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Heidelberger Zeitung — 1866 (Januar bis Juni)

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Nr. 126-151 Juni
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Utidelbkrgtr Ztilung.

jkreisverkündigMgsblatt für den Kreis Heidelberg unü amtliches Zerkünüigungsblatt. für dic Autts' und Auits-
Gerichtsbezirke Hcidelbcrg Md Wiesloch und dcn Amtsgerichtsbezirk Neckargciiiüno.


Freitag, IS Zuni

N I38

Votum eines Realpolitikers.

Die Gemüthlichkeit gilt als ein Hauptvorzug
der Deutschen. Sie mag im häuslichen Leben
gelten. Die deutsche Gemüthlichkeit stellt sich
aber in der Politik als Ohnmacht und faule
Thatenscheu heraus; sie droht uns im gegen-
rvärtigen Augenblick um den Rest- von Achtung
zu bringen, den uirs Europa noch zollt.

Am Scheideweg unseres nationalen Daseins
angelangt klagen wir, daß der rechte wie der
linke Weg in's Verderben führen könnte, und
finden uns aus lauter Verlegenheit bemüßigt,
abzuwarten bis irgend ein Zufall uns auf die
eine oder die andere Seite stößt. Sehen wir
uns vielmehr das „Verderben" näher an, fas-
sen wir die Gefahr, die der Sieg der einen
oder der anderen deutschen Großmacht herbei-
führte, fcharf in's Auge. Jn beiden Fällen
droht eine Reaction. Siegt Preußen, so wird
eine politische, siegt Oesterreich, so kann eine
kirchliche Reaction eintreten. Es ist ein ein-
faches Gebot der Realpolitik abzuwägen, welche
von beiden Eventualitäten für die nationale
Sache gesährlicher ist, welche oon beiden am
Ehesten die Möglichkeit bietet zu widerstehen.

Machen wir uns klar, was der Sieg dieses
Preußens unter Bismarck bedeutet. Er be-
deutet Propaganda des jetzt in Preußen herr-
schenden Systems, das durch die blutige Taufe
des Erfolgs und des Schlachtenglücks für lange
hin gefestigt ist. Oder sollte Jemand so naiv
sein, zu glauben, daß Bismarck aus Erkennt-
lichkeit für die Haltung' der Süddeutschen, für
eine etwaige tapfere Neutralität sich aufi;ichtig
zum Liber«lismus bekehren würde? Die Früchte
dieser Bekehrung fangen bereits mit dem Man-
teuffel'schenWillkürregiment inHolstein zu reifen
an. — Der Sieg Preußens bedeutet Unifor-
mirung des geistigen und politischen, Brach-
legung und Verlust des constitutioneHen Le-
bens, das in Süddeutschland zur Welt kam
und segensreich wirkte, als die preußische Ver-
fassung ein-leeres, in der Noth gegebenes und
darum nicht gehaltenes Versprechen war. Er
bedeutet restrictive Jnterpretation der Rede-
freiheit und der Meinungsäußerung nach dem
Zuschnitt der preußischen Gerichte. Er bringt
uns einen gesinnungsfeilen und verrotteten
höchsten Gerichtshof. Einen Beamtenstand, der
nach Ohen eben so kriecherisch wie barsch nach
Unten auftritt, dessen Pflichtgefühl nicht größer
ist als das seidene Bändchen im Knopfloch.

Das Sombardement von Valparaiso.

(Fortsetzung.)

poniren; aber aucb viese Versucbe scheiNrten zum
großten Tbeil! Die meisten Häuser glaubten nach
ben wiedcrholten Versicherungen dcr Consuln die
Waaren in den Zollgebäuden am sichersten. Wir
inußten dre meiste Furcht für unscr HauS haben;
es lregt ganz in der Nähe des Palastes der Prä-
fectur, dcffen Beschicßnng gewiß war. — Wir
schleppten aUe unsere Büchcr, Muster rc. in die
betoen be,m Neubau unseres HauseS errichtcten
feuerfesten Gewölbe, verbarrlkadirten unsere La-
gerräume, unsercn Store und unser Wobnbaus
mit Sandsäcken und licßen in allen Skockwcrkcn
Wafferleitung und Schläuche zum Löschen von
Feuer anlegen. — Die Wände waren stark, und .
dem Himme! sei gedankt — mitten im Kugel- und !

