Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 26-49 Februar
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2795#0207

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kreisverküudiguligsblatt fiir den Kreis Heidelberg und amtliches Äerkiindiguugsblatt siir die Aints- und AintS-
Gerichtsbezirke Heidelbcrg und Wicsloch und dcn Auitsgcrichtsbezirk Neckargeuiiind.

Nk- 47. Sonntag. 23. F-ebruar 18KL.

* Politische Umfchau.

* Dis Suspcnsion der Dadea^-Oorpus-Acte
für Jrland ift ein Ereigniß von prößter Be-
deutung. Die Außerkraftsctzung dieses erften.
und wichtigsten Fundaments englischer Freiheit,
wenn auch nur für einen Theil deS vereinigten
ReichS Großbritanniens, und wie sich von selbft
versteht, auf eine moglichst kurze Frist, bekun-
del jedenfalls, daß die Umstande, welche jene
Suspension herbeiführten, sehr ernste und drin-
gende gewcsen sein müssen. Jn England ist
vieser Fall in diesem Jahrhundert nur einmal
vorgekommen (1817), und man versteht unter
Aufhebung jenes Bollwerks der persönlichen
Freiheit, die dem Briten übcr Alles geht, etwa
dasselbe, wie auf dem Contincnte unter Ver-
hängung des Belagerungszustandes. — Mit
dem Sticfkinde Jrland hat man freilich in dieser
Hinsicht weniger Umstände gcmacht, als mit
dem Mutterlande, und cs hat dort die neueste
Geschichte schon mehrmalige Fälle der Aufhebung
(zuletzt im Jahr 1848) zu verzeichnen. Allcr-
dings ist auch Jrland ziemlich permanent in
bald offener„ bald geheimer, gänzlicher oder
theilweiscr Auflehnung gegcn die englische Herr-
schaft gewesen,» die der größte Thcil dcS iri-
schen VolkcS fortwährend als eine aufgedrun-
gene, und als eine parteiische und ungerechte
in ihrer Ausübung betrachttt.

Nach dem Wiener „Neuen Fremdenblatt"
sollten am 22. d. in Turin russische Staats-
männer zusammentreten. um einen Ausgleich
zwischen Nom und Rußland anzubahnen, dessen
Vermittlung ein nach Nom reisender Großfürst
übernommen habe.

Nach einem Telegramm des Wiener „Wan-
derer" aus Lemberg sei Graf Agcnor Golu-
chowski zum Minister ohne Portefeuille er-
nannt. — An dcr Wiener Börse war daS Ge-
rücht von einem bevorstehenden kaiserlichen
Manifest vcrbreitet.

Nach der „Hamburger Zeitung" verlautet.
aus unterrichteten Kreisen, es stehe cine Pro-
clamation deS KönigS von Preußen an daö
Volk bevor, worin der Herzogthümersache im
Sinne der Vereinigung mit Preußen erwähnt
werden würde.

Der jpanische Congreß hat dcn Commissions-
anrrag, wclcher die Annahme eines Deputirten-
mandats als unvereinbar mit der Begleitung
eines NegierungSamtes erklärt, angenommen.

Die portugiesische Regierung hat dem Ge-

-j-* Ernfi Moritz Arndt.

Vortrag von Herrn Airchenrath Dr. Schenkel.

» (Schluß.)

Von viesem Geist ist etwas in dem Buch, das
jetzt bcsprochen werden soll, es heißt „Geist der
Zeit", I. Theil.

Das Buch ist allmälig entstanden; es wurde
großen Tbeils im Jahr 1805 geschrirben, aber die
letzte Oelung hat eS nach den Schlacbten von Jena
und Auerstadt erhalten. Es ist einc gewaltige Her-
ausforderung an Napoleon, ein „Fehdehandschuh",
durch den der kleinc Arndt den Weltbeherrschcr in
die Schrankcn fordern will. So personlich beleidi-
gcnd der Ton ist, in dem er gegen den franzö-
siscken Kaiser austritt, so gilt der furcktbare An-
griff doch vtelmehr bem System, als der Person.

