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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

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Lotz, Wilhelm: Gebrauchsgerät als Ware
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https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0454

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sophie der Technik" (2. Auflage, S. 121) fol-
gendermaßen:

„Die Gesetze der Wirtschaft, die Gesetze des
Geldes, die Gesetze des Handels sind nicht die
Gesetze der Güter, der Lebensbedürfnisse, der
Produktion, der Erfindung. Die Wirtschaft kann
in ihrer Praxis nicht umhin, jener anderen Gel-
tungssphäre der Technik das Material zu ent-
nehmen. Aber im Grunde geht es in der Wirt-
schaft nicht darum, daß es gerade diese oder
jene Gebrauchsgüter sind. Das Reinwirtschaft-
liche befaßt sich nur mit dem Geldwert und der
Mehrung des Besitzes, dem Gewinn. Von dieser
Seite aus gesehen, müssen alle Güter so erzeugt,
so verteilt, so ausgenutzt werden, daß das
Postulat des Gewinnes erfüllt wird. Und zwar des
Gewinnes desjenigen, der Wirtschaft führt und
hält, also eines Kaufmannes, Unternehmers,
Kapitalisten, Händlers. Indem er bewußt seine
Wirtschaft betreibt mit dem Ziel des Gewinnes —
und das muß er tun — ist es im Grunde für ihn
gleichgültig, ob er die gewinnbringende Be-
wegung mit diesem oder jenem Gut, mit Häusern,
Elektromotoren oder illustrierten Zeitschriften
hervorbringt. Für ihn ist das Gut ja eben nur
,Ware', denn er will es ja gar nicht gebrauchen,
sondern er will ja nur den Gegenwert dafür
haben. Er wird nicht 50 000 Exemplare seiner
Zeitschrift für seinen Gebrauch haben wollen.
Ihr Gebrauchswert, das, was sie ihrem eigenen
Wesen nach sind/ was sie als Erzeugnisse der
Technik sind, das ist nicht, was ihn kümmert. Für
ihn ist es Ware, vom Standpunkt der reinen
Wirtschaft nichts als Ware."

Wir erleben augenblicklich die stärkste und
offensichtlichste Krise der Wirtschaft, soweit wir
in unserem Zeitalter zurückdenken können. Und
ganz gleich, wo die Ursache und der Anstoß
zu dieser Krisenbildung liegt, jedenfalls zeigt sich
die stärkste Auswirkung in einer starken Störung
der Regelung von Angebot und Nachfrage. Wir
haben hier keine Wirtschaftspolitik zu treiben,
aber wir vertreten nachdrücklich die Meinung,
daß in solchen Zeiten vor allem die geistigen
Grundlagen einer notwendigen Revision und
Umgestaltung bedürfen, weil nur von diesen
geistigen Grundlagen her eine organische Ge-
sundung erwachsen kann. Es sei ausdrücklich
bemerkt, daß wir mit dem Zitat Dessauers nicht
die Wirtschaft als solche verantwortlich machen
wollen, denn die Grundlagen müssen von allen
Seiten her richtig erkannt und gewertet werden.
Außerdem ist der Käufer, und zwar nicht nur in
seiner Funktion als Käufer, sondern auch als Ver-
braucher, Glied der Wirtschaft. Henry Ford hat

einmal davon gesprochen, daß die Ver-
antwortung des Fabrikanten nicht aufhört, wenn
das Fabrikat beim Kunden eingetroffen ist, son-
dern die Verantwortung besteht, solange das
Objekt seinen Dienst tut.

Ehe wir die Grundlagen zu umreißen ver-
suchen, sei es versucht, die Haltung des Werk-
bundes und ähnlich gerichteter Bestrebungen —
wir denken da an die Ausstellungen in der letzten
Zeit — zu verstehen. Es gilt, aus dem bereits
Geschehenen die Lehre zu ziehen, um die Werk-
bundausstellung „Wohnbedarf" Stuttgart 1932
auf einer Grundlage aufzubauen, die gesund ist
und eine sorgliche Durchdenkung erfahren hat.
Es ist naheliegend, daß der Werkbund vor allem
an den Verbraucher denkt, an den Menschen,
dem diese Dinge Mittel zu seiner Lebens-
gestaltung sind. Die Forderung der Zweckmäßig-
keit deutet diese Stellung klar an. Er hat sich
damit von vornherein zu einem Anwalt des Ver-
brauchers gemacht. Bald weniger bewußt, bald
offener ausgesprochen, wurde der Begriff der
Zweckmäßigkeit nicht nur als technische Zweck-
mäßigkeit erläutert und gefordert, sondern als
eine Erfüllung der Forderungen des Menschen,
der diese Dinge braucht, die auf eine Ein-
gliederung und auf Schaffung einer Lebens-
atmosphäre hinzielen. Auch der Gesichtspunkt,
daß gut gestaltete Dinge psychologisch auf den
Menschen wirken, ist schon früh, besonders durch
Friedrich Naumann, erkannt worden. Späterhin
gab es und gibt es noch andere Versuche, die
Gesichtspunkte des Verbrauchers wahrzu-
nehmen; erwähnt seien die Prüfungsstellen des
Reichsverbandes der deutschen Hausfrauen-
vereine. Hierbei handelt es sich natürlich um
Prüfungen rein technischer Zweckhaftigkeit.
Neben dieser Einstellung vom gebrauchenden
Menschen her hat der Werkbund immer im Zu-
sammenhang damit die Bedeutung des Werk-
vorganges gesehen. Die ganz frühen Ausein-
andersetzungen über die Gesetze der maschi-
nellen und handwerklichen Arbeit bezeugen das.
Aber trotzdem sind Dokumente dafür vorhanden,
daß der Werkbund dabei nicht stehengeblieben
ist, sondern die wirtschaftliche Verkettung dieser
Probleme erkannt und Folgerungen daraus ge-
zogen hat. „Das deutsche Warenbuch" von 1916
ist der Katalog einer Vertriebsgesellschaft. Früh-
zeitig versuchte man, auf den Handel einzu-
wirken. Versuche, eine Verkäuferschulung durch-
zuführen, wurden schon in den ersten Jahren
unternommen. Gustav Stotz hat in diesem Jahr
jenes wichtige Problem wieder aufgegriffen.
All diese Maßnahmen zeigen, daß man die

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