Eine Aristokratie der Privilegien, nicht der
Pflichten. Er bringt uns eine Armee, die gegen
den äußeren, vorzugsweise aber gegen den in-
neren Feind gerüstet dasteht, und bereit ist,
jeder Verfassungsverletzung, jedem Staatsstreich
und jeder brutalen GewaÜthat zu secundiren.
Endlich bringt er eine „allgemeine Wehrpflicht",
die den Gebildeten und Einsichtigen zwingt, zu
verwünschen, daß er gesunde Gliedcr hat.

Wenn man aber glaubt, die siegreiche Re-
gierung Bismarcks würde uns Süddeutsche aus
lauter Aufklärung gegen den Clerus, gegen die
Kirche schützen, so irrt man gewaltig. Das
preußische Muckerthum, das mit den Festungs-
arrestanten zu weinen und zu betew pflegt, wäh-
rend es sie an die Kette schmiedet, jene carri-
kirte Frömmigkeit, die noch vor Kurzem über
die Allianz mit Jtalien und mit dem Blousen-
mann Garibaldi die gnadenseligen Augen
verdrehte, sie ist um Nichts besser wie die öster-
reichische Pfaffenwirthschaft. Bismarck selbft
wird die braven Süddeutschen, die ihn durch
ihre ehrliche Neutralität im Kampf gegen das
clerikale Oesterreich unterstützt haben, ganz be-
ruhigt dem Clerus überlassen, sobald sich der
geringste Vortheil für ihn darbietet. Ueber-
haupt ist ein durch politischen Druck entkräfte-
tes Land der beste Boden für die Verbreitung
der Hierarchie. Die politische wird uns
vor der kirchlichen Reaction in die-
sem Fall uicht schützen.

Erwägen wir nun die Gefohren des öster-
reichischen Sieges. Eine politische Reaction
droht uns nicht vpn dem Kaiserstaat (?), dessen
Lenker eben so viel darum geben würden,
wenn sie in Oesterreich eine allen Nationali'-
täten erpiünschte Gesammtoerfassung ins Leben
rufen könnten, wie Bismarck darum geben
würde, den Keim eines jeden constitutionellen ^
Lebens in Preußen zu ersticken. Wohl aber
spricht man viel von einer kirchlichen Reaction,
von dem „schwarzen Nachtgeoögel", um mit dem
Freiburger Borussomanen zu reden, das über
uns hereinbrechen würde. An und sür sich ist
ein Sieg der kirchlichen Reaction im 19. Jahr-
hundert wenig zu fürchten, wenn er sich nicht
auf materielle Macht stützt. Oesterreich aber
würde zu erschöpft sein, um an die ErrichtunZ
eines hierarchisch-politischen Ijniversalstaats wie
zur Zeit Karl des V. zü denken. Wer die
Periode von 1815 bis 1848 kennt, der weiß,
was es mit der kirchlichen Reaction Metter-


