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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 1-25 Januar
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https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0044

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und, waS besonderS wichtig sei, — erreichbare
Ziele. Er schreibe Niemand ein bestimmtes
dogmatischeS GlaubenSbekenntniß vor, wolle
aber einerseitS gegen Aberglauben, hierarchische
Herrschgeküste mnthig ankämpfen, andererseitS
dem fanatischen Unglauben, der jede höhere
gcistige und sittliche Potenz in brutaler Weise
leugne, ebens, entschieden gegenübertreten. Zu-
gleich wolle er die Errungenschaften der mo-
dernen Bildung unverkürzt bewahrt wissen,
und die Kirche einer Erneuerung und Kräfti»
gung, ja einer Wiedergeburt zuführen, indem
er sie wahrhaft auf dem Gemeindeleben zu be-
gründen bemüht sei. Ob der religiösc dogma-
tische Standpunkt der Mitglieder deS VereinS
Andcrn als halber oder ganzer gelte, könne
und dürfe denselben in ihrer Thätigkeit, die in
der Verfolgung praktischer und unstreitig aner-
kennenSwerther Ziele bestände, nicht bcirren.
Außer Prof. Holhman'n sprachen noch Herr
Pfarrer Schellenberg, Prof. Rothe und
Dekan Zittel. Bekanntlich wird der Letztere
in Gemcinschaft mit Prof. Bluntschli auf
dem nächsten Protestantentag in Hannover über
die Fragr referiren, wclche Stellung der Ver-
ein dcr jesuito-katholischen P«rtei gegenüber
einzunehmen habe. Unstreitig würde nach des
Herrn Dekan Ansichl die Erörterung dieser
Frage außerordentlich an Gründlichkeit und
praktischem Erfolge gewinnen, wenn den Refe-
renten ein rccht reiches Material von That-
sachen, die zur Charakteristik deS ultramonta-
nen Treibens geeignet sind, zu Gebote stände.
Der Redner bat deShalb um mündliche oder
auch schriftliche in dieser Richtung liegende Mit-
theilungen zum Behuf der Verwerthung für'
den bezeichneten Zweck. In der nächsten Ver-
einSsitzung soll auf Grundlage einiger vorher
den Vcrsammelten mitzutheilenden Thesen eine
eingehende DiScusston der Schul-und Civilehe-
Fragen, die ja bekanntlich auch anf unserem
Landtag eine wichtige Rolle spielen werden,
statthaben.

Pforzheim, 9. Jan. Wie bereits andere
badische ArbeiterbildungSvereine, z. B. der
KarlSruher, eS thaten, so hat sich auch der
hiesige gegen die von dem ständigen AuSschnsse
der deutschen Arbeitervereine erlassene Auffor-
derung, für Einführung dcs allgemeinen Wahl-
rechtes zu wirken, ausgesprochen. Der bctref-
fende, in einer Versammlung' des hiesigen Ver-
eins gefaßte Beschluß lautet: „Wenn wir
auch die Fordcrung veS allgemeinen Stimm-
rcchtcs grundsätzlich in ihrer vollen Berech-
tigung anerkennen, so müssen wir doch die
Einladung deS ständigen AuSschusseS vom 5.
v. M., daß wir uns von Vereinöwegen an
Petitionen für das allgemeine Stimmrecht be-
thciligen sollen, entschieden zurückweisen. weil
dieses Verlangen sowohl mit unserercn Satzun-
gen, als mit dem dieSfallsigen Beschlusse des
VercinStageS in Stuttgart selbst geradezu in
Widerspruch steht."

