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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Wright, Frank Lloyd: Die Mechanisierung und die Materialien
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0354

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„Leben" in der Sache ist ihre Qualität. Das Leben macht
ein Ding natürlich, das heißt selbstverständlich: orga-
nisch. Und das heißt wieder ganz einfach: dem Ur-
sprung gegenüber wahr sein, nämlich den Materialien
gegenüber, die es erstehen ließen, und sie so zum Aus-
druck bringen, wie es gestaltet ist und für was es ge-
staltet ist. So wird es zum Körper eines Dinges und zur
Gestaltung eines guten Gedankens. Das erste Studium
von größter Wichtigkeit in dieser Verbindung ist selbst-
verständlich die Natur der Materialien.

Es ist unmöglich, irgend etwas Richtiges zu schaffen
mit einem Material, von dem man nicht selbst etwas
weiß. Die intime Natur von Holz, Papier, Glas, Blech,
Terrakotta, Zement, Stahl, Gußeisen, Schmiedeeisen und
Eisenbeton zu kennen, ist ebenso nötig wie die Hand-
habung der vorhandenen Werkzeuge, um bei der ver-
nunftsmäßigen und kunstgerechten Bearbeitung der
Materialien aus ihnen Nutzen zu ziehen. Wir wollen die
gebräuchlicheren Materialien einmal näher betrachten.
Bei allen werden wir bestimmte Eigenschaften finden,
denen die Normung wohl dienen könnte, oder die durch
zu stark ausgenutzte Normung vernichtet werden. Um
das Prinzip der Mechanisierung richtig anwenden zu
können, muß man den Bereich ihrer Anwendung richtig
erkennen, muß man wissen, wo sie aufzuhören hat, und
dies Aufhören ergibt sich aus dem Studium der Natur
des Dinges, das wir standardisieren wollen. Wir wollen
mit einer kurzen Betrachtung des Holzes beginnen.

Was ist Holz?

Es ist ein gut zu bearbeitendes, aus Fasern bestehen-
des Material, aus dem Stamm des Baumes gesägt und
in fast allen Längen und in bestimmten Breiten und
Stärken, also genormt, zu haben. In fast allen Farben,
in fast allen erdenklichen Texturen ist es erhältlich, da
Bäume in der ganzen Welt in den verschiedensten Arten
wachsen. Die verschiedenen Hölzer unterscheiden sich
durch ihre bestimmten Eigenarten, die uns durch den
Gebrauch der Hölzer aus allen Zeiten bekannt sind.
Das Holz wurde gebraucht zur Herstellung der meisten
Dinge, die der Mensch benutzt. Es kann poliert, ge-
strichen oder gebeizt werden, um die Maserung, das
besondere Merkmal des Holzes, sichtbar zu machen. Es
kann gesägt oder geschnitten werden, um so die Schön-
heit der Textur auf jede erdenkliche Weise an die Ober-
fläche zu bringen. Früher war es mühsam, alles mit der
Hand zu sägen, zu schneiden und zu hobeln. Die Ma-
schine kann das heute viel besser. Sie schneidet das
Furnier so dünn und breit, auch billig, daß man es zur
Verkleidung großer Flächen benutzen kann. Die Ma-
schine schneidet rotierend Furnier von der gekrümmten
Fläche des Stammes in jeder beliebigen Breite und
wickelt Flächen ab, so daß mit einem Schnitt die Mase-
rung gezeigt wird. All das hat man früher nicht ge-
kannt. So wird die Eigenschaft des Holzes befreit. Es
ist in wunderschönen Platten erhältlich, und es wäre ab-
surd, heute noch Holz zu drehen, zu stoßen oder sorg-
fältig zu rahmen, wie man das bis heute gewohnt war.

