Aus der Sammlerwelt und vom Kunsthandel
Bücherfreunde werden sich für die Vente
vom 13. bis 15. Dezember bei Sotheby in-
teressieren, die u.a. folgende Schätze um-
faßt: Eine Baskerville Bibel, 1763, in einem
herrlichen Dubliner Einband; Moliere,
Oeuvre, 1773, in zeitgenössischem Marokko;
eine Sammlung von Elzevirs in alten Ma-
rokkoeinbänden; neun Miniaturen, die ein
Vandal aus Gowers „Confessio Amantis“
(heute in der Morgan Library) herausge-
schnitten hat; moderne Bücher, worunter
Dedikationsexemplare vonRossetti, Maeter-
linck, William Morris, Ruskin, Swinburne
und anderen. F. Bodmer.
MÜNCHEN
Am 16. und 17. Dezember findet bei Hugo
Helbing eine Versteigerung von Antiqui-
täten und alten Gemälden, vorwiegend aus
süddeutschem und ausländischem Privat-
besitz, statt. Unter den keramischen Arbei-
ten finden sich hübsche Figuren aus der
besten Zeit der Manufakturen Ludwigsburg,
Höchst und Frankenthal. Unter den Meiß-
ner Erzeugnissen sind die beiden Gegen-
stücke „Ungar und Ungarin in National-
tracht“, Modelle von Peter Reinecke um
1745, in vorzüglicher Erhaltung besonders
zu nennen. Neben den Arbeiten in Silber
und unedlen Metallen, Waffen und Bronzen
nimmt eine Sammlung von Taschenuhren,
Flakons, Dosen und Necessaires einen brei-
ten Raum ein. Miniaturen und prachtvolle
Farbstiche ergänzen dieses reizvolle Gebiet.
Ein flämischer Gobelin des 17. Jahrhunderts,
gute Orientteppiche, alte Möbel gelangen
am zweiten Tage zur Versteigerung. Unter
den Gemälden befinden sich Arbeiten von
Anwander, Francken, Duck, Loo, Romanelli,
Scarcella und Tischbein, neben dekorativen
Werken aus den deutschen, italienischen
und niederländichen Schulen. Zwei schöne
schwäbische Madonnen-Figuren gehören
dem Ende des 15. Jahrhunderts an, das 17.
und 18. Jahrhundert ist durch große reprä-
sentative Figuren wie durch reizvolle Sta-
tuetten und Reliefs zum Teil in alter Fas-
sung gut vertreten.
AUS DER SAMMLERWELT
UND VOM KUNSTHANDEL
LONDON
Das kürzlich von verschiedenen eng-
lischen Blättern verbreitete Gerücht, daß
die „Pierpont Morgan National
Library“ in New York zu einem Märchen-
preise mehrere illuminierte, metallgebun-
dene Manuskripte aus einer berühmten
englischen Privatbibliothek erworben habe,
ist in den letzten Tagen bestätigt worden.
Da so gebundene Handschriften außerhalb
des Britischen Museums in England
äußerst rar sind, konnte man kaum fehl
gehen, wenn man vermutete, daß sich die
Meldung auf die vier, oft beschriebenen
Manuskripte der großen Bibliothek zu Hol-
kam Hall, Norfolk, bezog. Zwei der Hand-
schriften sind „Evangelaria“ und in einem
kleinen „Führer“ zu den Schätzen dieser
Bibliothek als Nr. 15 und 16 bezeichnet.
Die eine, Nr. 16, wird durch silbervergolde-
tes Filigranwerk zusammengehalten, worin
Perlen und Edelsteine eingelegt sind. Im
Zentrum eines reich ornamentierten Man-
üorlarahmens befindet sich die Figur
Christi, dessen Rechte zum Segen aus-
gestreckt ist und dessen Linke die Evan-
gelien hält. Das andere Exemplar ist nicht
minder reich gebunden, aber statt einer
dominierenden Figur in Relief weist es im
oberen Teil den gekrönten und im unteren
den gekreuzigten Christus auf mit der
Jungfrau zur Rechten und Johannes zur
Linken. Beide Handschriften waren im
11. Jahrhundert von einem kunstfertigen
englischen Schreiber zu Winchester für
die Lady Judith geschrieben worden, die
Tochter Baldwins von Flandern. Als sich
die fromme Dame beim Einbruch der Nor-
mannen von Winchester nach Brügge
flüchtete, nahm sie die Manuskripte mit
sich und schenkte sie später bei ihrem
Tode der Abtei Weingarten in Schwaben.
Im Jahre 1806 bei der Plünderung des
Schlosses Fulda gelangten sie in den Be-
sitz des General Thiebauld. Schließlich
gingen sie in die Hände eines französi-
schen Händlers über, der sie nach Lon-
don brachte, wo sie 1818 von Thomas
William Coke, dem dritten Earl of Lei-
cester für seine berühmte Bibliothek er-
worben wurden. Thomas William Coke
war ein Freund von Gainsborough und
Lawrence und ein bekannter Bibliophile,
der zu seinen Lebzeiten die große, ihm
von seinen Vorfahren vermachte Bücher-
sammlung um nicht weniger als hundert
Raritäten vermehrte. Einer seiner Ahnen,
Edward Coke, Lord Chief Justice of Eng-
land (1552—1634) hat in seinem Testament
den, der seine Bibliothek verkaufen würde,
einen undankbaren Menschen gescholten.
Da die beiden erwähnten Handschriften
wie zwei, nun ebenfalls nach Amerika aus-
gewanderte, metallgebundene „Sacramen-
talia“ (13. Jahrh.) nicht von ihm selber er-
worben worden waren, kann die Trans-
aktion nicht unter seinen Tadel kommen.
