Nur ein Schrank scheint aus diesen Grenzen zu fallen, jener des Freiherrn
von Lupin auf Illerfeld bei Memmingen. Der Verfertiger ist bekannt. Es ist
der Bildschnitzer und Kunstschreiner Jörg Syrlin aus Ulm, der sein Werk
mit „1465 Syrlin“ zeichnete.
Bevor wir auch diesen Schrank in die Tiroler Gruppe einreihen, sei die Bau^
art und Ausführung dieser Kästen näher charakterisiert. Sie bestehen aus zwei
aufeinandergestellten truhenförmigen Schreinen, also aus zwei Gelassen, welche
sich beide mittels zweier Türen öffnen. Den Zusammenstoß der beiden Kasten-
teile deckt ein Gürtelstück, welches häufig Schüblädchen, seltener kleine Lege-
fächer mit gegitterten Schubtürchen enthält. Dieses Mittelgesims ist entweder
ein selbständiger Teil des Schrankes und daher abhebbar oder fest mit dem
Oberbau verbunden. Ein hoher Sockel mit in der Regel reich geschnitzten
Füßen trägt den Schrank. Das Hauptgesims ist nahezu in allen Fällen zinnern
bekrönt und so mächtig gebildet, daß es zur Anbringung einer Reihe von Rund-
fenstern mit Maßwerkfüllungen Raum bietet. Die Türen sind glatt, mit Berg-
ahorn oder Esche — meistens im Flader — fourniert und tragen oft Umrah-
mungen oder Stabeinfassungen in Einlegearbeit. Bisweilen sind es Intarsien
aus kleinen mannigfach gebeizten Holzstücken. Die weitere Ausschmückung
dieser Schränke besteht in künstlerischem Schnitzwerk aus Lindenholz. Bevor.r
zugt erscheint hier die fruchttragende Weinrebe als aufsteigende oder in
flachen Bögen wachsende Ranke, beim Tamsweger Schrank als alter, stark
verästelter Weinstock. Daneben ist die stilisierte Bärlappranke ein beliebtes
Motiv. Beim Brixener Riesenschrank wurde sie besonders hoch, also nahezu
freiwachsend, herausgearbeitet.
Aus der vorgenannten Gruppe der spätgotischen Schränke greifen wir jenen
Teil heraus, der sich durch eine Reihe von Rundfenstern im Kastengesims
auszeichnet und damit einen eigenartigen für Tirol festzulegenden Typ dar-,
stellt. Wir kennen bisher als die bedeutendsten Stücke:
1. Der Sakristeischrank der St.-Leonhards-Kirche zu Tamsweg in der Lungau..
Im Gesims acht Rundfenster mit Maßwerk. Bezeichnet 1445. Abbildung 1.
2. Schrank im Besitz des Freiherrn von Lupin auf Illerfeld. Im Gesims sechs
Rundfenster. Bezeichnet „1465 Syrlin“. Abbildung 2.
3. Schrank im Berliner Schloßmuseum. Im Gesims sechs Rundfenster. Ab-
gebildet bei Otto von Falke. Tafel 109.
4. Schrank im Nationalmuseum zu München. Im Gesims sieben Rundfenster..
Abgebildet bei Otto von Falke. Tafel 113.
5. Schrank des Grafen Wimpffen in Graz. Im Gesims sieben Rundfenster..
Abgebildet bei Otto von Falke. Tafel 116.
6. Riesenschrank aus Neustift bei Brixen. Im Gesims an Stelle von Rund-
fenstern sieben Blattdolden mit den Büsten Christi und der sechs Propheten.
Abbildung 3.
Der Tamsweger Schrank ist also um zwanzig Jahre älter als der ihm so nah-
verwandte, in Illerfeld stehende, vom Ulmer Meister Jörg Syrlin gefertigte.
Eine derartige Zeitspanne ist hier um so auffallender, als einem Schreiner im
schwer zugänglichen und von der großen Heerstraße weit abliegenden Markt
Tamsweg der große Ulmer Künstler g-efolgt ist. Der Schrank von Tamsweg
(Abb. 1) trägt auf den die Rundfenster umlaufenden Bändern die Aufschriften:
„Das werchk habent geordent ze machen dye zechleint der chirchen her
Jorig hofmann die zeyt vicari anstatt maister Caspam pfarrer zu Tamsswegund
hans griespeck und chrueg petburg zu Temssweg.“
„Anno dominimi millesimo quadringentesimo quadragesimo quinto finitum
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von Lupin auf Illerfeld bei Memmingen. Der Verfertiger ist bekannt. Es ist
der Bildschnitzer und Kunstschreiner Jörg Syrlin aus Ulm, der sein Werk
mit „1465 Syrlin“ zeichnete.
