von Rousseau sieht
man (als ebenfalls erstes Bild des Städel)
eine Allee in der undurchbrechlichen Ste-
reotypie ihrer Ordnung, naiv und eindrucks-
voll zusammengenommen, von Picasso ei-
nen monumentalen Kopf von einer raffi-
nierten und erfüllten Primitivität (auch in
den Farben von Gelbbraun und Cremerosa),
von Braque ein Stilleben von delikat orna-
mentaler Dekorativität. „Das Frühstück auf
der Veranda“ von Maurice Denis in ganz
lichtvollen, rosa Tönen wirkt mit seinen
liebevollen Details wie sommerhafte Erfül-
lung des Lebens. Auch der in Paris sehr
geschätzte, in Deutschland wenig bekannte
Roault ist durch einen weiblichen Akt aus
dem Jahre 1906 vertreten.
Munch vereinigt in seinem Frühbild „In
der Schenke“ aus dem Jahre 1890 maleri-
sche Farbigkeit mit einer sehr klaren Raum-
gliederung, Marc Chagall plakathafte Male-
rei mit reizvoll grotesker Bilderfassung.
Aus der Distanz, die man jetzt zu den
deutschen Expressionisten gewonnen hat,
darf man wohl sagen, daß die glühend sinn-
liche Entrücktheit von Blumen und Men-
schen in dem Garten von Nolde unvergäng-
lich sein wird, daß die Entwicklung von
Rohlfs von dem neu ausgestellten Früh-
werk „Ansicht einer Dorfstraße“ (aus dem
Jahre 1903) organisch bis zu der farbigen
Abstraktion des „Dom von Soest“ führt,
daß Heckeis Wirkung mehr aus der Emp-
findung und aus dem Naturgefühl als aus
rein visueller Intuition gewonnen ist. Die
ausgestellte Landschaft gehört zu den be-
sten Werken, die in ihrer Steigerung der
Wirklichkeit ins Abstrakte eine Art Sche-
ma für die jüngeren Expressionisten abge-
geben hat.
Ein Frühwerk von Marc aus dem Jahre
1909, ein Akt, zeigt diesen begabten, in den
früheren Bildern des Städel ins Metaphysi-
sche Geschrittenen, noch in inniger Natur-
nähe. Von Campendonk ist ein Bild vor-
handen, das märchenhaft vielgestaltig aus
dunklem Hintergrund blüht. Paula Moder-
sohn gibt wieder ihre Melodie dumpfer
Mütterlichkeit. Ein Bild von Fritz Pollack
in Horizontalreihung vollzieht in seiner
blanken Deutlichkeit eine dekorativ-artisti-
sche Umwandlung naiver Bilderlebnisse
(Rousseau). Das Werkchen wirkt wie die
Wiederauflebung von verblichenen öldruk-
ken in malerischer Gourmandise. Eine Frau
vor einem Toilettentisch (Aquarell) von
Georg Groß ist wie ein Gegenpol, vibrie-
rend von Leben.
Dieser neue Besitz des Städel gibt in sei-
ner künstlerischen Gewähltheit, gemeinsam
mit dem früheren, modernen Bestand einen
schönen Überblick über die Bewegung der
jungen Malerei.
Drei plastische Werke, stehende Frauen-
akte von Renoir, Maillol und Kolbe, sind
neu ausgestellt. Die üppige Frauengestalt
des Nichtplastikers Renoir wirkt in ihrem
cinquecentistischen Ausmaß wie eine
Frucht reifen Schöpfertums. (Bei Vollardin
Paris gibt es ähnliche plastische Werke Re-
noirs.)
Auch im alten Städel zeigt sich Regsam-
keit.
Die vier Altarflügel auf Goldgrund eines
mittelrheinischen Meisters um 1330 (aus
dem Kloster Altenberg an der Lahn) in dem
großen, altdeutschen Saal mit großgesehe-
nen, rhythmischen Gestalten sind schon
wegen ihrer frühen Datierung eine Berei-
cherung der Galerie. Eine Miniatur auf Per-
gament (um 1430 von einem Tiroler Meister)
ist köstlich in dem gotischen Zusammen-
klang von Engeln und Architektur, die wie
Früchte und Geäst desselben Stammes sind.
In die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts
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