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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0252

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strie die Dinge gestaltet? Man sollte endlich auf-
hören, das Handwerk durch die rosige Meistersinger-
brille anzusehen. Hier sei nachdrücklich auf den
Aufsatz von Otto Rückert in diesem Heft hinge-
wiesen.

Und nun geben wir Ernst Treusch das Wort und
begrüßen es besonders, daß er sehr richtig die Gold-
schmiedearbeit als einen Dienst am kleinen Objekt
charakterisiert und doch die Berechtigung und den
Wert des kleinen Feiertagsobjekts betont.

..Ich bin mir bewußt, einem Gewerbe anzuge-
hören, das in seinem Wert vielfach verkannt und
als .unzeitgemäß' abgestempelt wird. Der Gold-
und Silberschmied ist nach Ansicht dieser Welt-
weisen für die Wirtschaft, für die moderne Bewe-
gung, für die .Baugesinnung' unserer Zeit von
ganz untergeordneter Bedeutung. — Wer aber
diese ,Baugesinnung' nicht als Privileg der Archi-
tekten und ihrer Propagandisten ansieht, wer als
einfacher, erkennender und empfindender Mensch
dieses Erlebnis der Zeit hineinträgt in seinen all-
täglichen Beruf, der weiß, wie lächerlich überheb-
lich es ist. Angehörige anderer Berufsgruppen —
sofern sie selbstverständlich mit der Gestaltung
der Dinge als Ausdruck des Erkenntnisgehaltes
der Zeit etwas zu tun haben — zu einer sekun-
dären Rolle in diesem Werden einer neuen Zeit
degradieren zu wollen.

Man kann meines Erachtens nur zwei Men-
schenkategorien auf diesem Gebiete gelten las-
sen: entweder Mitläufer, die. ob Architekten,
Ingenieure, Goldschmiede oder andere, für den
Fortschritt bedeutungslos sind oder aber, die
nach Begabung und Können schöpferisch führen-
den, der Zeit verhafteten, den Belastungen der
Vergangenheit durch konventionelle und unfrucht-
bare traditionelle Bindungen abgewandten Men-
schen, die alle, ohne Unterschied, in die vorderste
Linie gehören. — Aber es ist richtig: In dem Ge-
staltungsprozeß der letzten Jahre hat sich der
Goldschmied nicht gemeldet. Er hat zugesehen,
wie man über ihn hinwegschritt, wie über einen,
der zwar noch da ist. dem man aber die Daseins-
berechtigung nicht garantieren möchte, den man
also nicht zu beachten braucht. Es ist höchste
Zeit, daß man sich mit allem Ernst gegen diese
Nichtachtung wendet und daß man endlich mit
aller Deutlichkeit ausspricht, warum man noch
da ist und aus welchem Grund man die volle Wür-
digung durch die Kreise beansprucht, die heute
in der Frage der neuen Formgestaltung in
Deutschland als führend angesehen werden. —

Man kennt den stillen zähen Kampf derjenigen
Werkstätten nicht, die sich für die in Technik und
Form vollendeten handwerklichen Arbeiten einset-
zen, denn sonst müßte man wissen, daß sowohl
der subtile Individualist — und deren gibt es im
deutschen Vaterlande, Gott sei Dank, noch recht
viele — als auch der aus innerem Drange einer
neuen Bewegung sofort angeschlossene Kollekti-
vist am kleinen ,Feiertagsobjekt' ihre Einstellung
zu anderen Dingen schulen, stärken, sichern, be-
vor sie, innerlich bereiter, die Basis verbreitern,
auf der sie sich dann mit diesen Dingen umgeben.
So werden bei der Vermittlung solcher ,kleinen
Objekte', etwa durch den Goldschmied, Kämpfe
zwischen Jung und Alt, zwischen den Anhängern

einer gemäßigten Entwicklung und einer radikalen
Abkehr, sehr oft auch zwischen Kitsch und Edel-
arbeit ausgetragen, in die er einzugreifen, die er
mit psychologischem Feinempfinden zum Guten
zu wenden hat. Damit leistet er der Sache, um
die es geht, unschätzbare Dienste. Dienste, die
allerdings nach außen nicht leicht erkennbar in
die Erscheinung treten, bei denen es sich aber
um außerordentlich wertvolle Kleinarbeit handelt,
in deren Mittelpunkt das .kleine Objekt' als wer-
bende Kraft steht. Sehr oft mag es dabei so
sein, daß durch diese werbende Kraft des kleinen
Objekts der Beschauer und Besitzer hingeleitet
wird zum Verständnis für das Werk des Archi-
tekten. —

Der moderne Gold- und Silberschmied steht
fest im Fluß der Zeit, er gestaltet mit techni-
schem Können, in der Form zeitverbunden und sei-
nem Material verbunden, deshalb auch mit Beson-
derheiten, die seinem Materialgefühl entsprechen,
und ist infolgedessen ali jenen anderen Kräften
der Zeit beizuordnen, denen insgesamt gemein-
sam ist: die Begabung, unsere Zeit zu verstehen
und aus diesem Verstehen heraus ihr Material for-
mal künstlerisch zu gestalten. —" W. L.

BAUAUSSTELLUNG

Eine kleine Illustration dafür, wie die Leitung des
Berliner Ausstellungs- und Messeamts sich den
Unterschied zwischen Ausstellung und Messe denkt
und was sie überhaupt von dem Thema ihrer eige-
nen Ausstellung versteht, beweist folgender Fall.
Man muß dazu wissen, daß die modernen Architek-
ten sich keineswegs zur Beteiligung gedrängt haben,
daß sie vielmehr nur auf vielfaches dringen-
des Bitten der Ausstellungsleitung und gegen die
Zusage voller Handlungsfreiheit sich bereit fanden,
mitzumachen.

Nun geschah folgendes: Hugo Häring sollte
seine Reihenhauswohnung in Halle Ii möblieren. Ein
Tischler sollte nach Zeichnungen Härings die Möbel
anfertigen. Bis zur Eröffnung der Ausstellung wußte
er der Kontrolle des Architekten auszuweichen.
Dann lieferte er — eine Einrichtung, die mit Härings
Zeichnungen nicht das Geringste zu tun hatte und
in die Wohnung paßt wie die Faust ins Auge. Häring,
der offenbar der Geschädigte ist. verlangt bis jetzt
vergebens die Entfernung der Fremdkörper. Der
Tischler beruft sich darauf, daß er ja seine Stand-
miete bezahlt hat. Das Ausstellungs- und Messeamt
scheint ihn zu decken: statt Ordnung zu schaffen
und dem Künstler zu seinem Recht zu verhelfen,
droht es ihm, dem Geschädigten, vielmehr noch mit
einer Klage auf Schadenersatz, vorläufig nicht er-
sichtlich, aus welchem Grunde. Das letzte Wort
in dieser Sache wird wohl noch nicht gesprochen
sein. A. S.

Mitarbeiter dieses Heftes:

Otto Rückert, München, Leiter der Meisterschule für das Deutsche
Malerhandwerk

Dr. Alexander Schwab, Berlin, Volkswirtschaftlicher Schriftsteller
Otto Neurath, Wien, Direktor des Gesellschafts- und Wirtschafts-
museums

Thomas Wechs. Augsburg, Architekt

Dr.-Ing. Stephan Hirzel, Berlin, Architekt, Mitarbeiter des „Kunst-
Dienstes"

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