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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 18.1926

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Heft 1
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41317#0058

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zu sehen, sondern auch auf sein Recht als
Kritiker, zwischen Mittelmäßig und Gelun-
gen sich für die Qualität zu entscheiden.
Er entscheidet sich überhaupt nicht, we-
der für noch gegen — was? Die Kunst der
Gegenwart? Den einen oder den andern
Künstler? Die Berechtigung dessen, was
man „Expressionismus“ nennt, und das
längst, ohne daß er es in Erfahrung ge-
bracht hat, einer neuen straffen Form und
Gesinnung gewichen ist? Ach nein. Ha-
mann hält immer noch bei den Problemen,
die gelegentlich der Kölner Sonderbund-
ausstellung 1912 mit leidenschaftlicher Par-
teinahme erörtert wurden. Diese Probleme
sind für alle Leute, die den Krieg und die
Inflationsjahre erlebt haben, historisches
Material geworden — nur für Hamann nicht.
Ihm handelt es sich immer noch um Sein
oder Nichtsein der Frage, ob man defor-
mieren dürfe und solle, ob Nolde die Po-
saune blasen könne, ob Heckei ein Gewalt-
mensch sei oder ein Flötenspieler (nach
seiner Ausdrucksweise!). Und so weiter
und so weiter. Von Dix hat Hamann so
wenig Kenntnis genommen wie von G. Groß
oder gar Oskar Schlemmer. Paula Moder-
sohn ist ihm eine „Tante des Expressionis-
mus“, Felix Müller ist wichtiger als Schmidt-
Rottluff, der Expressionismus ist tot, und
die Frage, warum er tot ist, betäubt ihn
derart, daß er von Testamentsvollstreckern
Und Erben noch nichts gehört hat, und
wenn man, als naiver Gründling, diesen
Galimathias gelesen hat, so muß man glau-
ben, daß es nichts mehr sei mit der Kunst,
daß sie ausgeatmet und „ausgeschrien“
habe, seitdem der biedere Sofabürger nichts
mehr in der deutschen Republik zu sagen
habe.
Wenn man einen Kunstgelehrten danach
beurteilen dürfte, wie er zu der Kunst sei-
ner Zeit sich stellt, so kann man wohl be-
haupten, daß Hamann versagt, daß er we-
der als Historiker noch als Kritiker sich
zu den Problemen, die uns alle bewegen,
gestellt habe. Und daß sein Schlußkapitel
zu der „Deutschen Malerei“ besser unge-
schrieben geblieben wäre.
Aber es geht auch nicht mit der sozio-
logischen Auffassung der Kunst, wie sie
in dem ganzen Bande rumort. So geht es
nicht! Wir wollen nicht mehr hören, wie
der Bürger im neudeutschen oder altdeut-
schen Salon sich die Kunst vorstellt. Wir
halten Kunsterörterung für eine Frage des
Formproblems und lehnen ein Werk ab,
das Kunst zur Dienerin der Milieuschilde-
rung des deutschen Spießertums erniedrigt.
Paul F. Schmidt.

Louis Dimier, Histoire de la pein-
ture de portrait en France au XVIe
siede. — Paris, Brüssel, G. van Oest,
1924.
Wie alle Arbeiten Dimiers zeichnet sich
das Werk, dessen „premiere partie“ vor-
liegt, aus durch erschöpfende Kenntnis der
Monumente und der Literatur, sowie durch
kühl verständiges Urteil. Die Aufgabe, die
der Verfasser sich gestellt hat, war mit
reiner Stilkritik nicht zu lösen. Übersicht
über die historischen Ereignisse, Einsicht
in die Zustände am französischen Hofe,
Vertrautheit mit den Familienbeziehungen
in der königlichen Familie und in den
Häusern des Adels: Wissen von vielerlei
Art mußte der Stilkritik zu Hilfe kommen.
Das französische Porträt des 16. Jahrhun-
derts ist uns gegeben und erhalten in Ge-
mälden, Emailtafeln, Kupferstichen, Tapis-
serien und Zeichnungen. Die Zeichnungen
machen die bei weitem wichtigste, die
quantitativ und qualitativ hervorragende
Klasse aus. Sie sind die Urbilder, die Natur-
aufnahmen, wonach die Gemälde wie die
Emails im kopierenden Werkstattbetrieb
hergestellt wurden. Besser: unter ihnen
sind die Urbilder zu suchen. Denn die in
langen Reihen erhaltenen Zeichnungen, die
zumal in Paris, Chantilly und im British
Museum zu London gefunden werden, sind
zum Teil Kopien und Afterkopien. Durch
eingehendes Studium muß dieser Bestand
geordnet und durchgesiebt werden.
Autornamen entdeckt der Forscher auf
diesen Zeichnungen kaum, wohl aber in
vielen Fällen die Namen der dargestellten
Herren und Damen. Aus der Kenntnis ihrer
Lebensdaten wird die Datierung der Auf-
nahmen bis zu einem gewissen Grade mög-
lich. Die Malernamen sind aus Urkunden
bekannt. Wir stellen die Zeitgrenzen der
Tätigkeit fest in Hinsicht auf die Maler des
Hofes, auf die beiden Clouets, auf die ver-
schiedenen Glieder der Familie Dumoutier
und andere Meister.
Dimier schlägt sehr überlegt und sehr
vorsichtig die Brücken zwischen den Mo-
numenten und Dokumenten, indem er
mit R.echt alle Kraft auf die Prüfung der
Schriftquellen und der Zeichnungen sam-
melt. Die Gemälde stehen in zweiter Reihe.
Nur bezüglich Corneilles de Lyon müssen
wir von den Bildern ausgehen, da von die-
sem Meister keine Zeichnungen bekannt
geworden sind. Mit erquickender Unbe-
fangenheit urteilt Dimier über die ehemals
hochbewerteten Emailporträts, die er nicht
nur als sekundäre Quellen zurückstellt, son-
dern auch als Kunstwerke herabsetzt.
Alle Daten in bezug auf die Porträtmei-

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