nichs auf sich hatte. Der österreichische Staats-
kanzler fand der Weisheit letzten Schluß im
hermetischen Abschließen Oesterreichs vom Reich;
es ist der österreichischen Regierung gar Mcht
in den Sinn gekommen, einen clerikalen Kreuz-
zug nach Süddeutschland zu unternehmen. Viel-
mehr führt uns dies auf eine bedeutsame, nie
genug gewürdigte Thatsache zurück. Der Haupt-
factor der kirchlichen Reaction lag damals i n
uns, in unserer Schwäche und Willenlosigkeit
der Curie gegenüber. Hand auf's Herz! Jst
das anders geworden? — Hier liegt der Kern des
Uebels. Diejenigen, die je.tzt so laut gegen die
österreichische Psaffenwirthschaft wüthen, klagen
sich nur selbst an. Sie erinnern uns an ihre
Schwachheit, an die Concessionen, die sie jener
unerbittlichen Einheitsmacht von Rom oft ge-
nug gebracht haben. Wie soll man aber der
kirchlichen Reaction entgegentreten, wenn der
alte Bundesgenosse der Curie, Oesterreich, ge-
siegt hat? Dem Uebel kann nur gesteuert werden
durch einen wahrhaft liberalen Staat. Den
muß man in Süddeutschland selbst aller Orts
herstellen, und sich aller Halbheiten entwöhnen.
Den besten Bundesgenossen sinden wir dabei
im preußischen Liberalismus. Aber nicht in
dem Liberalismus, der seiner eigenen Fahne un-
treu, die Freiheit eines anderen Volkes unter-
drücken wollte, nachdem er die eigene Freiheit
verloren hat, der zwischen Annexionsgelüsten
und der besseren Ueberzeugung unklar hin- und
herschwankte. Vielmehr gilt es die bisher matte,
thatenscheue Opposition der preußischen Kammer
zu kräfligen. Kann das geschehen, indem man
ihren erbittertsten Gegner gewähren und ihn
Triumphe ernten läßt, die, man mag sagen was
man will, im Grunde über die preußische und
die deutsche Freiheit oavongetragen sind? Nim-
mermehr! Das System, welches in schonungs-
loser Behandlung Schwacher, im Hohn gegen
Gesetz und Verfassung die Summe staatsmän-
nischer Weisheit sieht, muß gestürzt werden.
Unsere Jnteressen sind dergestalt mit dem ver-
nunftgemäßen Fortschritt in Preußen solidarisch
verknüpft. Wir wollen dem gesunkenen Rechts-
staat Preußen wieder auf die Füße helfen.
Wohl wäre es ein Segett, wenn in letzter Stunde
das preußische Volk seine Pflicht der Selbsthülfe,
wenn es den Entschluß fände, der gegenwärtig
als Wunsch aufMillionen Lippen schwebt. Aber
mit Wünschen rechnen wir hier nicht. Da nicht
anzunehmen ist, daß das preußische Volk sich

erdenklichen Versuche anzustellen, ein solcbcs darba- !
risches brutales Unheil von unserer Stadt abzu- j
leiten. Un^dies wäre noL ^lungen, wenn nicht

nnter der einzig?n Bedingung, daß die englischen !
und französischen Minister ibm ihre scbriftlichc Ge-
nehmiguiig eincs lolchen Acts geben soUten. Bei
den zwischen den europäischen Mäcbten und dcn
Vereinigten Staaten schwebenden Fragen wollte er
sicd nicht dem mögltchen Vorwurf der ganzen Welt
aussctzcn, durch kin^en solcdcn^acti^en Widerüand,

hatten in diesem Augenblicke, in welchem es fich
nicht allein um Verlust von Millionen von Dollars
am Etgenthum ihrer Nattonen, sondern auch um

b ^ ^Fortsetzung folgt.)

gcgeni'lberilellt, schcint es wohl interrssank zu sein,
die Wehrkraft des größten der Mittelftaatcn, nach
genauen Daten dcs Armce - Verordnungsblattcs,
Bayerns gegenwärtiges Krtegsheer kennen zu lcr-
nen; dteses zersällt in: s) 16 Jnfanterie - Regi-
mentcr, jedes zu 6 Batailionen nach bem jetzigen

R^gimÄmtt Sta" Ma"n, °Ä,A>4 ;

bj 8 JägrrbataiUone, jebes zu 925 Mann, 7400
Mann; e) 3 Cürassier-Regimenter zu 4 Escadro-
nen, jedes zu 809 Mann, 2427 Mann; 6) 3 Uh-
lanen-Regimenter, jedes zu 809 Mann, 2427 M.;
e) 6 Chevaurlegers-Regimenter, jedeS zu 809 M.,
4854 Mann; k) 4 Artillerie-Regimenter, darunter

Fuhrwesen (fa^h re'p d e), 4645 Manu; das Regt-
ment Nr. 4 zu l2 Batterten (fahrende), 2857
Mann; das Regiment Nr. 3 zu 4 Batterien (r et-
 
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