Noch viel mehr könnte darüber gesagt werden. Aber
das Gesagte genügt, um die neuen Möglichkeiten für
die Anwendung mechanisch bearbeiteten Holzes an-
zudeuten. Auch die Einlegearbeit ist charakteristisch, so
die feinen eingelegten, dekorativen Streifen in einer
glatten, breiten Fläche! Bei der Verarbeitung des Hölzes
zu Möbeln sind feine gerade Linien für die Bearbeitung
durch die Maschine charakteristisch. Diese Begrenzung
zeigt die Natur des Holzes in seiner überaus reichen
Schönheit, solange es in dieser Begrenzung der Form

erscheint. Schnitzerei hat meistens die Natur des Holzes
vergewaltigt, denn die Schnitzerei ist geneigt, das Holz
zu demütigen und die charakteristische Schönheit zu zer-
stören. Die Maschine kann einlegen, kann glätten, sie
kann die natürliche Schönheit des Holzes in plastischer
Behandlung viel mehr der Natur des Holzes entsprechend
hervorbringen. Warum wollen wir eigentlich nicht die
Formen, die sich aus der Freiheit der Hand ergaben,
vergessen? In fünf Fällen waren drei jener Formen so,
daß die Natur des Holzes durch die Überarbeitung ver-
loren war. Aber die Schönheit des Holzes könnte über
die Mechanisierung hinaus leben, wenn der Architekt sie
nur erkennt und in richtigem Sinne gebraucht.

Nun wollen wir das Glas betrachten.

Glas war einst ein schönes Material. Jetzt ist es
eine „vollkommene Klarheit", die aber nicht immer sehr
angenehm wirkt. Die Klarheit des polierten Glases, wie
wir sie heute haben, ist etwas Neues in der Welt. Wir
können große, glatte Flächen für die Spiegelung haben,
Öffnungen, die so aussehen, als ob sie nichts verschließen
würden, helle klare Flächen, die im Innern eines Ge-
bäudes dieselbe Rolle spielen wie Wasser in der Land-
schaft. Wir haben eine Substanz verloren, aber Freiheit
dafür gefunden. Es ist die für den Erbauer eines Ge-
bäudes so wertvolle Spiegelglasscheibe, die von der
Maschine hergestellt wird. Neue Möglichkeiten sind ge-
boten, sie müssen nur erkannt werden. Durch das elek-
trische Glasieren wird das Element des Musters mit deli-
katen, geraden Linien im klaren Glase eingeführt. Frei-
heit und Variation der Musterung bleiben erhalten. Der
Geist muß nur in den Vordergrund treten, um den Platz
einzunehmen, der im Altertum durch die bewunderns-
werte natürliche Qualität des Glases gegeben war. Die
Szene hat sich verschoben, aber mit dem Glas als
Material fahren wir weit besser. Wir können auch
farbiges Glas herstellen, das als Farbe vom Maler be-
handelt werden kann. Aber das ist im Augenblick von
geringerem Interesse. Dank der Maschine haben wir
klare Flächen, Spiegelung und ungehindertes Sehen.

Und nun zum Stahl.

Stahl ist in unser Leben getreten als „Material", um
die physikalischen Lasten unserer Zivilisation auf sich zu
nehmen. Wir leben im Zeitalter des Stahls, und unsere
Kultur hat den Stahl so empfangen, wie die römische
Kultur ihr großes Geschenk, das Steingewölbe, empfing.
Die Römer klebten jahrhundertelang Formen der griechi-
schen Kultur auf das Äußere ihrer Gewölbe und ließen
das Gewölbe, das die Arbeit leistete, hinter dem An-
geklebten versteckt, das nannten sie Architektur. Später
jedoch siegte die edle Tugend des Gewölbes über die
schamvolle Kultur der Epoche, und das Gewölbe lebt
noch heute als eine große und schöne Schöpfung der
Menschheit. Die Ästhetik des Glanzes des Stahls wird
von uns immer noch verkannt, seine ästhetische Existenz
wird verneint und in Bann getan, genau wie es mit den
Backsteingewölben in der römischen Zeit geschah. Aber
auch hier wird im Laufe der Zeit die angeborene Tugend
triumphieren. Was hat dieses wunderbare Material
„Stahl" nicht alles für die Menschen getan! Stahl ist
biegsam, dehnbar, hat jede beliebige Stärke, ist ho-
mogen und für jede Norm leicht kalkulierbar. Stahl ist
eine bekannte Quantität, mit großer Sicherheit mathe-
matisch, bis zum letzten Gramm berechenbar. Ein
Wunder der Stärke, eine verkörperte Mathematik, die
für den Menschen arbeitet.

Stahl ist ein einfaches, körperliches Material, dünn
und doch von äußerster Zähigkeit. Stahl kann in kaltem

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