-j- Vom südlichen Schwarzwalde,

10. Jan. Am 7. d. M. hielt der Verein für
gemeinnützige Jntercssen cinc Versammlung in
Thiengen ab, bei welcher auch unser Abgeord-
neter Hr. Hebting sich einfand, der nach Er-

gebliche Mörder rrgrtffen, drssen Schuld ficher zu >
setn schien. AlS er eingebracht wurde, hatten sich
auch die alten Eltrrn drs Unglücklichen eingefun-
den, um ben Sohn noch einmal zu sehen. Sobald
die Mutter denstlben erblickte, rtef sie laut: „Mein
Sohn, mein lieber Sohn!' und wollte ihn mit
ihren Armen umschlingen, dcr Vater hielt sie aber
zurück und sagte: „Mutter, jetzt nicht; erst müssen
wir wiffen, ob wir ihn noch unsern Sohn nennen
können, oder ob wir einen Mörder vor unS haben."
Dann wendete er fich an den Maire, während die

„Jch bitte um weiter NichtS, als ihm tn das Ge- !
sicht zu se.hen und ein paar Worte mit ihm reden ^
zu dürfen, dann werde ich selbst sagen, ob er schul-
dig isi oder nicht." Die.Erlaubniß konnte nicht
wohl verweiAert werden. Der Vater trat an dcn

krris um bie Gruppe und Aller Herzrn klopften
fast hörbar. Da streckte der alte Förster die Hand
auS und sagte: „Seid Alle Zeugen, die Zhr hier
seid, was ich ihn fragen werde und er antworten
wird. — „Vor drr alten Frau da, dic Deine Mut- !

örterung der den Zwecken des DereineS ent-
sprechenden Borträge daS Wort nahm und
zunächst seinen Dank für die Erwählung als
Abgeordneter auSdrückte. Hicrauf nckhm er
Veranlassung, vor der Versammlung sein po-
lilisches' Glaubensbekenntniß abzulegen, wie
überhaupt seine Stellung als Abgeordneter der
zweiten Kammer seinen Wählcrn gegenüber zu
bezeichnen. Daß Hr. Hebting sich auf ven
Standpunkt in der Kammer stellt, wie wir
ihn als Abgeordneter wiffen wollen und wie
es unserer Gegend zur doppelten Ehre gereicht,
daß er sich zur Partei des Fortschritts bekennt,
welche sich zur Aufgabe macht, an dem AuSbau
der uns vurch einc volksthümliche Negierung
gewährten freiheitlichen neueren Gesetzgebung
rüftig fort zu arbeilen, hat ihm alle Herzen
erworben. Sein Rednertalent hat dabei noch
bewiesen, daß wir den rechlen Mann gefunden.
Der Ausdruck seiner Gesinnung war die Ver-
anlaffung, daß ihm in Waldshut von Seiten der
Bewohner ein Fackelständchen gebracht wurde.
Am 8. reisl Hr. Hebting nach Jestetten, um
die Wünsche und Anliegen 'seiner dortigen
WLHler entgegen zu nehmen.

('.-) Triberg, 9. Jan. Wie wir früher
berichtet haben, ift das Project der Eirichtung
einer erweiterten VolkSschule wegen dcs zu
erhebenden Schulgeldes unter einem Theil der
hiesigen Bürgerschaft auf Anstände gestoßen
und mußte deshalb eine abermalige Versamm-
lung des großen Ausschuffes anberaumt wer-
den. Das Ergebniß derselben war nun eine
unbedingte Zustimmung zu den gemachten Vor-
schlägen, und hat eS sich dabei gezeigt, daß die
.frühere Opposition wesentlich aus Mangel an
dem nothwendigen Verständniß der Sachlage
hervorgegangen war. Wir haben unS daher
nicht getänscht, alS wir in dieser Sache dem
gesunden Sinn der hiesigen Bürgerschaft ver-
trauten und skhen nun höherer Entschließung
in der Hoffnung entgegen, daß der lang ge-
hegte Plan bald sich verwirklichen werde.

