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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 23
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0809

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Entdeckungen und Funde

Wald“. Mit Übergehung der biblischen und
historischen Bilder kommen wir dann rasch
zu der letzten Phase des Meisters, die sich
bereits in dem Selbstbildnis von 1912 und
dem Kinderbildnis Wilhelminens von 1913
durch die tiefe seelische Durchdrungen-
heit, die sich von nun an bis ins Visionäre
steigert, ankündigt. ch.
ZÜRICH
Die dreiwöchentlichen Kunstausstellun-
gen, wie sie fast in der ganzen Schweiz
üblich sind, sind zwar demokratisch, in-
dem alle Produzenten reichlich zur Spra-
che kommen, aber sie verflachen dafür
auch den ganzen Kunstbetrieb in schlimm-
ster Weise. Es ist natürlich — und nicht
nur in einem eng umgrenzten Gebiet wie
die Schweiz — unmöglich, alle drei Wo-
chen eine intensive Schaustellung zu bie-
ten. Durch diesen fortwährenden Wechsel
leidet die Intensität des Ausstellungs-
betriebes, und außerdem wird der Dilettan-
tismus dadurch künstlich groß gezogen. Es
erscheinen immer wieder in aller Breite Bil-
der an den Wänden, bei denen man sich
vergeblich frägt, woher der Maler den Mut
nimmt, sie zu malen, und die Jury, sie aus-
zustellen, so sehr halten sie sich unterhalb
eines jeden Niveaus. Dazu kommt, daß die
Zeitungskritik in der Schweiz die Hände
gebundener hat als vielleicht in irgendeinem
anderen Land. Es besteht fast ein unge-
schriebenes Gesetz, daß sozusagen jedes
Bild seine Kritik haben müsse. Und seine
gute noch dazu. Durch dieses System, dem
sich hier kein Kritiker entziehen kann,
wird selbstverständlich dem Mittelmaß viel
zu viel Licht gegeben, die eigentlichen Grö-
ßen aber — und es gibt heute einen großen
Maler in der Schweiz — nivelliert. Dies
erklärt auch, warum im allgemeinen die
Rangordnung der Schweizer Maler außer-
halb der Grenzen festgesetzt wird.
Nach längerer Pause nimmt sich die
Galerie Neupert wieder eines richtigen
Malers an. Hermann Huber zeigt einen
Teil der Ergebnisse seines ersten Kilch-
berger Jahres. Die großfigurigen Gruppen-
bilder dieser Zeit sah man dieses Jahr in
Berlin und auf der Dresdner Internationa-
len. Stilistisch führen die bei Neupert aus-
gestellten Bilder die flaumig-differenzierte
Malweise der Klosters Zeit weiter. Irren
wir nicht, so steht Huber trotzdem am
Beginn einer wohltätigen Wandlung. Die
Renoirhafte Verflaumung scheint ihr Ende
erreicht zu haben. Die Farben wollen sich
wieder in festeren Gefäßen sammeln. Viel-
leicht gelingt es dem Maler, seinen unver-
gessen herben Anfang auf anderer Kurve

und bereichert durch Jahre malerischer Er-
fahrung wiederzufinden. Oiedion.
* *
*
In der Galerie Aktuaryus, welche ihre
Räume bedeutend erweitert hat, wird das
künstlerische Schaffen der Malerfamilie
Vautier gezeigt, die durch drei Generationen
bedeutende Talente aufweist. Gemälde von
B. Vautier (1829 bis 1898), dessen Sohn
Otto Vautier (1863 bis 1919) sowie des jetzt
in Genf lebenden Enkels, B. Vautier geben
ein außerordentlich interessantes Bild der
verschiedenen Auffassungen im Zeitraum
eines Jahrhunderts. Außerdem stellt die Ga-
lerie eine Anzahl Einzelwerke aus, unter
denen Liebermann, Thoma, Hagemeister,
Harpignies, Utrillo, Rosa Bonheur sowie
die Schweizer Anker, Buri, Froelicher, Stef-
fan hervorgehoben seien.
Entdeckungen
und Funde
DER GRÜNEWALD IN LINDEN-
HARDT
Schon 1897 befand sich der Flügelaltar
aus der Dorfkirche des kleinen fränkischen
Ortes Lindenhardt zur Restaurierung in
Nürnberg, wo er auch einige Zeit im Ger-
manischen Museum ausgestellt war. Aber
erst 1919 hat der Bayreuther Zeichenlehrer
Prof. Karl Sitzmann den Nachweis ver-
sucht, daß der Lindenhardter Altar eine Ar-
beit Grünewalds sein müsse und diese Ent-
deckung neuerdings in einer kleinen bei
Giesel in Bayreuth erscheinenden Schrift
überzeugend nochmals dargetan, so daß
Dörnhöffer und andere Kenner der Materie
heute an der Richtigkeit der Zuweisung
nicht mehr zweifeln. — Der Altar ist einer
alten Inschrift am Rahmen zufolge 1503 ent-
standen. In der Mitte stehen die holz-
geschnitzten Figuren der Himmelskönigin
mit dem Jesuskind auf dem Arm zwischen
dem Heiligen Vitus und dem Bischof Otto
von Bamberg, der die Dorfkirche gegründet
haben soll. Neben diesen vollrunden Figu-
ren zeigen die Flügel innen das Kaiserpaar
Heinrich und Kunigunde mit dem Modell
des Bamberger Doms, dann die Heiligen
Bartholomäus und Wolfgang, den Patron
der Holzfäller. Die Mutter Gottes gilt bei
den Katholiken der Gegend noch für wun-
dertätig.
Grünewalds Arbeit ist der Schmerzens-
mann, der auf der Rückseite des Schreins
gemalt ist, der am meisten beschädigte Teil
des Ganzen: auf grünem Rasen steht er vor
dem Kreuzesstamm, zwischen Lanze und
lodernder Fackel, dem Symbol der Hoff-
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