DOI Heft:
Heft 23
DOI Artikel:Hildebrandt, Hans: Viktoria Regener
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0802
heit auszuleben. Die Abstraktion Viktoria Regeners ist dynamisch bestimmt.
Die Künstlerin verläßt sich auf die Stärke des Gefühls und des Instinktes, der
sein eigenes Gesetz in sich trägt und nicht mit Willkür, mit Selbstpreisgabe
an den Zufall verwechselt werden darf. Die Vorstellung des Werkganzen, be-
dingt jeweils durch inneres Erleben, das sich in Farben und Formen umzu-
setzen strebt, ist freilich schon vor Beginn der Arbeit da: Entscheidet sie doch
bereits über Größe, Format, Wahl der farbigen Woll- oder Seidenfäden. Aber
das Werk „wird“ erst während des Webens, während des Stickens selbst.
Kein „Entwurf“ ist nötig. Um so vorgehen zu können, ist ständige innere
Spannung unerläßlich: Die Einbildungskraft darf keinen Augenblick erlahmen.
Dabei wirkt jedes fertige Teilstück als realer Faktor weitere Anregungen spen-
dend, ruft neue Einfälle auf, die doch wieder der vorgefaßten Gesamtvorstel-
lung sich fügen müssen. Darum wachsen die Schwierigkeiten mit dem Um-
fang des Werks erheblich.
Die Farbe ist bei Viktoria Regen er das primäre, die Form das sekundäre Ele-
ment. Beide aber entquillen dem Seelischen. So frei bewegt die farbigen
Formen sich regen, hier sich umschmeichelnd, dort sich bekämpfend, immer
doch nahe den Rändern sich beruhigend, so hat doch jedes Werk ein
„Thema“, um wieder an die Musik zu erinnern. Bei einem großen Wandtep-
pich in Wollweberei beherrscht der düstere Ernst der mächtigen Schwarzform,
dem mildernd sich hier und dort ein wenig tiefes Blau gesellt, den Aufbau,
begleitet von kontrastierenden Farben: Weiß, Gelb, Orange, mannigfachste
Grüns, ein wenig Karmin. Eine der kleinen schmalen Seidenstickereien wird
gleichsam von einem Blitz durchzuckt und ist auf Dunkelblau, Gelb, Orange,
seltenes Rot, sparsames Grün gestellt usw.
Die Stickereien, die leuchtendste Farbwirkungen erzielen, sind durchweg in
kleinstem Format gehalten. Aber sie erscheinen groß: Ein Beweis für die
leidenschaftliche Intensität des Geistigen, das in ihnen sich auslebt.
Richard Seewald.
Ochsen
Die Künstlerin verläßt sich auf die Stärke des Gefühls und des Instinktes, der
sein eigenes Gesetz in sich trägt und nicht mit Willkür, mit Selbstpreisgabe
an den Zufall verwechselt werden darf. Die Vorstellung des Werkganzen, be-
dingt jeweils durch inneres Erleben, das sich in Farben und Formen umzu-
setzen strebt, ist freilich schon vor Beginn der Arbeit da: Entscheidet sie doch
bereits über Größe, Format, Wahl der farbigen Woll- oder Seidenfäden. Aber
das Werk „wird“ erst während des Webens, während des Stickens selbst.
Kein „Entwurf“ ist nötig. Um so vorgehen zu können, ist ständige innere
Spannung unerläßlich: Die Einbildungskraft darf keinen Augenblick erlahmen.
Dabei wirkt jedes fertige Teilstück als realer Faktor weitere Anregungen spen-
dend, ruft neue Einfälle auf, die doch wieder der vorgefaßten Gesamtvorstel-
lung sich fügen müssen. Darum wachsen die Schwierigkeiten mit dem Um-
fang des Werks erheblich.
Die Farbe ist bei Viktoria Regen er das primäre, die Form das sekundäre Ele-
ment. Beide aber entquillen dem Seelischen. So frei bewegt die farbigen
Formen sich regen, hier sich umschmeichelnd, dort sich bekämpfend, immer
doch nahe den Rändern sich beruhigend, so hat doch jedes Werk ein
„Thema“, um wieder an die Musik zu erinnern. Bei einem großen Wandtep-
pich in Wollweberei beherrscht der düstere Ernst der mächtigen Schwarzform,
dem mildernd sich hier und dort ein wenig tiefes Blau gesellt, den Aufbau,
begleitet von kontrastierenden Farben: Weiß, Gelb, Orange, mannigfachste
Grüns, ein wenig Karmin. Eine der kleinen schmalen Seidenstickereien wird
gleichsam von einem Blitz durchzuckt und ist auf Dunkelblau, Gelb, Orange,
seltenes Rot, sparsames Grün gestellt usw.
Die Stickereien, die leuchtendste Farbwirkungen erzielen, sind durchweg in
kleinstem Format gehalten. Aber sie erscheinen groß: Ein Beweis für die
leidenschaftliche Intensität des Geistigen, das in ihnen sich auslebt.
Richard Seewald.
Ochsen