Dieses Regikruiigssystem, sagh Arndt, wie es
ein Mann von den eminentesten Talenken, von dem
gewaltigsten Blick, von dem wund»rbarsten Glück
begleitet, aufgestrllt, ist dämonisch; -bies System
muß wit allen Kräften bekämpft werdeN, denn cs
ist der ausgesuchte, rasfinirte Egoismus und Des-
potismus, und wenn dieser Egoismus und Dcspo-

neral Prim die Weisung zugehen lassen, das
Königreich zu verlassen. Jn der Kammer wird
ein Antrag eingebracht, dcr diesen Schritt der
Negierung einem Tadel unterzieht. Nach einer
äußerst lebhaften DiScussion verwirft die Kam-
mer diesen Antrag. Prim geht, wie eS heißt,
nach Gibraltar.

Deurschland.

tz Karlsruhe. 23. Febr. Bcim Beginn
der heutigen 9ten Sitzung der H. Kammer legtc
Staatsminister Dr. Stabel das längst erwar-
tete Ministerverantwortlichkeitsgesetz vor. Es
besteht aus zwei gesonderten Gesetzentwürfen,
von denen der eine die Fälle der Anklage, der
zweite daS Verfahren bei dcr Anklage behandelt.
Das Recht der Anklage ist auSschlicßlich der
zweiten Kammer übertragen. Was das Nich-
teramt betrifft, so enthält bie RegierungSvor-
lage theils aus juridischeu, theils politischen
Gründen folgende Bestimmungen: Die erste
Kammer wählt auS ihrer Mitte 12 Mitglieder,
ebenso der oberste Gerichtshof 12 Mitglieder
der Gerichtshöse. Aüs dieser Zahl wcrven dann
für den einzelnen Fall dnrch das Loos 12 Rich-
ter bcstimmt. Die Gesetze werden an die Ab-
theilungen verwiesen. Der Tagesordnung gemäß
erledigt ^ann die Kammer verschiedene Berichte
der Budgetcommijsion über Nechnungsnachwei-
snngen deS Finanzministcriums für die Jahre
1862—63, woraus der Abgeordncte Pefgen-
stecher seine Motion — zum Schntz der Ncdefrei-
hcit in ven Ständekammern — begründct. Die
badische Verfaffung habe bishcr einer derartigen
Bestimmung entbchrt Andere Verfassungen,
namentlich die englische, die ältere französische,
dann die portngiesische, belgische, baycrische,
preußische u. a. hättcn darnbcr mehr oder min-
der genane Bestimmungen. Ein berühmter
Rechtslehrer (Zachnriae) habe die Ansicht auf-
gestellt, daß, wenn eine Verfassung keine posi-
tive B»stimmung habe, anzunehmen sei, daß
parlamentarische Ministerverantwortlichkeit, alS
in der Natur des constitutiönellen Systems be-
gründet, die Regel sen Nachdem Ncdner 'der
nicht genug zu bcklagendcn bekannten Vorgänge
in Preußen gedacht, stellt er den Antrag, in
ciner Adresse die großh. Negierung zu ersuchen,
zur Ergänzung unserer Verfassnng ein Gesetz
vorznlcgen, welches festsetze, daß kein L-tände-
mitglied wegcn seiner Aeußerungen in der
Kümmer anders als auf Grund der Geschästs-

ordnung zur Verantwortung gezogen werden
könne. Die Motion wird mehrfach unterstützt.
StaatSminister Stabel äußcrt: Die Regie-
rung bedauere tief d:e Veranlassung zu der ge-
stellten Motion; die badische Verfasiung sei in
dieser Richtung allerdings lückenhaft; die Re-
gierung wünsche selbst, daß der Gegenftand ge-
ordnet wcrde; in daS Materielle der Frage
wolle er nicht eingehcn; die Motion wird in
die Abtheilungen verwiesen.

