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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Hilberseimer, Ludwig: Die Wohnung unserer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0262

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Schaubild zur Veranschaulichung der breiten Grünstreifen zwischen 10-stöckigen Wohnhochhäusern im Zeilenbau. Entwurf:
Walter Gropius. Für die Begrünung städtischer Bezirke sind Wohnhochhäuser (10 — 12 stöckige) mittelhohen Häusern (3 —
5-stöckigen) überlegen. Die Abstände wachsen mit der Höhe nicht nur porportional, sondern absolut. Wird beispielsweise
ein und dasselbe Gelände im Zeilenbau bebaut, einmal mit 2-geschossigen Reihen in Abständen, die einem Lichteinfallswinkel
von 300 zwischen Zeile und Zeile entsprechen, zum anderen in 10-geschossigen Zeilen, die die gleiche Menge Wohnfläche
enthalten, so verkleinert sich der Lichteinfallswinkel bei den 10-stöckigen Hauszeilen annähernd um die Hälfte (17,5 v. H.), also:
Wohnhochhäuser geben bessere Distanz, breitere Grünflächen, größere Wohnruhe als mittelhohe Etagenhäuser

Gravüre donnant une idee des larges bandes de pelouse courant entre des maisons d'habitation, ä dix etages, construites en hauteur et
en alignement de serie. Les maisons en hauteur permettent de meilleurs distances, de plus larges surfaces de verdure, elles assurent un
plus grand repos que les maisons ä etages, de hauteur moyenne

Illustration showing the broad green strips between 10-storied houses built in parallel lines. Dwelling-houses yield better distances, wider
lawns and greater amenities than tenement houses of medium height

zu ihrer Größe. Das heißt, je kleiner eine Wohnung
ist, um so relativ teurer wird sie. So bleiben wich-
tige Elemente einer Wohnung, wie Küche, Bad,
Treppe, usw.. dieselben, gleichviel, ob die Wohn-
fläche 36 oder 48 oder 64 oder 72 qm beträgt.
Eine Verbilligung kann daher nur durch eine ent-
sprechende Umstellung der Produktion und durch
zweckentsprechendere Finanzierungsmethoden er-
folgen. Es läßt sich heute nicht mehr umgehen, den
Industrialisierungsprozeß, der alle unsere Ge-
brauchsgegenstände erfaßt hat. auch auf die Woh-
nung anzuwenden. Denn auch die Wohnung ist ein
Gebrauchsgegenstand. Gerade durch serienweise
Herstellung von Bauteilen läßt sich der Wohnraum
so verbilligen, daß die übermäßige Verkleinerung der
Wohnfläche, zu der heute die schlechte Organisa-
tion des Arbeitsprozesses zwingt, überflüssig wird.
Ein Automobil ist bestimmt ein ebenso komplizier-
ter Organismus wie ein Haus. Was Ford für den
AutomobiJbau gelungen ist, kann auch für den Haus-
bau durchgeführt werden, speziell für das Einzel-
haus (Erdgeschoßhaus), das ja für den industriali-
sierten Produktionsprozeß ein besonders geeignetes
Objekt ist.

Ebenso wichtig wie die Veränderung des Produk-
tionsprozesses ist die Veränderung der Finanzie-
rungsmethoden, die vielleicht in einer gestufteren
Beleihung aus öffentlichen Mitteln bestehen sollten,
um den Preis der Wohnungen dem Einkommen

ihrer Bewohner anzupassen, ohne dabei die Qua-
lität der Wohnungen zu verringern. Es ist einer der
entscheidendsten Mängel der Wohnungsfürsorge,
daß sie an die Hergabe von Mitteln für den Woh-
nungsbau zu bescheidene sozial-hygienische Forde-
rungen geknüpft und einen zu geringen Einfluß auf
die Mietbildung genommen hat. Um die Mittel für
den Wohnungsbau auf das rationellste zu verwen-
den, muß der praktischen Verwirklichung die theore-
tische Erörterung über die Wohnform und die damit
verbundenen wohntechnischen und sozial-hygieni-
schen Anforderungen vorangehen. Gerade Ausstel-
lungen sind zur Klärung dieser Probleme, die sie vor
aller Öffentlichkeit aufrollen, außerordentlich zweck-
mäßig.

Der Zwang, die Wohnfläche immer mehr zu ver-
kleinern, hat zu Versuchen geführt, die gesamte
Wohnfläche als einheitlichen Tagesraum nutzbar zu
machen. Die festen Trennwände fallen fort. An ihre
Stelle treten Schiebe- oder Faltwände, die es er-
möglichen, die Wohnfläche je nach Größe für den
Nachtgebrauch in zwei oder drei Schlafräume zu
unterteilen. Die Betten werden als Klappbetten ein-
gebaut und zweckmäßig in einem lüftbaren Schrank
untergebracht. Dem Vorteil, am Tage einen unge-
teilten großen Raum zur Verfügung zu haben, steht
der Nachteil ungenügender Isolierungsmöglichkeit
gegenüber. Auch verursacht der Einbau der beson-
deren Einrichtungen nicht unwesentliche Mehr-

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