F. Bodmer.
788
Bücherfreunde werden sich für die Vente
vom 13. bis 15. Dezember bei Sotheby in-
teressieren, die u.a. folgende Schätze um-
faßt: Eine Baskerville Bibel, 1763, in einem
herrlichen Dubliner Einband; Moliere,
Oeuvre, 1773, in zeitgenössischem Marokko;
eine Sammlung von Elzevirs in alten Ma-
rokkoeinbänden; neun Miniaturen, die ein
Vandal aus Gowers „Confessio Amantis“
(heute in der Morgan Library) herausge-
schnitten hat; moderne Bücher, worunter
Dedikationsexemplare vonRossetti, Maeter-
linck, William Morris, Ruskin, Swinburne
und anderen. F. Bodmer.
MÜNCHEN
Am 16. und 17. Dezember findet bei Hugo
Helbing eine Versteigerung von Antiqui-
täten und alten Gemälden, vorwiegend aus
süddeutschem und ausländischem Privat-
besitz, statt. Unter den keramischen Arbei-
ten finden sich hübsche Figuren aus der
besten Zeit der Manufakturen Ludwigsburg,
Höchst und Frankenthal. Unter den Meiß-
ner Erzeugnissen sind die beiden Gegen-
stücke „Ungar und Ungarin in National-
tracht“, Modelle von Peter Reinecke um
1745, in vorzüglicher Erhaltung besonders
zu nennen. Neben den Arbeiten in Silber
und unedlen Metallen, Waffen und Bronzen
nimmt eine Sammlung von Taschenuhren,
Flakons, Dosen und Necessaires einen brei-
ten Raum ein. Miniaturen und prachtvolle
Farbstiche ergänzen dieses reizvolle Gebiet.
Ein flämischer Gobelin des 17. Jahrhunderts,
gute Orientteppiche, alte Möbel gelangen
am zweiten Tage zur Versteigerung. Unter
den Gemälden befinden sich Arbeiten von
Anwander, Francken, Duck, Loo, Romanelli,
Scarcella und Tischbein, neben dekorativen
Werken aus den deutschen, italienischen
und niederländichen Schulen. Zwei schöne
schwäbische Madonnen-Figuren gehören
dem Ende des 15. Jahrhunderts an, das 17.
und 18. Jahrhundert ist durch große reprä-
sentative Figuren wie durch reizvolle Sta-
tuetten und Reliefs zum Teil in alter Fas-
sung gut vertreten.
AUS DER SAMMLERWELT
UND VOM KUNSTHANDEL
LONDON
Das kürzlich von verschiedenen eng-
lischen Blättern verbreitete Gerücht, daß
die „Pierpont Morgan National
Library“ in New York zu einem Märchen-
preise mehrere illuminierte, metallgebun-
dene Manuskripte aus einer berühmten
englischen Privatbibliothek erworben habe,
ist in den letzten Tagen bestätigt worden.
Da so gebundene Handschriften außerhalb
des Britischen Museums in England
äußerst rar sind, konnte man kaum fehl
gehen, wenn man vermutete, daß sich die
Meldung auf die vier, oft beschriebenen
Manuskripte der großen Bibliothek zu Hol-
kam Hall, Norfolk, bezog. Zwei der Hand-
schriften sind „Evangelaria“ und in einem
kleinen „Führer“ zu den Schätzen dieser
Bibliothek als Nr. 15 und 16 bezeichnet.
Die eine, Nr. 16, wird durch silbervergolde-
tes Filigranwerk zusammengehalten, worin
Perlen und Edelsteine eingelegt sind. Im
Zentrum eines reich ornamentierten Man-
üorlarahmens befindet sich die Figur
Christi, dessen Rechte zum Segen aus-
gestreckt ist und dessen Linke die Evan-
gelien hält. Das andere Exemplar ist nicht
minder reich gebunden, aber statt einer
dominierenden Figur in Relief weist es im
oberen Teil den gekrönten und im unteren
den gekreuzigten Christus auf mit der
Jungfrau zur Rechten und Johannes zur
Linken. Beide Handschriften waren im
11. Jahrhundert von einem kunstfertigen
englischen Schreiber zu Winchester für
die Lady Judith geschrieben worden, die
Tochter Baldwins von Flandern. Als sich
die fromme Dame beim Einbruch der Nor-
mannen von Winchester nach Brügge
flüchtete, nahm sie die Manuskripte mit
sich und schenkte sie später bei ihrem
Tode der Abtei Weingarten in Schwaben.
Im Jahre 1806 bei der Plünderung des
Schlosses Fulda gelangten sie in den Be-
sitz des General Thiebauld. Schließlich
gingen sie in die Hände eines französi-
schen Händlers über, der sie nach Lon-
don brachte, wo sie 1818 von Thomas
William Coke, dem dritten Earl of Lei-
cester für seine berühmte Bibliothek er-
worben wurden. Thomas William Coke
war ein Freund von Gainsborough und
Lawrence und ein bekannter Bibliophile,
der zu seinen Lebzeiten die große, ihm
von seinen Vorfahren vermachte Bücher-
sammlung um nicht weniger als hundert
Raritäten vermehrte. Einer seiner Ahnen,
Edward Coke, Lord Chief Justice of Eng-
land (1552—1634) hat in seinem Testament
den, der seine Bibliothek verkaufen würde,
einen undankbaren Menschen gescholten.
Da die beiden erwähnten Handschriften
wie zwei, nun ebenfalls nach Amerika aus-
gewanderte, metallgebundene „Sacramen-
talia“ (13. Jahrh.) nicht von ihm selber er-
worben worden waren, kann die Trans-
aktion nicht unter seinen Tadel kommen.
F. Bodmer.
788