Bevor wir auch diesen Schrank in die Tiroler Gruppe einreihen, sei die Bau^
art und Ausführung dieser Kästen näher charakterisiert. Sie bestehen aus zwei
aufeinandergestellten truhenförmigen Schreinen, also aus zwei Gelassen, welche
sich beide mittels zweier Türen öffnen. Den Zusammenstoß der beiden Kasten-
teile deckt ein Gürtelstück, welches häufig Schüblädchen, seltener kleine Lege-
fächer mit gegitterten Schubtürchen enthält. Dieses Mittelgesims ist entweder
ein selbständiger Teil des Schrankes und daher abhebbar oder fest mit dem
Oberbau verbunden. Ein hoher Sockel mit in der Regel reich geschnitzten
Füßen trägt den Schrank. Das Hauptgesims ist nahezu in allen Fällen zinnern
bekrönt und so mächtig gebildet, daß es zur Anbringung einer Reihe von Rund-
fenstern mit Maßwerkfüllungen Raum bietet. Die Türen sind glatt, mit Berg-
ahorn oder Esche — meistens im Flader — fourniert und tragen oft Umrah-
mungen oder Stabeinfassungen in Einlegearbeit. Bisweilen sind es Intarsien
aus kleinen mannigfach gebeizten Holzstücken. Die weitere Ausschmückung
dieser Schränke besteht in künstlerischem Schnitzwerk aus Lindenholz. Bevor.r
zugt erscheint hier die fruchttragende Weinrebe als aufsteigende oder in
flachen Bögen wachsende Ranke, beim Tamsweger Schrank als alter, stark
verästelter Weinstock. Daneben ist die stilisierte Bärlappranke ein beliebtes
Motiv. Beim Brixener Riesenschrank wurde sie besonders hoch, also nahezu
freiwachsend, herausgearbeitet.
Aus der vorgenannten Gruppe der spätgotischen Schränke greifen wir jenen
Teil heraus, der sich durch eine Reihe von Rundfenstern im Kastengesims
auszeichnet und damit einen eigenartigen für Tirol festzulegenden Typ dar-,
stellt. Wir kennen bisher als die bedeutendsten Stücke:
1. Der Sakristeischrank der St.-Leonhards-Kirche zu Tamsweg in der Lungau..
Im Gesims acht Rundfenster mit Maßwerk. Bezeichnet 1445. Abbildung 1.
2. Schrank im Besitz des Freiherrn von Lupin auf Illerfeld. Im Gesims sechs
Rundfenster. Bezeichnet „1465 Syrlin“. Abbildung 2.
3. Schrank im Berliner Schloßmuseum. Im Gesims sechs Rundfenster. Ab-
gebildet bei Otto von Falke. Tafel 109.
4. Schrank im Nationalmuseum zu München. Im Gesims sieben Rundfenster..
Abgebildet bei Otto von Falke. Tafel 113.
5. Schrank des Grafen Wimpffen in Graz. Im Gesims sieben Rundfenster..
Abgebildet bei Otto von Falke. Tafel 116.
6. Riesenschrank aus Neustift bei Brixen. Im Gesims an Stelle von Rund-
fenstern sieben Blattdolden mit den Büsten Christi und der sechs Propheten.
Abbildung 3.
Der Tamsweger Schrank ist also um zwanzig Jahre älter als der ihm so nah-
verwandte, in Illerfeld stehende, vom Ulmer Meister Jörg Syrlin gefertigte.
Eine derartige Zeitspanne ist hier um so auffallender, als einem Schreiner im
schwer zugänglichen und von der großen Heerstraße weit abliegenden Markt
Tamsweg der große Ulmer Künstler g-efolgt ist. Der Schrank von Tamsweg
(Abb. 1) trägt auf den die Rundfenster umlaufenden Bändern die Aufschriften:
„Das werchk habent geordent ze machen dye zechleint der chirchen her
Jorig hofmann die zeyt vicari anstatt maister Caspam pfarrer zu Tamsswegund
hans griespeck und chrueg petburg zu Temssweg.“
„Anno dominimi millesimo quadringentesimo quadragesimo quinto finitum
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