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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0404

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Entwurf für die Stadthalle Nürnberg
Architekt Ludwig Hilberseimer, Berlin

Projet de la Salle des Fetes de Nuremberg

Projected City Hall at Nuremberg (Germany)

Vogelschau

Vue ä vol d'oiseau
Bird's eye view

Kann man im Haus Tugendhat wohnen?

1929 errichtete Mies van der Rohe seinen Deutschen von der Individualität seiner Bewohner als von der seines

Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona1), der als Erbauers verrät.

ein Bau der Repräsentation nur die eine Aufgabe zu er- Und nun folgt diesem Haus das Haus Tugendhat.
füllen hatte, der Geistigkeit des neuen Deutschland einen Riezler rühmt in seinem Bericht3), daß weder „durch den
würdigen architektonischen Ausdruck zu geben. Mies' Geschmack und Willen des Auftraggebers", noch „durch
meisterliches Werk erhärtete durch das Beispiel, daß die Begrenztheit der Mittel" einer „reinen Lösung" irgend-
Architektur als Kunst auch in unserer Zeit möglich sei. welche Hemmungen bereitet wurden. Aber ist nicht
Durch Mittel der Raumbildung, der Abfolge und Ver- gerade hierdurch der wesentlichste Wert eines Wohn-
bindung offener und gedeckter Räume zwischen Mar- hauses verlorengegangen, ohne daß doch mit gleicher
mor- und Glaswänden, durch Wasserbecken und edle Reinheit wie bei dem Barcelonaer Bau ein freies, durch
Materialien wirkte dieser Bau auf die Empfindung ähn- keine praktischen Zwecksetzungen beschwertes Kunstwerk
lieh, wie die aus gleichem Geist, wenn auch in einer zustande gekommen wäre. Man kann die Musikalität
verklungenen fremden Sprache errichteten Wasserhöfe der Raumunterteilungen und -bindungen in dem großen
der Alhambra, an die sich mancher spanische Besucher Hauptraum sehr wohl empfinden und doch erstaunt sein,
erinnert fühlen mochte. daß in diesem Wohnhaus, von dem man bei der Freiheit
Diesem Werk folgte ein ganz anders gearteter Bau, des Architekten von jeder Bindung an den Willen seines
das Haus des Sammlers Lange in Krefeld2), das mit Auftraggebers den Prototyp eines Wohnhauses er-
größter Nachgiebigkeit gegenüber den Wünschen des warten zu können glaubt, bestimmte Differenzierungen
Bauherrn ein bequemes, reinlich durchbildetes, aber zu- des Wohnorganismus aufgegeben sind, ohne die ein
gleich mit seinem eigenen Ausdruck sehr zurückhaltendes kultiviertes Wohnen auch für den heutigen Menschen
Gebäude wurde, wie jedes gute Wohnhaus mehr schwerlich denkbar ist. Bei aller Freude am großen

- Raum, an der artikulierten Raumeinheit, wird man die

*) Vgl. Justus Bier, Mies van der Rohes Reichspavillon in Barcelona. Abtrennung der Bibliothek oder zumindest des Schreib-

Form 1929, S. 423. __

2) Veröffentlicht im Museum der Gegenwart I, 3 3) Walter Riezler, Das Haus Tugendhat in Brünn, Form 1931, S. 321

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