Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 6.1931

DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13708#0481

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gerät ein wenig viel Schalen und Schälchen da sind, auf
deren Gebrauchswert es nicht so stark ankommt.

Eine besonders gute Abteilung ist diejenige, die
billiges Gebrauchsgerät zeigt. Man ist wirklich erstaunt,
wieviel anständige billige Wassergläser, wieviel billige
Teller, Tassen und Kannen es gibt. Auch dem neuen
Kunstmalerei, einer Art gepreßtem Kunstharz, ist ein
großer Tisch gewidmet. In der Ausstellung fallen be-
sonders die neuen Schöpfungen von Schott, Jena, die
Glaskannen und die Glastassen, auf, und es ist erfreu-
lich, daß sehr viele Besucher der Ausstellung sich gerade
für diese Geräte sehr stark interessieren.

Die Hauptbedeutung dieser Ausstellung liegt in ihrer
lokalen Auswirkung. In Berlin ist bisher etwas Derartiges
noch nicht gezeigt worden. Und vernünftigerweise
werden im Katalog die Bezugsquellen, die Warenhäuser
und Spezialgeschäfte, für die einzelnen Artikel benannt.
Die Ausstellung weist einen sehr starken Besuch auf,
und die Verkaufsgeschäfte, die durch die Vorarbeiten
sehr für die Ausstellung interessiert worden sind, müssen
davon Kenntnis nehmen, daß es eine Menge Menschen
gibt, die sich für diese Gerätschaften interessieren und
wissen wollen, wo man sie kauft. Viele Geschäfte er-
wägen demzufolge auch, ob sie nicht in ihrem Laden
oder in ihrem Kaufhaus eine besondere Abteilung ein-
richten, die diese Dinge zeigt. Wenn das wirklich ge-
schieht, so ist viel damit erreicht. Natürlich werden

die Geschäfte mehr Kompromisse machen als die Aus-
stellungsleitung, aber es ist schon wichtig, daß man im
Warenhaus und in Detailgeschäften anständige Formen
überhaupt findet. Wenn der Ausstellung diese Aus-
wirkung beschieden sein wird, so kann man sie nicht
hoch genug einschätzen.

Es verdient auch, erwähnt zu werden, daß die Auf-
machung der Ausstellung eine außerordentlich gute ist,
was angesichts der Eingliederung in den scheußlichen
Lichthof um so mehr betont werden muß. Die Tische
sind allermeist mit einfarbigem roten, weißen und
schwarzen Wachstuch bezogen. Auch damit wird ein
zwar schon alter Kunststoff herausgestellt und auf seine
Qualitäten der Oberfläche in seiner deutlichen Be-
tonung als Kunststoff hingewiesen. Die Ausstellung wurde
eröffnet von Geheimrat Waetzold, der auf die Aufgabe
der Museen hinwies, auch solche Ausstellungen zu
zeigen, die nicht ein besonders hervorgehobenes und
neuartiges Material zeigen, sondern die die Bedeu-
tung des Alltäglichen aufzeigen. Kultusminister Grimme
hielt eine Ansprache, die darin ausklang, daß in der
Betonung und guten Durchformung des Gebrauchsgerätes
ein erzieherischer und ethischer Wert liege. So wurde
von diesen offiziellen Stellen aus deutlich bekundet, daß
die von uns angeregte Idee eines Museums der Gegen-
wart immer mehr Beachtung findet und daß man all-
mählich hoffen kann, daß sie wirkliche Wurzeln faßt. L.

Handwerk, höhere Schulen

Ein Beitrag

Der im Heft 8, Seite 281, erschienene Artikel über
„Handwerk, höhere Schulen und Werkbund" ist in einer
Reihe von Zeitungen besprochen worden und hat wohl
deshalb ein so lebhaftes Echo gefunden, weil hier ein
Thema aufgegriffen wurde, das irgendwie in der Luft
liegt. Vor allem werden sich alle diejenigen melden
wollen, die unter dem herrschenden Schulsystem leiden;
Lernende, deren Anlage nach anderer Richtung drängt,
als der in den höheren Schulen vorgezeichneten und
Väter von Lernenden, die zusehen müssen, wie sich
Neigung und Begabung ihrer Kinder in Stoffgebieten
ausleben, für die es in der heutigen Schule keinen Raum
gibt. Die widersinnige Tatsache ist festzustellen, daß der
Eifer jugendlicher Begeisterung sich — oft mit untaug-
lichen Mitteln und ohne Hilfe — an Aufgaben austobt,
welche dem begrifflichen Denken augenblicklich die Kon-
trolle an der dinglichen Erfahrung zugesellt. Mit andern
Worten: es gibt da eine Gruppe von Begabten, deren
Denken sich überhaupt erst am Tun entzündet — als
Kinder gehören sie zu den typischen „Bastlern" oder zu
den unternehmungslustigen Anführern und Ausreißern,
denen die Schule, so wie sie ist, zur Qual wird.

Gewiß war es nötig, über das Fliegenkönnen nach-
zudenken — aber geflogen wurde erst, als einer kam
und es probierte. Und es erweist sich, daß jene Menschen-
art, der das Handeln im Blute liegt, mindestens so wichtig
ist wie die andere, deren typische Schulgescheitheit, ge-
paart mit übergroßem Gedächtnis, die Zierde unserer
höheren Schulen bildet.

und Werkbund

Uns scheint es notwendig, einmal mit
aller Deutlichkeit auszusprechen, wie
sehr gerade die Art von Begabung, die
ihre Träger zwingt, alles Gedachte auch
an der Wirklichkeit zu erproben, von
unseren höheren Schulen ausgeschaltet
oder zum mindesten vernachlässigt wird,
und zwar in einer Weise, die uns nachgerade zum Ver-
hängnis geworden ist.

Wer weiß, ob uns nicht manche Gesetzgebung, deren
Auswirkung sich in der Praxis ins Gegenteil verkehrte,
manche Notverordnung, die das lebendige Leben zu
erdrosseln droht, erspart geblieben wäre, wenn mehr
Tatsachen- und Wirklichkeitssinn am Werk gewesen wäre.

Der dumpfe, wortlose und verzweifelte Protest gegen
den vermeintlichen Intellektualismus, die kaum mehr zu
überbrückende Spannung zwischen Bauer und Städter,
Bürger und Beamten beruht zum mindesten teilweise
darauf, daß Denken und Handeln sich hoffnungslos
voneinander entfernt haben. Es wird gewiß viel Ver-
kehrtes und Unrichtiges über unser Beamtentum ge-
schrieben, aber eines ist sicher: das Erziehungswesen,
dem sie ihre Berechtigung verdanken, wertet einseitig,
wenn das auch — Gott sei Dank — nicht zu bedeuten
braucht, daß damit jede praktische Begabung aus-
geschaltet sei.

Die Lehrerschaft fühlt das wohl selbst. Es gibt heute
sehr beachtliche Bestrebungen, den Werkunterricht grund-
sätzlich in die Schule einzubauen, eine Aufgabe, welche

469
 
Annotationen