herrliche „Aussicht auf Vetheuil“ von Mo-
net, die „Landschaft bei Pontoise“ von
Pissaro, die wie wenige Bilder dieses Mei-
sters seine noch gar nicht voll erkannte
Bedeutung für unsere Entwicklung dartut.
Von Manet das „Bildnis Frl. Michel-Levy“,
zwei feine Renoirs, ein Signac, ein kleiner
Rousseau. Von Lebenden: Derain mit drei
Bildern, von denen die „Landschaft“ das
beste ist, eine kleine „Landschaft“ Utril-
los, ein Othon Friesz, ein meisterliches
Bild Bonnards voll tiefer Malerei, ein kul-
tivierter Bracque, und zwei neueste Stücke
von dem hier immer in seiner ganzen Be-
deutung gewürdigten Picasso sind beson-
ders hervorzuheben. Die Plastik vertreten
der weiche Bourdelle und der feste Despiau,
dazu von Rodin eine Figur aus der Calais-
gruppe (eine Loslösung, die sich selbst ver-
urteilt). Sonst noch ein interessanter früher
Munch „Tanz am Ufer“ aus hiesigem Be-
sitz, aber auch sonst sinnvoll an dieser
Stelle, denn Munch hat eine Zeitlang bei
den Tschechen stark gewirkt. Als Archi-
tekt kommt Berlage zu Wort, zu dem sich
einige Ältere bekennen dürften.
Das Ganze also ein offenes Bekenntnis
zu den Vorbildern, für die Entwicklung der
Vereinigung aufschlußreich und darüber
hinaus interessant. Eine zweite Abteilung
zeigt die Toten der Vereinigung, von denen
sich Slavicek als Sonderimpressionist,
Preißler als vornehmer Dekorateur, Kotera
als Architekt und Stursa als Bildhauer ein-
drucksvoll halten, während manches andere
auf Pietätskonto geschrieben werden muß.
Die dritte Abteilung läßt die lebenden
Mitglieder sprechen. Da traf es sich gut,
daß just zu dieser Centenaire so manch
Neues sich zeigt. Das Frühjahr noch hätte
weit entmutigendere Auspizien eröffnet.
Dies Neue regt sich sowohl bei der Stamm-
garde — bei einem Filla z. B., dessen Rück-
finden zu seinem ureigensten Elan der ex-
pressiven Form durchaus als Fortschritt
über seinen wenn auch noch so diszipli-
nierten, so doch zweithändigen Kubismus
hinaus gewertet werden darf. Regt sich
auch in neuer Jugend, aus der vor allem
auf Jan Bauch aufmerksam gemacht sei,
dessen Malerei zumindest ein sehr flottes
eigenes Schauen verrät, das sich allerdings
noch in Expansionen zu legitimieren haben
wird vor dem Verdacht drohender Rou-
tine. Auch bei Spala Neues: aus dem nur,
lyrischen Dreiklang seines „Blau—Rosa—
Weiß“ heraus ein Zug zu gründigererFarbe,
der dann auch in der Form ein Struktive-
res, stärker Bauendes entspricht. (Seine
Bilder aus Marseille!) Einige Fragen: War-
um Kremlicka von Krampf bedroht wird,
— warum der im Grunde so wohltuend ein-
fache junge Muzika gar so dekadent „tut“,
— warum man dem begabten Architekten
Gocar seine „Modernste“ nicht so recht
glauben kann. Redliche Arbeit bei Ram-
bousek, nicht ganz redliche — aber hüb-
sche — bei Hrska. Zwischen alldem viel
Altes und Junges, was immer da ist, dies-
mal aber unauffälligere Ecken füllt. 0. 5.
ERÖFFNUNG DES BAUHAUSES
Noch nicht zwei Jahre ist es her, daß das
Bauhaus, schnöde aus Weimar verdrängt,
nach Dessau übersiedelte, von dem tat-
kräftigen und einsichtsvollen Bürgermeister
Hesse gerufen und bald auch mit den nö-
tigsten Mitteln versehen, um sich Heim-
und Arbeitsstätte zu erbauen. Im Septem-
ber 1925 wurde der Bau begonnen, in die-
sem September wurden die Meisterhäuser
und die Wohnateliers der Schüler, im Ok-
tober das Bauhaus selber bezogen. Und
noch im September d. J. wurde die erste
Kleinhaussiedlung in der Vorstadt Törten
begonnen, die heute vor der Bezugsfertig-
keit steht.