Die Einwände, welche in neuerer Zeit von
Seiten unserer Rachbarn links und rechtS
gegen den — von der Landesvertretung gebil-
ligtcn und höchften Orts gutgeheißenen —
Zug der Kinzigthal - Bodcnsee - Bahn
über hier in öffentlichen Blättern und geheimen
Versammlungen erhoben werden, erhitzen nach-
gerade die Gemüther über den Schwarzwald
wieder, nachdem man die Sache soweit für ab-
gethan hielt. Nach unserer Ansicht geht diese
Bewegung von dem württembergischen Fabrik-
ort Schramberg aus, der als Concnrrent
der badischen Schwarzwald-Jndustrie-Orte cS
nicht verwinden kann, daß letztere ihm von der
badischen Regierung und Landesvertretung vor-
gezogen werden, und nun alle diejenigert badi.
schen Schwarzwaldorte in sein Netz zu ziehen
sncht, wclche bei einer Aenderung des Zugs
über hier etwas zn gewinnen hoffen, sv z. B.
diejcnigen Orte, welche. an die Bahn über
Schramberg zu liegen kämen (Wolfach, Schiltach),
und solche, welche sonderbarer Weise wähnen,
es müssc in Folge dcr angestrebten ZugSän-
derung mindestens eine zweite Bahn von Frei-
burg über Furtwangen und Vöhrenbach nach

s Donaueschingen hergestellt werden. Beide Be-
strebungen werden möglichcrweise von Rott-
wcil und Donaueschingen secundirt; daß auch
die in die Linie und daS Bereich der eigent-
lichen Höllenthalbahn fallenden OrteNeustadt,
Lenzkirch u. s. w. sich auf dre Dauer an die-
sen Bestrebungen betheiligen werden, erscheint
unS um so unglaublicher, als dies nur in der
Voraussetzung einer drittcn Eisenbahn über
den Schwarzwald geschehen könnte, und ein
solcher Köhlerglaube erscheint doch etwaS zu
naiv für verständige Leute, wie jene sind. Wir
hoffen, daß diesem Jntriguenspiel nach dem
Zusammentritt des LandtagS durch Vorlage
der Kostenüberschläge und Bewikligung von
Geldmitteln zum Beginn des Baues dcr be-
reitS genehmigten Linie cin Ende gemacht
werde, weil diese, man kann es mit gutem
Gewiffen auch ohne Vorliebe sür den hiesigen
Ort sagen, dic einzige ift, welche dem Durch-
gangS- und Ortsvcrkehr gleichmäßig gerecht
wird, und weil jede Verzögerung dieser zeit-
raubendcn Arbeit bci der eintretenden Concur-
renz auf württemb. Scitc für die Znkunft un-
serer Kinzigthalbahn verhangnißvoll werden
kann.

Aus Baden, 10. Jan. Wie der „Schw.
M." neuerdings hört, ist eS nicht wahrschein-
lich, daß der Landtag noch in diejem Monat
wieder zusammcntrete, wenigstens sollen die
wichtigsten Vorlagen nicht so schnell zur Reife
gelangcn, als man noch vor einigen Wochen
erwartete. Dagegen wird versichert, daß nun
auch die Reorganisation der ersten Kammcr,
welche von jcncm Hause selbst beantragt wurde,
in Angriff genommen werde. Ob eine Vor-
lage darüber noch in dieser Session erscheint,
ist jedcnfallS ungewiß. — Das Finanzministe-
rium soll sich mit der vielbesprochenen Beffer-
stellung der niederen Civildiener beschäftigen.
Es ist ckir nicht bckannt, ob sich viesclbe auf
dio Gehalte oder nur auf den allerdings schr
kümmcrlichen Bcrechnungsmodus der Pensionen
erstreckt.