Hierauf begründete der Abg. Moll seine
Motion für sosortige Errichtung einer badi-
schen Bank mit dem Nechte der NotenauS-
gabe. Nedner weist das Bedürfniß und dieNoth-
wendigkcit eiffer Notenbank für Baden nach,
welche durch den mächtigen Anfschwnng dcr
industriellen Jntercssen dringend geboten sei.
Er gibt dann eine kurze Geschichte dcr Bank-
srage in Baden, welche im Jahre 1844 erft-
mals in dcr Kammer erregt, dann von Zeit
zu Zeit wiederholt worden sei, lcidcr ohne zu
irgend einem befriedigenden Abschluß kommen
zu könncn. Nach dem Schrciben des von der
Negierung in letzter Session vorgelcgten Bank-
gesetzeS, dessen Bestimmungeu der Mehrzahl der
Kammer annehmbar erschienen seien, habe der
badische Handclsstand die Sache selbst in die
Hand genommen; die von einem Ausschuß ent-
worsenen Äankftatuten seicn vom badischen Han-
delstag gutgeheitzen, und der Rcgierung mit
der Bitte, die Errichtung.eincr Bank auf Grund
dieser Statuten zu gestattcn, vorgekegt worden.
Eine Antwort sei nicht erfolgt; das Handels-
ministerium wolle vorher die Ansichten der
Kammer über die Sache hören, che es sich zu
einer Vorlage entschließen könne. Revner be-
spricht nun die Statuten, mit denen der weit
größere Theil der bädischen Geschäftsmänner
einverstanden, nnd gegen welche überhaupt im
Wesentlichen nichts ze> erinnern sei. Nedner
stellt daher den Antrag: die Kammer wolle die
vom badischen Handelstag aufgestelllen Statu«
ten einer Prüfung unlerziehen, und im Falle
der Billigung vie Negierung ersuchen, in Bälde
einen Gesetzesentwnrs den Ständen vorzulcgen,
nach welchem auf dem Grunde der vorgelegten
Statuten dem badischen Handelsstand die Er-
richtung einer badijchen Bank mit dem Rechte
der NotenauSgabe gestattet werde.

x Hei-elberg, 24. Febr. Der ultramon-
tane Monitcur und mit ihm die kleine schwarze
Prcsse haben es nicht unterlassen können, bei

Freihnt, der Wahrhcit, der Gerechtigkeit, der Treue ^

Nuhin der Waffen beglückt, keinkn Werth habe,
wcnn nickt das Beste hinzukomme, die Freiheit.

WaS habc denn Napoleon für die höhercn Güter,
für Wissenschaft und Kunst, für Schule und Volks-
bildung gethan? Nichls, als daß e>, wohin er als
Steger gckommen sei, überall die Musecn und die i
Btbliotbcken geplündert habe. — Dies System hat.!
auch Deutschland gcknechtet; wir sind zu eincm
Vasallenvolke geworden, und nichts ist schlimmer,
alS wenn man sick's nicht ringesteht. — Arnbt
fragt: Wie ist es dayin gekommen? und hält un-
serem Volk einen Spiegel vor, in den wir noch
immer hineinblicken bürfen. Er anerkennt seine
herrlichen Vorzüge, spricht mit Begeistcrung von
unserer Wissenschaft unb unseren Hochschulen, von
der Philosophie, von unserer Literatur nnd unse-

xen Dichtern — nur die Romantikcr kann er nicht
lkidcn, und von den Thcologcn sagt er rtwaS,
was mir nicht gefallen hat: cs kommt ihm oor,

was sie nichl glauben. — Aber sonst anrrkennt er
i vollständig, daß unscr Volk ein von Gott gesegne-
i tes Volk ist, und doch sagt er: dies Elend, dieS
! Versinken in den Jammer der Knechtschaft kommt
i daher, daß unsere gelehrten Stände in der Luft
i schwrben, vaß sie nicht mit dem Volke leben, daß
i fie das Polk nicht verstehen und das Volk sie nicht
j versteht. Herunter, Jhr Herren Professorcn, und
hinauf Ihr, bie Ihr unten seib! ruft er. Die
Wiffenschaft muß frucktbar werden für das Leben,
weil sie das bisher nicht war, darum hat unser
Volk seine Weltstcllung vcrloren, sind seine Rcchte
und Freiheiten verloren gegangen, hat es fich trotz
seines Verstandes, trotz seiner Größe und trötz

alle Unbill gefallen laffcn. — Wke soll es besser

Ihr müßt sterben, damit Ihr lebt. Jhr Deutschen
müßt Euch wieder als Männer fühlen; wenn Ihr
 
Annotationen