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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Bier, Justus: Die Bauten der bayerischen Milchversorgung
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0099

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tat des konstruktiven Organismus ist, daß nicht nur
alle heute erfaßbaren Vorgänge darin mühelos unter-
kommen, sondern auch jede künftige Veränderung
ermöglicht wird. Das Gebäude erhält diese Elastizi-
tät durch seine Errichtung als Eisenbetonskelett
— alle Wände sind ohne tragende Funktion und
daher lediglich nach Gesichtspunkten der Isolierung
und Lichtzuführung erstellt. Überdacht wird der Bau
von einem wellenförmigen Schalendach, das als
Faltwerkkonstruktion in Eisenbeton die ganze Tiefe
des Gebäudes ohne Zwischenstütze überspannt und
damit einen vollkommen stützenlosen Hauptbe-
triebsraum ermöglicht, eine hier zum erstenmal an-
gewandte, von dem Nürnberger Statiker Jacobi
entwickelte Konstruktion, die an Stelle der bisher
üblichen gebogenen Schalendächer tritt. Das
oberste Stockwerk liegt auf gleicher Höhe wie der
Milchbahnhof, da der Bau hart an den Steilhang
herangeschoben ist. Er ist mit den Bahnrampen
durch eine große gedeckte Terrasse verbunden, die
den schachtartigen Straßeneinschnitt, auf dem die
Landstraßenmilch ankommt, frei überbrückt. Durch
diese Anordnung kann die mit der Bahn ange-
kommene Milch auf ihrem Reinigungsprozeß den
natürlichen Weg durch die einzelnen Stockwerke
hinab zu den jenseitigen Ausgaberampen im Erd-
geschoß wandern. Nur die unter der Annahmehalle
ankommende Landstraßenmilch muß durch Aufzüge
in die Annahme vor dem Hauptbetriebsraum empor-
gehoben werden. Alle Fabrikationsprozesse gehen
am laufenden Band vor sich. Rollengleiter führen

die Kannen und Flaschenkästen durch die Stock-
werke hindurch. Der gesamte Bau ist in vier Ge-
schosse und ein Zwischengeschoß zerlegt mit Stüt-
zenabständen, die durch ein Raummaß bestimmt
sind (7 :5 m), das der Mehrzahl der Produktionsvor-
gänge ein müheloses Unterkommen verstattet und
nur an zwei Stellen die Eingliederung mehrge-
schossiger Hallen erfordert. Diese Hallen sind die
imposanten Räume der Maschinenhalle, die sich
auch nach außen durch eine Luxferprismenhaut
an Stelle der Fensterbänder, die den übrigen Bau
umlaufen, kennzeichnet, und der im Anschluß an die
Bahnannahme unmittelbar unter das freitragende
Dach und damit über die als Geschoßträger fungie-
rende innere Stützenkonstruktion erhobene Haupt-
betriebsraum. Das Bedürfnis nach viel Licht in den
meisten Fabrikationsräumen und nach langgestreck-
ten Annahme- und Ausgabehallen und stützenlos
überdachten Rampen hat die durch den Eisenbeton-
bau gegebene Auflösung des geschlossenen Mas-
senkörpers begünstigt, der Charakter des Eisen-
betonbaus als straffer fachwerkartiger Gerüstbau
tritt hier klar in Erscheinung.

Während Schweizer bei den Nürnberger Stadion-
bauten noch konstruktives Gerüst und Ausmauerung
einheitlich mit einer weißen Putzschicht überzogen
hatte, die natürlich eine ständige Pflege und Er-
neuerung verlangt, wenn die Strenge und Reinheit
der Formen nicht durch die Patina verwischt werden
soll, ist bei den Milchhofbauten von jeder nachheri-
gen Behandlung des Eisenbetons und Füllmauer-

Milchhof Nürnberg (Arch. O. E. Schweizer). Inneres der Garagenhalle. Stützenlose Eisenkonstruktion

Ferme-Iaiterie, ä Nuremberg (architecte: O. E. Schweizer"). Interieur de la halle des garages. Construction en fer sans Support
Milk courtyard in Nuremberg (O. E. Schweizer, architect). Interior of the garage hall. Iron construction without supports

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