Frankfurt, 11. Jan. Nachdem erst gestern
ein Neubau-Einsturz, glücklicherweise vhne Ver-
lust eines Menschenlebens erfolgte, ereignete sich
heute Morgcn ein wciteres Unglück, indem ge-
gen 10 Uhr auf dem sogenannten Klapperfeld
ein im Bau begriffenecö Haus durch das Wei-
chen der Fundamentmauern veranlaßt, zusam-
menstürzte, und 16 in demselben bcschäftigte
Arbeiter unter den Trümmern begrub. BiS
12 Uhr Vormittags waren 6 Todte, 7 Schwer-
und 1 Leichtverwundcter aus den Trümmcrn
gezogen; 2 der Verunglückten werden noch ver-
miß't. Die Rettungsarbeiten werdcn eifrigst
fortgesetzt. Die Verunglückten sind zum größ-
ten Thei! verheirathel. Bci dem Einsturz des
LagerhauseS vor dem Obermainthor blieb doch
wenigstens noch die Hälfte der Gebäulichkeiten
stehen, währen» bci dem heutigen Einsturz nur
ein Steinhaufeu zu sehcn war. Wie man hört,
ist gegen den betreffenden Maurcrmeifter bereits
eine Untersuchung eingeleitet^

Berlin, 10. Jan. Die „Provincialcoi:re-
spondenz" schreibt: Graf Bismarck wird den
Landtag eröffnen, wclchem daS Nord - Ostsee-

Deine Schwester tst, — vor dem würdigen Geist-
lichcn, der Dich in der Religion unterrichtet hat,
frage ich, Dein Vater, der Dir von Kindhejt an
die Liebe zur Wahrheit und den Haß gegen die
Sünde, vor Allem gegen die Lüge, eingepflanzt
hat, frage ich Dich hier, Bernhard, wie Dich Gott
da oben einst fragen wird: bist Du schuldig oder
unschuldig?" Dabei sah er den Solm mit einem
Blicke an, der in den tixfsten Tiefen des Herzens
.lesen zu wollen fchien. „Vater... begann der
Beschuldigte, aber der Alte unterbrach thn und
fagte: „Nimm Dir Zeit, .... übereile Dich nicht,
damit Dein Herz nicht in den Abgrund des Ver-
derbens finke.... Siehe mtch an .. . . Auge in
Auge. . .. und Zhr Alle da, sehet ihn fest an
und hört wohl, was er sagt.... Und nun ant-

worte!"-„Vater.. - - ick bin unschuldig,"

antwortete der Sohn ruhig und gefaßt. — Da
streckte der Alte selne Hand wieder aus, legte sie
auf die Achsel des Sohnes und sagte: „Kniee
nieder!" — Der Sohn gshorchte und der Vater
fprach im Tone der festesten unerschütterlichsten
Ueberzrugung: „Zch segne Dich.... Gott segne
Dich . .. . Du bist unschuldig. Ker Beweis Deiner

ist dieS etne Sache zwischen ihm und den Men-
schen. Mag nun die Justiz ihren Lauf haben.
Mutter," setzte er zu der weinenden Frau hinzu,
„jetzt komm' und umarme Dcinen Sohn." Nach
dieser Scene, die alle Anwesenden auf'S Tiefste
ergriffen hatte, wurde der Gefangene in drn Kcr-
ker ubgeführt, der Proccß begann, abrr nach kurzer
Zett wurde der wirkliche Mörder entdeckt und der
Sohn kchrte, von aller Schuld rein, in das Va-
tcrhaus zurück. _

Beim jüngsten medicinischen Eramen in Mün-
chen fragte ein Profeffor einen Candidatcn, welcke
Mittel derselbe gegen die vom Genusse eines trichi-
nenhaltigcn Fleisches entstrhende Trichinenkrankheit
verordnen würde. Ganz bestimmt antwortete darauf
der Gefragte: „Jn Bayern gibt eS gar keine solchen
Schwetne, wie in Preußen!"

Am zweiten Weihnachtsfeiertage ereignete fich in
Bremen ein trauriger Unglücksfall. Gine große
Sckaar Schlittschuhlaufer tummelte sich auf dem
Eise des StadtgrabenS berum, als die noch dünne
Drcke brach und sieben Personen ertranken, darun-
ter zwet wackere Söhne riner armen Wiltwe.
 
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