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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Schimmelpfennig, Alexander: Landstrassen ohne Bäume
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0165

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maße für die Straßenbepflanzung nur Nadelhölzer,
und es gilt zu prüfen, wie die Nadelhölzer für die
Bepflanzung der Straßen verwendet werden können.
In diesem Sinne interessiert uns vor allen Dingen die
oben genannte Forderung. Die Sicherung des Ver-
kehrs gegen seitliche Einflüsse kann erfolgen durch
Anlage von Hecken, die so niedrig gehalten werden,
daß der Kraftfahrer aus dem Wagen heraus im all-
gemeinen freien Blick über die Landschaft hat,
daß aber der unbefugte Zutritt von Mensch und Tier
zur Fahrbahn behindert wird. Für solche Hecken-
anlagen kommen Koniferen verschiedener Arten in
Betracht. Becker hat ferner gefordert die Sicherung
des Automobilverkehrs gegen Entgleisung, das heißt,
eine gefahrlose Vernichtung der lebendigen Kraft.
Eine erhebliche Zahl der schwersten Unfälle er-
eignet sich dadurch, daß Wagen aus irgendwelchen
Gründen steuerlos werden, die Fahrbahn verlassen
und entweder an der hochstämmigen Bepflanzung
der Straße zerschellen oder, falls sie nicht im Gra-
ben oder anliegenden Gelände ihre lebendige Kraft
verlieren, durch Überschlagen zugrunde gehen. Wir
müssen also an solchen Stellen, wo ein Abirren von
der Fahrbahn infolge der Geländegestaltung beson-
ders leicht eintreten kann (z. B. in der Außenkurve),
auf Anlagen bedacht sein, die in der Lage sind, die
lebendige Kraft eines abirrenden Autos möglichst
schnell so zu vernichten, daß das Auto selbst keinen
Schaden nimmt. Für diesen Zweck gibt es heute nur
ein einziges Mittel, und das ist eine recht undurch-
dringliche Hecke, die Hölzer von erheblicher Stamm-
stärke nicht besitzt. Für solche Hecken eignen sich
Nadel- oder Laubholzgewächse in gleicher Weise.
Außerdem können immergrüne Hecken im Automobil-
straßenbau auch in großem Umfange Verwendung
finden, wo es gilt, dem Kraftfahrer gewisse Aus-
blicke zu entziehen, sei es, um ihm bei Nacht die
Blendung durch störende Lichtquellen zu ersparen,
sei es, um bei Tage zu verhüten, daß seine Aufmerk-
samkeit durch Ausblicke ungeeigneter Art abgelenkt
wird, sei es schließlich als ästhetisches Moment das
Bestreben, dem touristischen Verkehr unerfreuliche
Anblicke im Landschaftsbilde zu verbergen. Nach
diesen Ausführungen kann wohl kaum ein Zweifel
bestehen, daß die Hecke für unsere Autostraßen
ein Bepflanzungselement von erheblicher Bedeutung
ist, dessen vielseitige Verwendung namentlich in
verschiedenartiger Ausbildung sich heute nur
ahnungsweise umreißen läßt. Die Pflanzungsmög-
lichkeiten der einzelnen Heckenarten, ob Konifere
oder Laubheckengehölze zur Verwendung kommen,
richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen, hier
müssen Klima und Bodenbeschaffenheit entschei-
den, welche Heckenart am besten gedeihen wird.

Ob Hecken oder heckenähnliche Gebilde (kürzere
Heckenstücke, hochgezogene heckenartige Wände
und dergleichen) das einzige Bepflanzungselement
der Autostraßen künftighin sein werden, läßt sich
zur Zeit nicht übersehen. Es scheint jedoch, als ob
nicht nur praktische Erfordernisse, sondern vor allen
Dingen auch die seelische Einstellung des deut-
schen Volkes wenigstens in Deutschland eine hoch-
stämmige Bepflanzung der Straßen nicht restlos
missen möchten. Die hochstämmige Bepflanzung
hat unbestritten den Vorteil, daß sie bei Nacht und
Nebel dem rollenden Verkehr ein vorzüglicher Weg-