Dies alles war möglich, weil der groß-
artigen Organisationskraft Walter Gropius’
und der Ausgereiftheit der Bauhausideen
das Wohlwollen der Stadtverwaltung ent-
gegen kam. Erinnert man sich an die un-
erquicklichen Reibungen, unter denen in
dem vorvorgestrigen Weimar alle Arbeit
gehemmt war, so empfindet man den Orts-
wechsel als ein wahres Glück für die deut-
sche Kultur. Weimar, von dessen (immer
noch bestehenden) „Bauhaus“ es ganz
still geworden ist, mag sich mit dem Be-
wußtsein trösten, die Mumienbewahran-
stalt von Goethe und Nietzsche zu sein —
ihr Geist ist längst auf und davongeflogen.
In wahrem Sinne erhebend war die Er-
öffnungsfeier am 3. und 4. Dezember.
Der Vortag war der Presse eingeräumt:
eine kluge Maßnahme, da am eigentlichen
Eröffnungstage, bei einem ganz unvorher-
gesehenen Zudrange von mehr als 1000 Be-
suchern aus Mitteleuropa, die Besichti-
gungsmöglichkeiten stark eingeschränkt
waren. Man sah alles mit Muße und hörte
die notwendigen Erklärungen wirklich, und
vor allem konnte man die Musterhäuser
und ihre unvergleichliche Funktionsschön-
heit aufs beste kennen lernen, was den
tausend Festteilnehmern naturgemäß ver-
wehrt blieb. So war auch der Abend-
empfang bei Bürgermeister Hesse in dem
repräsentativen Messelhause, von starkem
Eindruck; gespannt zwischen Schönberg-
und Mussaryski-Musik, die Erdmann mit
dem Feuer Jean Christophes vortrug, und
der Mitternachtsfeier von Kandinskys
60. Geburtstag.
Den Höhepunkt bildete aber die eigent-
liche Eröffnungsfeier am 4. Dezember, die
nur etwas unter der Überfülle litt — einer
811
net, die „Landschaft bei Pontoise“ von
Pissaro, die wie wenige Bilder dieses Mei-
sters seine noch gar nicht voll erkannte
Bedeutung für unsere Entwicklung dartut.
Von Manet das „Bildnis Frl. Michel-Levy“,
zwei feine Renoirs, ein Signac, ein kleiner
Rousseau. Von Lebenden: Derain mit drei
Bildern, von denen die „Landschaft“ das
beste ist, eine kleine „Landschaft“ Utril-
los, ein Othon Friesz, ein meisterliches
Bild Bonnards voll tiefer Malerei, ein kul-
tivierter Bracque, und zwei neueste Stücke
von dem hier immer in seiner ganzen Be-
deutung gewürdigten Picasso sind beson-
ders hervorzuheben. Die Plastik vertreten
der weiche Bourdelle und der feste Despiau,
dazu von Rodin eine Figur aus der Calais-
gruppe (eine Loslösung, die sich selbst ver-
urteilt). Sonst noch ein interessanter früher
Munch „Tanz am Ufer“ aus hiesigem Be-
sitz, aber auch sonst sinnvoll an dieser
Stelle, denn Munch hat eine Zeitlang bei
den Tschechen stark gewirkt. Als Archi-
tekt kommt Berlage zu Wort, zu dem sich
einige Ältere bekennen dürften.
Das Ganze also ein offenes Bekenntnis
zu den Vorbildern, für die Entwicklung der
Vereinigung aufschlußreich und darüber
hinaus interessant. Eine zweite Abteilung
zeigt die Toten der Vereinigung, von denen
sich Slavicek als Sonderimpressionist,
Preißler als vornehmer Dekorateur, Kotera
als Architekt und Stursa als Bildhauer ein-
drucksvoll halten, während manches andere
auf Pietätskonto geschrieben werden muß.
Die dritte Abteilung läßt die lebenden
Mitglieder sprechen. Da traf es sich gut,
daß just zu dieser Centenaire so manch
Neues sich zeigt. Das Frühjahr noch hätte
weit entmutigendere Auspizien eröffnet.
