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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Riezler, Walter: Gartengestaltung der "neuen Zeit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0134

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daß diese strenge Form hier eben sachlich be-
gründet ist, sich also sehr wesentlich von der
strengen Gartengestaltung der früheren Jahr-
hunderte unterscheidet, die stets optisch, d. h.
in den Bedürfnissen des schauenden und genie-
ßenden Menschen begründet war. Ob über diese
sachlich begründeten Formen hinaus auch noch
so etwas wie die große Achse mit fernem Blick-
punkt, wie sie die alten Parks beherrschte, mög-
lich ist, ist eine andere Frage — die aber nicht
unbedingt zu verneinen ist: denn gerade aus
dem Gemeinschaftsgefühl des neuen Volksparks
und aller dieser Anlagen läßt sich die Forderung
der Zusammenfassung in einer großen Form, die
die Gemeinschaft auch sichtbar in Erscheinung
treten läßt, sehr wohl begründen. Nur darf sie
nicht zu dem dekorativen Formalismus führen, der
als natürlicher Ausdruck der damals lebendigen
Gesinnung die alten Parkanlagen beherrscht.

Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, daß die
Frage, inwieweit die alten Prinzipien der Garten-
gestaltung heute noch Geltung haben, auch vor
dem Garten des Einzelwohnhauses erhoben wird.
Auch hier ist es heute nicht mehr mit der Ent-
scheidung für den streng geformten Garten ge-
tan. Denn dieser war, ähnlich wie der barocke
Park, vor allem eine Angelegenheit der Schau-
lust, — wie auch die Fassade des Hauses, zu
dem er gehörte. Da aber heute alle nur optisch
begründeten Formen fortfallen, gibt es auch für
den Garten von da her keine Begründung mehr.
Vor allem fehlt in den meisten Fällen der bei der
strengen Gartengestaltung früher so selbstver-
ständliche Anhalt an der baulichen Symmetrie.
Die freie rhythmische Form, wie sie sich in der
modernen Baukunst gerade auch beim Einzel-
wohnhaus als Ausdruck des inneren Organismus
allmählich fast von selbst herausbildet, könnte
zwar an sich sehr wohl im Garten, der das Haus
umgibt, ihre Fortsetzung und naturhafte Aus-
deutung finden. Sie führt aber ganz von selbst
zu einer freien, nicht regelhaft gebundenen Gar-
tenform, — da sie ja schon für sich allein sozu-
sagen ,,naturgewachsen" ist. Die neue Hausform
ist aber darüber hinaus noch in einem viel wei-

teren Sinne naturverbunden: die moderne Woh-
nung ergreift, wenn es irgendmöglich ist, in Win-
tergärten, Dachgärten und dergleichen Anlagen
von der lebendigen Natur Besitz und öffnet sich
mit ihren großen Glasflächen in einer noch vor
kurzem unerhörten Weise gegen die freie Natur.
Diese Natur aber dann noch ebenso wie
früher in strenge Form zu bannen, scheint kaum
möglich zu sein. Vor allem widerspricht diesem
neuen Raum- und Lebensgefühl die entschiedene
Abschließung des Gartens von der weiteren Um-
gebung, — die bei der meistens erzwungenen
relativen Kleinheit der Grundstücke gar nicht so
weit entfernt sein wird. So war es nur konse-
quent, daß man bei der „Siedlung auf dem Wei-
ßenhof" die freigruppierten Häuser nicht mit ab-
geschlossenen Gärten umgab, sondern sozusa-
gen in einen gemeinsamen Garten hineinstellte
(der allerdings in diesem Falle noch zu viel kleine,
absichtlich wirkende Formen enthielt). Und es
ist tief bedeutsam, daß man gleich auch noch den
letzten Schritt weiter ging und die Wohnhäuser
einzeln oder in Gruppen in die gänzlich unbe-
rührte Natur hineinstellte. So machte es Gro-
pius mit den Meisterhäusern des Dessauer Bau-
hauses, so auch Le Corbusier mit seiner letz-
ten Schöpfung, der ,,Maison Savoye" in Passy
bei Paris, wo das Haus auf einer großen Wiese
frei dasteht wie ein großes Flugzeug, das sich
eben dort niedergelassen hat.

Damit verzichtet freilich das Wohnhaus auf
die Abgeschlossenheit der Einzelexistenz, der
es früher diente, oder doch auf die anschau-
liche Betonung der Abgeschlossenheit, soweit
diese noch aus äußeren Gründen erforderlich
sein sollte. Aber das ist nur ein Ausdruck
der neuen Gesellschaftsform, die sich eben bil-
det, — und die ebenso auch jenem neuen Ver-
hältnis zum Problem des Gartens zugrunde liegt,
von dem wir ausgingen. Daß auch das Einzel-
wohnhaus in dieser Weise der Tendenz zur
Gemeinschaft entgegenkommt, mag ein Be-
weis dafür sein, wie stark die Ideen sind,
unter deren Herrschaft sich die Gegenwart
neu gestaltet.

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