weiser ist. Sie bietet ferner in weit höherem
Maße als Hecken die Möglichkeit, ästhetische Wir-
kungen im Landschaftsbild zu erzielen. Es ist je-
doch ausgeschlossen, daß wie bisher die hoch-
stämmige Bepflanzung ihren Platz auf der Fahrbahn-
krone findet, weil sie an dieser Stelle erfahrungs-
gemäß für den Kraftverkehr eine ernstliche Gefähr-
dung bedeutet, sie muß also jenseits des Grabens
angelegt werden, während die Heckenpflanzen am
Rande der Fahrbahngrenzen auszuführen sind. Daß
für diese Bepflanzung Laubhölzer in keiner Form in
Frage kommen können, ergibt sich nach dem Gesag-
ten von selbst. In Betracht kommen nur pyramidal
wachsende Nadelhölzer. Nach diesen Gesichtspunk-
ten ist der Entwurf für die Bepflanzung der neu-
erbauten Straße Flechtdorf-Adorf aufgestellt wor-
den. Wir sehen in unseren Abbildungen Nadel-
holzhecken, die in bestimmten Abständen Unter-
brechungen und zum mindesten auf der konka-
ven Seite zwecks besserer Führung des Verkehrs
in regelmäßigen Abständen hochgehende Nadel-
holzgruppen haben. In einer Abbildung haben wir
die grundsätzliche Anordnung einer Schutzhecke
aus Laubgehölzen, die die Aufgabe hat, etwa ab-
irrende Kraftwagen aufzufangen. Die anderen Ab-
bildungen zeigen Nadelholzbepflanzungen mit oder
ohne Heckenanlagen. Der Gedanke, an modernen
Straßen die Laubgehölze — damit auch Obtsbaum-
bepflanzung — zugunsten der Nadelhölzer aufzuge-
ben, hat in weiten Kreisen erheblichen Widerspruch
gefunden. Man will sich von alten, liebgewordenen
Bildern und Gepflogenheiten nicht trennen, zumal
man sich naturgemäß von den neuen Wirkungen, die
der neue Gedanke im Landschaftsbild haben wird,
noch keine rechte Vorstellung machen kann. Daß
Laub-Wildholz-Alleen und wenigstens zur Zeit der
Blüte auch Obstalleen landschaftliche und male-
rische Reize hervorzaubern, soll nicht bestritten
werden. Wer aber noch zweifelt, daß diese Bepflan-
zungsarten aus den oben angegebenen Gründen für
den neuzeitlichen Kraftverkehr nachteilig sind, den
müssen die hier beigegebenen Entwürfe einer neu-
zeitlichen Bepflanzung überzeugen, daß zum minde-
sten Nadelholzbepflanzungen in der vorgeschlage-
nen Form einer Laubholzbepflanzung vom verkehrs-
technischen Standpunkt aus vorzuziehen sind. Was

die Frage der ästhetischen Wirkung

anbetrifft, so darf man nicht außer acht lassen, daß
Laubgehölze, die an der Straße im Interesse des
Verkehrs vielfachen Eingriffen durch Schnitt unter-
worfen sind, in der Zeit der Blätterleere meist einen
unerfreulichen und zugleich toten Anblick gewähren.
Man kann vielleicht zugeben, daß eine Nadelholz-
allee niemals so starke Wirkungen hervorruft wie
eine Laubholzallee im jungen Blätterschmuck oder
in der Frühlingsblütenpracht, man muß dem aber
gegenüberhalten, daß sie dafür reichlich Ersatz
bietet in ihrer gleichbleibenden Wirkung des inten-
siven Grüns auch im Winter. Die Laubholzpflanzung
stammt aus einer Zeit, in der der Landstraßen-
verkehr nur zu einem ganz verschwindenden Bruch-
teil Verständnis hatte für naturgebundene Wirkun-
gen im Landschaftsbilde, und dieser verschwin-
dende Bruchteil benutzte die Landstraßen fast aus-
schließlich im Frühjahr und Sommer, also zu einer

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