Dies Neue regt sich sowohl bei der Stamm-
garde — bei einem Filla z. B., dessen Rück-
finden zu seinem ureigensten Elan der ex-
pressiven Form durchaus als Fortschritt
über seinen wenn auch noch so diszipli-
nierten, so doch zweithändigen Kubismus
hinaus gewertet werden darf. Regt sich
auch in neuer Jugend, aus der vor allem
auf Jan Bauch aufmerksam gemacht sei,
dessen Malerei zumindest ein sehr flottes
eigenes Schauen verrät, das sich allerdings
noch in Expansionen zu legitimieren haben
wird vor dem Verdacht drohender Rou-
tine. Auch bei Spala Neues: aus dem nur,
lyrischen Dreiklang seines „Blau—Rosa—
Weiß“ heraus ein Zug zu gründigererFarbe,
der dann auch in der Form ein Struktive-
res, stärker Bauendes entspricht. (Seine
Bilder aus Marseille!) Einige Fragen: War-
um Kremlicka von Krampf bedroht wird,
— warum der im Grunde so wohltuend ein-
fache junge Muzika gar so dekadent „tut“,
— warum man dem begabten Architekten
Gocar seine „Modernste“ nicht so recht
glauben kann. Redliche Arbeit bei Ram-
bousek, nicht ganz redliche — aber hüb-
sche — bei Hrska. Zwischen alldem viel
Altes und Junges, was immer da ist, dies-
mal aber unauffälligere Ecken füllt. 0. 5.
ERÖFFNUNG DES BAUHAUSES
Noch nicht zwei Jahre ist es her, daß das
Bauhaus, schnöde aus Weimar verdrängt,
nach Dessau übersiedelte, von dem tat-
kräftigen und einsichtsvollen Bürgermeister
Hesse gerufen und bald auch mit den nö-
tigsten Mitteln versehen, um sich Heim-
und Arbeitsstätte zu erbauen. Im Septem-
ber 1925 wurde der Bau begonnen, in die-
sem September wurden die Meisterhäuser
und die Wohnateliers der Schüler, im Ok-
tober das Bauhaus selber bezogen. Und
noch im September d. J. wurde die erste
Kleinhaussiedlung in der Vorstadt Törten
begonnen, die heute vor der Bezugsfertig-
keit steht.
Dies alles war möglich, weil der groß-
artigen Organisationskraft Walter Gropius’
und der Ausgereiftheit der Bauhausideen
das Wohlwollen der Stadtverwaltung ent-
gegen kam. Erinnert man sich an die un-
erquicklichen Reibungen, unter denen in
dem vorvorgestrigen Weimar alle Arbeit
gehemmt war, so empfindet man den Orts-
wechsel als ein wahres Glück für die deut-
sche Kultur. Weimar, von dessen (immer
noch bestehenden) „Bauhaus“ es ganz
still geworden ist, mag sich mit dem Be-
wußtsein trösten, die Mumienbewahran-
stalt von Goethe und Nietzsche zu sein —
ihr Geist ist längst auf und davongeflogen.
In wahrem Sinne erhebend war die Er-
öffnungsfeier am 3. und 4. Dezember.
Der Vortag war der Presse eingeräumt:
eine kluge Maßnahme, da am eigentlichen
Eröffnungstage, bei einem ganz unvorher-
gesehenen Zudrange von mehr als 1000 Be-
suchern aus Mitteleuropa, die Besichti-
gungsmöglichkeiten stark eingeschränkt
waren. Man sah alles mit Muße und hörte
die notwendigen Erklärungen wirklich, und
vor allem konnte man die Musterhäuser
und ihre unvergleichliche Funktionsschön-
heit aufs beste kennen lernen, was den
tausend Festteilnehmern naturgemäß ver-
wehrt blieb. So war auch der Abend-
empfang bei Bürgermeister Hesse in dem
repräsentativen Messelhause, von starkem
Eindruck; gespannt zwischen Schönberg-
und Mussaryski-Musik, die Erdmann mit
dem Feuer Jean Christophes vortrug, und
der Mitternachtsfeier von Kandinskys
60. Geburtstag.
Den Höhepunkt bildete aber die eigent-
liche Eröffnungsfeier am 4. Dezember, die
nur etwas unter der Überfülle litt — einer
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