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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 24
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0840

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SAMMLER UND MARKT

DIE VERSTEIGERUNG DER
MI CH EL HAM - SAMMLUNG
Der verstorbene Lord Michelham, des-
sen Kunstschätze am 23. und 24. Novem-
ber unter den Hammer kamen — die ganze
Auktion dauerte 6 Tage —, gehörte jenem
heute nicht ganz seltenen Sammlertyp an,
dem nur das Teuerste gut genug ist. Bera-
ten von den besten Experten, wie man ver-
sichert, hatte er für die Ausschmückung
seines schönen Hauses, das einmal Lord
Salisbury gehörte, angeblich eine Million
Pfund ausgegeben. Seine Erben werden
heute nach der Versteigerung mit jenen Ex-
perten nicht unzufrieden sein, die den Ver-
storbenen zur Kapitalanlage in französischen
Möbeln und englischen Porträts des 18. Jahr-
hunderts bewogen, denn dieser Teil der
Sammlung hat ihnen eher mehr eingebracht,
als ursprünglich dafür ausgegeben worden
war. Die englischen Porträtisten besonders
erzielten Preise, daß auch die sehr lang-
mütige englische Kritik die Geduld verlor
und auf die enorme Kluft zwischen ihrem
Marktwert und ihrem Kunstwert hin zuweisen
wagte. Der festländische Kunstfreund kann
kaum ernst bleiben, wenn er hört, daß ein
Porträt von Lawrence, einem Maler also,
der nie über die glatte, konventionelle Ele-
ganz hinauskam, eine Summe erzielte, wie
sie wahrscheinlich überhaupt noch nie für
irgendein Gemälde auf einer Auktion be-
zahlt worden ist. Ein bedrückend großer
Teil der versteigerten Objekte war nicht ein-
mal Dutzendware und erfuhr die Behand-
lung, die sie verdiente. Unter dem inter-
nationalen Händlertum war Paris besonders
gut vertreten, doch mußte es auffallen, daß
viele von den wichtigsten Stücken von Leu-
ten erworben wurden, deren Namen in der
Kunstwelt völlig unbekannt sind, was den
Schluß nahe legt, daß die Familie des frü-
heren Besitzers bei der Auktion nicht an-
wesend war.
Der erste Versteigerungstag, der fanzö-
sische Möbel von Riesener, Beneman, La-
croix, Delorme usw., Gobelins, Skulpturen,
Porzellan usw. umfaßte, ergab ein Total
J6? 145 917. Den höchsten Preis, 26500 Gui-
neen, erzielte ein Satz von Polstermöbeln,
Beauvais, bestehend aus zwei Kanapees und
fünf Fauteuils, Stempel ,,Jacob“ (Watson).
An demselben Tage bezahlte Duveen für
den berühmten Louis XVI.-Gobelin,,Roland
ou la Noce d’Angelique“, von Clement Belle,
19000 Guineen.
Das Total des zweiten Tages, der die zu-
meist englischen Gemälde unter den Ham-
mer brachte, belief sich auf ig 431 926, wo-
bei bis auf ^5000 die ganze Summe auf

15 Bilder entfiel. Wie allgemein erwartet
wurde, marschierte an der Spitze das lebens-
große Porträt der Miß Mary Moulton Bar-
rett, bekannt als ,,Pinkie“ von LawTence,
wofür Lord Michelham ungefähr SS 60000
ausgegeben haben soll. Nach einem ersten
Angebot von 10000 Guineen kletterte die
Leinwand auf die schwindelnde Höhe von
74000 Guineen, wo sie an Duveen fiel. Für
die weiteren Resultate siehe die Versteige-
rungsliste. F. Bodtner.
DIE GROSSE LEIPZIGER
KUPFERSTICH AUKTION
die C. G. Boerner vom 10. bis 12. Novem-
ber abhielt, wurde eine Auktion der vielen
Rekordpreise und erwies sich auch hin-
sichtlich des Gesamtumsatzes als eine der
stärksten bisherigen Kupferstichversteige-
rungen. Da sie wiederum in ihrer Art die
einzige große Veranstaltung universellen
Charakters in dieser Saison bleibt, verdient
sie eine eingehende Sonderbesprechung.
Die Hauptpreise der Auktion werden in der
Beilage des Cicerone veröffentlicht.
Bereits die Gegenüberstellung der erziel-
ten Preise mit den Taxen ergibt für viele
Hauptblätter eine beachtliche Mehrbewer-
tung in der Auktion; noch auffallender wird
gelegentlich der Vergleich mit markanten
Vorkriegspreisen. Die Versteigerung bewies
wohl noch eindringlicher als ihre letzten
Vorgängerinnen, daß die erhöhte Nachfrage
nach den ganz großen Qualitäten, aber auch
nach den guten Qualitäten, zumal bei den
Inkunabeln und den Hauptmeistern, eine
Preissteigerung mit sich bringt, die mit der
gesteigerten Seltenheit dieser erlesenen
Ware zum mindesten parallel geht.
So kostete z. B. in der Lannaauktion 1909
der erste Zustand des Clement de Jonghe
von Rembrandt (B. 272) in einem „unver-
gleichlich schönen“ Abdruck „mit breitem
Band“ 7400 M., in der großen Albertina-
dubletten-Versteigerung vor anderthalb Jah-
ren 10500 M., jetzt den Rekordpreis von
15600 M., d.h. mit dem Aufgeld fast 18000 M.,
was um so mehr bedeutet, als der vor-
liegende Abdruck nicht den Abglanz der
Provenienz aus einer weltberühmten Samm-
lung trug, denn die Rembrandtsammlung
der jetzigen Auktion kam aus einem anony-
men alten Besitz. Für Dürers Varnbühler
(Holzschnitt, B. 155) zahlte man bei Lanna
in erstklassiger Qualität 1300 M., jetzt genau
das Dreifache! Bei Lanna wurde der kost-
barste Hirschvogel mit 1400 M. bewertet, in
der oben angeführten Albertinaversteige-
rung mit 2950 M., jetzt mit 4250 M.! Brachte
vor anderthalb Jahren Cranachs Anbetung

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